Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

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Sperrklinke
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Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Sperrklinke »

Hallo Zusammen!

Rund ein Jahr ist das ETA C01.211 Chronokaliber auf dem Markt. Es ist hier im Forum erstaunlich ruhig geworden um das "Plastikkaliber", welches in verschiedenen Tissot und den Swatch Chrono Automatik verbaut wird. Wobei Plastik sich eher in der Hemmung und einigen wenigen anderen Bereichen vorfindet. Ich möchte Eure Erfahrungen mit dem im Anfang doch eher skeptisch beurteilten ETA-Kaliber wissen und mache als Einstieg den Anfang:

Im Dezember 2009 kaufte ich mir den Swatch-Chrono Automatik (GMT-Version mit dem blauen Zifferblatt und Stahlband) mit dem besagten Kaliber.

Gehäuse: Das Diaphane-Gehäuse ist solide und ziemlich widerstandsfähig. Es sieht nach knapp einem Jahr noch gut aus und hat auch kleinere Schläge und Schubbser erstaunlich locker überstanden. Sie ist meine meistgetragene Alltagsuhr und hat sich in dieser Zeit sehr gut gehalten. Erstaunlicherweise ist die Uhr nicht so leicht wie es aussieht. Im Gegenteil. Mit dem Stahlband bringt die Premium-Swatch ein ordentliches Tragegefühl an den Arm. Das serienmässige Saphirglas trägt auch seinen Teil zur guten Haltbarkeit bei.

Stahlband: Es ist ein gut verarbeitetes, sehr breites, massives Stahlband welches zum guten Tragekomfort beiträgt. Die Schliesse könnte ein bisschen wertiger sein, aber ist mit den seitlichen Drückern bequem zu handhaben. Die Japaner (Seiko 5!!) beweisen aber, dass dies aber alles wertiger und liebevoller ausgearbeiteter geht als die Eidgenossen.

Werk: Nun kommen wir zum zentralen Thema. Viel ist geschrieben worden über den Billigchronographen aus dem ETA-Konzern, welcher ja ursprünglich ein Entwicklungsauftrag von Tissot war. Angefangen über die verwendeten Kunststoffteile im Hemmungsbereich bis hin zur Tatsache, dass sich hier in den Grundzügen viel vom legendären Lemania 5100 wiederfindet, hat bei einigen für rote Köpfe gesorgt. Wobei mich Lemania oder nicht Lemania eher wenig interessiert, das sollen die Fans und Jünger der Lemania-Kaliber selber unter sich ausmachen. Mich interessierte eher, wie sich das 15 steinige Billigkaliber im Alltag bewährt. Wie kommt dieses mit seinen eingebauten Kunststoffteilen im Dauerbetrieb zurecht? Fallen diese, wenn überhaupt, negativ auf?

Nach dem Kauf fielen mir zwei Dinge zuerst auf. Der schlechte und sehr unregelmässige Gang (+12 bis + 40 sek/24h). Eine völlig inakzeptable Leistung, welche sich bei eingeschaltetem Chrono noch verschäfrt hat. Eine solch schlechte Leistung habe ich nicht mal bei russischen Kalibern erlebt und von denen bin ich weissgott nicht verwöhnt worden. Kommt dazu, dass das die Swatch bei eingeschaltetem Chrono schon mal stehen blieb. Erst nach dem ausschalten des Chrono lief sie wieder weiter. Wobei dies nur einmal geschehen ist, aber immerhin. Als zweites kommt da noch der sehr zögernde, äusserst langsame und schlecht abgestimmte (erst um 00:30h) einsetzende Datumswechsel hinzu. Wenig erfreuliches also für eine Uhr die trotzdem fast Fr. 400 gekostet hat. Sicher günstig für einen mech. Chrono, aber trotzdem. Als Schweizer war ich sehr ernüchtert von einem Schweizerkaliber und erst noch aus dem Hause ETA. Nach einigem Tragen fiel mir auf, dass unter dem Saphirglas ein Rückstand, wahrscheinlich aus der Fabrikation, hin und her hüpfte. Damit war das Mass endgültig voll. Die Uhr ging zu Swatch zurück nach Biel. Wartezeit: Rund 1 1/2 Monat. Dann kam die Swatch zurück.

