Alte Junghans, Datierung, Werk?

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SINNlich
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Alte Junghans, Datierung, Werk?

Beitrag von SINNlich »

Moin zusammen,

dieses Schätzchen aus meiner Sammlung hat noch keine exakte Datierung und Werkseinschätzung. Ich nehme mal an, es ist eine einfache Gebrauchsuhr aus den 50er Jahren. Kennt jemand das 15steinige Werk, das damals verbaut wurde? Was für eine Stoßsicherung ist da drin?

Besten Dank!

Axel

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Speedmaster1957
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Beitrag von Speedmaster1957 »

Hallo Axel,
zuerst mal sehr schöne erhaltene Uhr :shock:, sieht klasse aus.

Aber um mehr über das verbaute Werk zu sagen sollte man den Gehäuseboden abnehmen und nachsehen, um welches Kaliber es sich handelt :wink:
Gruß
Frank

....der nicht nur Speedy´s sammelt
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Axel66
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Beitrag von Axel66 »

Hallo Axel,

ich habe daheim in der Krabbelkiste fast dieselbe rumfliegen (nur steht bei meiner der "Shockproof" über dem "15 Jewels" und ist natürlich nicht so gut erhalten). Allerdings hat die nur 31mm Durchmesser, wie groß ist Deine?
Zum Wichtigsten, meine hat ein J98 Formwerk drin!

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Gruß,

Axel
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_Christoph
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Beitrag von _Christoph »

Wenn sie eine Stoßsicherung hat (wovon ich aufgrund des Zifferblattaufdrucks mal ausgehe), dann eine junghans-eigene Trishock-ähnliche Stoßsicherung.

Ciao
Christoph
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660feet
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Beitrag von 660feet »

Dieses sehr schöne Junghans-Modell gab es mit fast identischem Zifferblatt in drei Ausführungen:

1. kleines Gehäuse (31 mm ohne Krone), kleine Sekunde
2. großes Gehäuse (36 mm ohne Krone), kleine Sekunde
3. großes Gehäuse (36 mm ohne Krone), Zentralsekunde

Die kleine Version hat normalerweise das tonneauförmige Formwerk Kaliber 98, das auf den Fotos von Axel zu sehen ist, oder in der einfacheren Version das Kaliber 97/1. Die großen Versionen haben das Junghans-Kaliber 80 mit kleiner oder zentraler Sekunde.

Alle Modelle stammen aus den 40er-Jahren und kamen zum Teil auch als Militäruhren im 2. Weltkrieg zum Einsatz. Wie Christoph schon sagte, hat Junghans damals eine eigene Stoßsicherung verwendet.

Hier auf die Schnelle ein Foto der 3 genannten Modelle:

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Gruß, 660feet
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SINNlich
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Beitrag von SINNlich »

Besten Dank für diese erschöpfenden Antworten! Und Respekt für das versammelte Wissen in diesem Forum. Ich besitze die kleine Version und hätte gedacht, dass es eines der beliebten "Militärmodelle" aus den 50ern ist, die damals ja in Mode waren. Da die Uhr aber sehr zufriedenstellend läuft, werde ich mit dem Öffnenlassen des Gehäusedeckels noch ein wenig warten. Das Formwerk ist schon recht oldfashioned, faszinierend. Gibt es, abgesehen davon, dass es ein Formwerk ist, noch signifikante Qualitätsunterschiede zwischen den Werken 98 und 97/1 ?

Edit: Ranfft weiß Rat: das 98 wurde ab 1951 verbaut und hat 15 Steine. Das 97/1 gibt's seit den 40ern und verfügt über 7 Lagersteine. Dann wird meine wohl aus den Fifties sein. Jetzt würde mich interessieren: Warum ist das J 98 etwas Besonderes, wie Axel andeutet?

Grüße

Axel
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660feet
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Beitrag von 660feet »

SINNlich hat geschrieben:Das Formwerk ist schon recht oldfashioned, faszinierend. Gibt es, abgesehen davon, dass es ein Formwerk ist, noch signifikante Qualitätsunterschiede zwischen den Werken 98 und 97/1 ? .... Dann wird meine wohl aus den Fifties sein. Jetzt würde mich interessieren: Warum ist das J 98 etwas Besonderes, wie Axel andeutet?
Das Kaliber 97/1 ist eigentlich die ältere Version, bei der die Achsen des Räderwerks noch nicht rubingelagert waren. Von der Konstruktion her geht es auf die Kaliber 95 und 96 der Vorkriegszeit zurück. Man findet es oft in den rechteckigen Art-Deco-Junghansuhren der frühen 40iger Jahre.