Als erstes war mir aufgefallen, dass der Stift oder Steg beim Bandanstoss noch halb draussen war. Wie sowas durch die Schlusskontrolle kam ist mir schleierhaft. Es wurde mir aber vom immer sehr hilfsbereiten und freundlichen Swatchshop umgehend in Ordnung gebracht.
Als zweites war der Rückstand nun weg und das Saphirglas war klinisch rein wie es sein sollte. Doch die Ueberraschung kam erst: Ich traute meinen Augen nicht. Das ETA-Kaliber C01.211 lief nun wie reine Seide. Die Bieler haben diesem Werk durch Feineinstellung eine Laufkultur anerzogen, die ich nichteinmal zu träumen gewagt habe. Seither läuft die Uhr mit einer Abweichung von max.+0,5 sek/24h im Dauerbetrieb. Und das völlig unbeeindruckt ob der Chrono eingeschaltet ist oder nicht. Ob Büroarbeit, Handwerk oder Gartenarbeit, es kümmert das ETA-Kaliber kein Gramm und keine Sekunde. Selten habe ich eine Uhr am Arm getragen die in so kurzer Zeit eine so grosse Gangreserve aufbaut. Selbst wenn ich sie nach einer Woche Büroarbeit mal weglege, kommt sie fast auf ihre 46 Stunden Laufzeit.

Faszit: Den am Anfang sehr schlechten Eindruck hat die Swatch und das ETA C01.211 mehr als nur wieder gut gemacht. Heute gehört sie mit ihrer regelmässigen Zuverlässigkeit und enormen Gangstabilität zu meinen Lieblingsuhren!

Gruss Frank
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Heinrich
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Heinrich »

Interessanter Beitrag! In der aktuellen Ausgabe der Armbanduhren (6/10) findet man einen recht ausführlichen Bericht über dieses Kaliber. Leider wird nicht auf die Gangwerte eingegangen. Wenn sie durchweg so gut sind, wie bei deinem Exemplar, ist das aus meiner Sicht schon sensationell (obwohl ich es ja in einem früheren Thread zu diesem Kaliber schon fast vermutet hatte). Der Bericht in der AU zeigt allerdings auch in schonungsloser Offenheit, dass dieses Kaliber von A bis Z nur auf die reine Funktion und vollautomatische Low Cost Fertigung hin entwickelt wurde. Von Schönheit keine Spur. Einen Ingenieur faszinieren die kostensparenden Ideen der Konstrukteure vielleicht noch, aber der uhreninteressierte Laie wird beim Anblick der gestanzten Platinen und der spritzgegossenen Kunststoffteile erschaudern. Für Genfer Streifen ist da kein Platz mehr.

Viele Grüße aus dem Rheinland
Heinrich
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Beatlesfan
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Beatlesfan »

Heinrich hat geschrieben: Für Genfer Streifen ist da kein Platz mehr.
Gut OK...dafür ist das Werk aber auch nicht konzipiert! Wer auch optisch etwas hochwertigeres will, muss eben nunmal in den Sauren Apfel beißen und ein 7750 nehmen und das findet man mit Schliff und Perlage eben nicht in einem mechanischen Chrono für unter 300.-€.

Das Werk an sich ist eben nicht für uns gemacht! :wink:
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playman205
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von playman205 »

Heinrich hat geschrieben:Der Bericht in der AU zeigt allerdings auch in schonungsloser Offenheit, dass dieses Kaliber von A bis Z nur auf die reine Funktion und vollautomatische Low Cost Fertigung hin entwickelt wurde. Von Schönheit keine Spur. Einen Ingenieur faszinieren die kostensparenden Ideen der Konstrukteure vielleicht noch, aber der uhreninteressierte Laie wird beim Anblick der gestanzten Platinen und der spritzgegossenen Kunststoffteile erschaudern.
Genau deswegen finde ich das Werk auch überflüssig. Wenn ich eine kostenoptimierte, moderne Uhr ohne altmodischen Uhrmacherschnickschnack will, bin ich mit einer Quarzuhr immer besser bedient. Bei einer mechanischen Uhr ist aber genau dieser Schnickschnack, die Hochwertigkeit im Detail, Teil der Faszination und ihrer technischen Performance. Je primitiver eine mechanische Uhr gemacht wurde, desto mehr entfernt sie sich vom Sinn ihrer Existenz.

Holger
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Sperrklinke
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Sperrklinke »

playman205 hat geschrieben:
Heinrich hat geschrieben:Der Bericht in der AU zeigt allerdings auch in schonungsloser Offenheit, dass dieses Kaliber von A bis Z nur auf die reine Funktion und vollautomatische Low Cost Fertigung hin entwickelt wurde. Von Schönheit keine Spur. Einen Ingenieur faszinieren die kostensparenden Ideen der Konstrukteure vielleicht noch, aber der uhreninteressierte Laie wird beim Anblick der gestanzten Platinen und der spritzgegossenen Kunststoffteile erschaudern.
Genau deswegen finde ich das Werk auch überflüssig. Wenn ich eine kostenoptimierte, moderne Uhr ohne altmodischen Uhrmacherschnickschnack will, bin ich mit einer Quarzuhr immer besser bedient. Bei einer mechanischen Uhr ist aber genau dieser Schnickschnack, die Hochwertigkeit im Detail, Teil der Faszination und ihrer technischen Performance. Je primitiver eine mechanische Uhr gemacht wurde, desto mehr entfernt sie sich vom Sinn ihrer Existenz.

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Natürlich aus der Sicht eines Trägers einer Ulysse Nardin Freak oder einer Patek Philippe Calatrava mag dies wohl zutreffen. Keine Frage. Die Geschichte hat uns aber gelernt, dass gerade in der Quarzkrise in den 70er und 80er es die für die damaligen Verhältnisse simplen und einfachen Werke waren, welche sich hinüberretten konnten. Ueberlebt haben in dieser Zeit eigentlich nur das Valjoux 7750 und das ETA 2824. Der grosse Rest der Haute Horlogerie versank mehr oder weniger in der Versenkung. Mal ausgenommen das El Primero von Movado/Zenith. Aber vorwiegend nur deshalb, weil es Rolex als Volumenkunde in der Daytona als abgeändertes Kaliber 4030 verwendete. Sonst wäre auch dort wahrscheinlich der Ofen aus gewesen. Wobei festzuhalten ist, dass man in der Entwicklungsabteilung von Rolex damals sehr mit dem Valjoux 7750 liebäugelte. Die Vorzüge waren kostenseitig einfach auszumachen. Während man den Schnellschwinger El Primero auf die Schlagzahl 28800 herunterdrosseln musste, hätte man das 7750 mit ein paar Tuningmassnahmen 1:1 übernehmen können. Gemäss dem damaligen Entwicklungschef René Besson gab die Totalisatorenanordnung schließlich den Ausschlag. Eine Rolex ohne Krone bei der 12 war schlicht ein no go und man entschied sich für das El Primero. Dass ohne einfache Uhren- oder Uhrentechnik der High End -Bereich nicht möglich ist, hat uns auch die Erfindung der Swatch gelehrt. Als in der Quarzkrise die ASUAG und SSIH am Boden lag und die Banken in der Schweiz keine Kredite mehr sprechen wollten, war man sogar kurz davor, Omega an die Japaner zu verscherbeln. Ernst Thomke als Chef der ETA (und nicht etwa Hayek, der kam dazu als die Swatch schon auf dem Markt war), konnte damals mit der Entwicklung der Swatch im letzten Moment das Ruder noch herumreissen. Er war der Ueberzeugung, dass man das Hochpreissegment nur retten kann, wenn man auch in der Einsteigerklasse das Leading hat. Und wie die Geschichte zeigt, hat er Recht behalten.