Das Kal. 98 war im Prinzip dann die konsequente Weiterentwicklung dieser Formwerkfamilie mit Lagersteinen und Stoßsicherung. Es ist ein sehr robustes und zuverlässig laufendes Werk, das man bedenkenlos jeden Tag tragen kann.

Man ging damals bei Junghans aber noch einen Schritt weiter. Kurz nach Kriegsende erschien von diesem Kaliber sogar eine Automatik-Version mit der Bezeichnung 98/5. Hierbei handelte es sich um ein normales Basiskaliber 98, auf welches in den frühen Nachkriegsjahren notgedrungen ein simples Wechselgetriebe montiert wurde.

Das Resultat war eine Konstruktion mit rechteckigem Basiswerk, kleiner Sekunde, automatischem Aufzug und beidseitig wirkendem Rotor! :shock:

Die erste Junghans-Automatikuhr war geboren...

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Gruß, 660feet :D
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Axel66
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Beitrag von Axel66 »

SINNlich hat geschrieben:... Warum ist das J 98 etwas Besonderes, wie Axel andeutet?...
Ich wollte nicht sagen, daß das 98er etwas besonderes ist. Nur kenne ich die meisten Formwerke in runden Uhren nur bei Damenuhren. Umgekehrt habe ich schon viele rechteckige Herrenuhren mit rundem Damenwerk gesehen. Ist zwar nicht soo selten, aber es begegnet einem doch nicht alle Tage. :oops:

Gruß,

Axel
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SINNlich
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Beitrag von SINNlich »

@ Axel66 und 660feet
Sehr schöne Fotos und hochinteressante Fakten zu den Werken. Vielen Dank! Hatte ja schon immer ein Faible für deutsche Uhrwerke, das vertieft sich jetzt. Zumal ich feststelle, wie zuverlässig und präzise diese Werke funktionieren.

Nochmals besten Dank! :P

Axel
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660feet
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Beitrag von 660feet »

Axel66 hat geschrieben:Umgekehrt habe ich schon viele rechteckige Herrenuhren mit rundem Damenwerk gesehen. Ist zwar nicht soo selten, aber es begegnet einem doch nicht alle Tage.
Stimmt! Eigentlich eine interessante Sache. In den 40er/50er Jahren wurden die noch vorhandenen rechteckigen Werke aus den 30ern in runde Gehäuse eingeschalt, weil runde Uhren in Mode kamen.

In den 70er Jahren hat man dann runde Werke in eckige Gehäuse eingebaut, weil eckige Uhren in Mode kamen. - So richtig in Verlegenheit kam man mit den ersten Quarzuhren. Wohin mit den ganzen mechanischen Werken, die man noch auf Lager hatte? Aus dieser Notlage heraus erfand man die sog. analogen Digitaluhren mit rotierenden Zahlenscheiben. Damals eine notwendige Marketingmaßnahme, um nicht auf den hohen Lagerbeständen an mechanischen Werken sitzen zu bleiben - heute als Stahl-Automatik ziemlich gesucht und bereits von Lifestyle-Marken kopiert.

Hier noch mein letztes Stück zum Thema Junghans-Formwerke: Kaliber 97/1 aus einer rechteckigen Junghans im Art-Deco-Stil.

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Gruß, 660feet
Roland Ranfft
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Beitrag von Roland Ranfft »

Moin Kinnings,

der Kracher ist dieses:

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Stiftankerhemmung und eine Unruh mit imitierten Schrauben. Das sieht von hinten richtig echt aus, aber auf der Unterseite ist die Unruh flach, d.h. die "Schrauben" sind nur halbrund.

Gruß, Roland Ranfft
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SINNlich
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Beitrag von SINNlich »

@ 660feet

Eine schöne Uhr, die gleiche besitze ich mit zweifarbigem schwarz/grauem Zifferblatt. Leider hat da jemand die Zeiger mit weißer Farbe übergejaucht. Dann weiß ich nun auch, welches Werk darin tickt, besten Dank!

@ Roland Ranfft

Ja, das Werk hab ich bei Dir auch entdeckt und mich gefragt, wer damit geblendet werden sollte... . Bei der Gelegenheit, gibt es in Deinem Furniturenlager noch die Originalzeiger der Rechteck-Junghans von 660feet? Mein Uhrmacher musste da passen.

Grüße

Axel
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_Christoph
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Beitrag von _Christoph »

So selten waren Stiftankerwerke mit schrauben-vorgaukelnder Unruh gar nicht. Ich habe schon Werke von Kienzle und Ancre Goupilles (wer auch immer dort der Rohwerkehersteller dieser "Stiftanker"-Werke war) gesehen. Oben hui, unten pfui...
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