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mhanke
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von mhanke »

Sperrklinke hat geschrieben:
Natürlich aus der Sicht eines Trägers einer Ulysse Nardin Freak oder einer Patek Philippe Calatrava mag dies wohl zutreffen.
Dabei ist aber gerade die "Freak" dadurch in die horologischen Annalen eingegangen, dass sie Werk, Zeiger und Zifferblatt auf ein Mindestmaß reduziert hat. Viel weniger Teile kann eine mechanische Uhr wohl kaum noch haben.Dafür dürfte die "Freak" auch im Preis-pro-Bauteil-Verhältnis nach oben zu nicht zu schlagen sein ...

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playman205
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von playman205 »

Sperrklinke hat geschrieben:
playman205 hat geschrieben:Genau deswegen finde ich das Werk auch überflüssig. Wenn ich eine kostenoptimierte, moderne Uhr ohne altmodischen Uhrmacherschnickschnack will, bin ich mit einer Quarzuhr immer besser bedient. Bei einer mechanischen Uhr ist aber genau dieser Schnickschnack, die Hochwertigkeit im Detail, Teil der Faszination und ihrer technischen Performance. Je primitiver eine mechanische Uhr gemacht wurde, desto mehr entfernt sie sich vom Sinn ihrer Existenz.

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Natürlich aus der Sicht eines Trägers einer Ulysse Nardin Freak oder einer Patek Philippe Calatrava mag dies wohl zutreffen. Keine Frage. Die Geschichte hat uns aber gelernt, dass gerade in der Quarzkrise in den 70er und 80er es die für die damaligen Verhältnisse simplen und einfachen Werke waren, welche sich hinüberretten konnten. Ueberlebt haben in dieser Zeit eigentlich nur das Valjoux 7750 und das ETA 2824. Der grosse Rest der Haute Horlogerie versank mehr oder weniger in der Versenkung. Mal ausgenommen das El Primero von Movado/Zenith. Aber vorwiegend nur deshalb, weil es Rolex als Volumenkunde in der Daytona als abgeändertes Kaliber 4030 verwendete.
Also erstens überlebte das EP nur durch zivilen Ungehorsam Ende der Siebziger, als ein weiser Zenith-Mitarbeiter die Maschinen nicht auf Weisung der amerikanischen Eigentümer zerstörte, sondern einmottete. Rolex hat das Zenith-Werk erst ab Ende der 80er eingesetzt, als es Zenith schon jahrelang selbst wieder in eigenen Uhren verwendet hat.

Zweitens versank der große Rest der Haute Horlogerie nicht in der Versenkung, was die Werke angeht. Patek Philippes Mikrorotorwerk Cal. 240, die Basis ihrer Komplikationsuhren kam mitten in der Krise 1977 auf den Markt und wird bis heute verwendet. Auch das berühmte 27-460 aus den 60ern wurde weitergebaut und erst 1985 durch das 240 endgültig abgelöst. Ebenso hat auch das Doppelfederhauswerk 990 von Longines bei Lemania und später Breguet überlebt. Weiter das Werk der Speedy, das komplizierte ultraflache AP-Jumbo-Werk, das auch PP in der ersten Nautilus verwendete, und Lemania 1340 aus den automatischen Omega-Chronos der 70er Jahre (heute in Überarbeitung bei Breguet und Ebel). Dann natürlich Rolex komplett. Die Liste ist für den Beinahetod der Industrie erstaunlich lang und längst nicht auf ETA-Produkte beschränkt.

Dann sind 2824, 2892 und 7750 ja auch längst keine primitiven Werke, schon gar nicht auf dem einfachen Niveau dieses C01.211. Deswegen zieht Dein Argument des Highenduhrenträgers auch nicht. Warum braucht die Welt noch primitiver gemachte Werke als das Niveau, das die Quarzkrise überlebt hat? Und wer soll sie kaufen? Uhrenliebhaber? Warum sollten sie? Sie haben doch schon die genannten ETA-Werke als untere Schranke. Uhrenlaien? Die haben Quarzuhren, die weniger Probleme machen.
Sperrklinke hat geschrieben:Ernst Thomke als Chef der ETA (und nicht etwa Hayek, der kam dazu als die Swatch schon auf dem Markt war), konnte damals mit der Entwicklung der Swatch im letzten Moment das Ruder noch herumreissen. Er war der Ueberzeugung, dass man das Hochpreissegment nur retten kann, wenn man auch in der Einsteigerklasse das Leading hat. Und wie die Geschichte zeigt, hat er Recht behalten.
Die Zeiten sind doch heute ganz andere. Das Kundensegment der Uhrenkäufer ist anders, die Vermarktung der Uhr ist anders und die Ansprüche der Uhrenkäufer sind andere. Unterhalb der bisherigen Einsteigerklasse gibt es nichts mehr, was das Einsteigen lohnen würde. Man muss sich ja nicht zwangsläufig mit Uhren beschäftigen und es wird nicht besser, wenn man sich ein ordentliches 7750 nicht leisten kann und stattdessen das C01.211 kauft. Dass die ETA das Marktsegment besetzen möchte, um es nicht anderen zu überlassen, ist ja verständlich. Man will halt auf Nummer Sicher gehen. Aber es wird nicht der Eckpfeiler ihres Umsatzes werden, sondern nur eine Abrundung nach unten gegen die chinesische Konkurrenz.

Zum Überleben braucht die Uhrenbranche dieses Werk nicht, weil ihr umsatzbezogener Nukleus weit oberhalb dessen angesiedelt ist. Wenn sie untergeht, wird ein solches Werk sicherlich nicht die Faszination wecken, um eine weitere Renaissance herbei zu führen. So etwas hat es ja in den 70ern schon gegeben, siehe Autolub. Der Erfolg war unterhalb der Messbarkeitsgrenze. :wink:

Holger
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jeannie
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von jeannie »

Ich habe das C01.211 noch nie in freier Wildbahn gesehen. Aber wenn dieses Uhrwerk die gleichen Funktionen wie ein 7750 bei markant weniger Teilen aufweist so ist das für mich technisch hochwertiger.

Mechanik ist nicht hochwertiger je mehr Teile sie hat sondern je weniger Teile sie für die gleiche Funktionalität benötigt.

Die Reduktion auf das absolute Minimum an mechanischen Teilen hat der Swatch-Uhr auch nicht geschadet. Im Gegenteil: was nicht da ist kann auch nicht kaputtgehen. Wenn moderne Flugzeuge aus Kunststoff und Leim bestehen so gibt es keinen Grund wieso solche Teile nicht auch in Uhren verwendet werden sollen.

Würde die absolute Ueberlegenheit von Metallteilen so wahr wäre so wäre eine chinesische Zwiebel, die für 89 Cents aus der Stanze fällt jeder Plastikswatch überlegen. Was halt nicht stimmt.

Auch wenn ein Valjoux schön anzuschauen ist: es ist ein Schrauben-Federn-Zahnrad-Friedhof wo man mangels Geld nichts daran weiterentwickelte. Jeder Funktion war ein Zahnrad und eine Feder und drei Schrauben mehr im Werk. Aber keine Neukonstruktion. Dahingehend ist das C01.211 als wirkliche Neukonstruktion ein längst fälliger Schritt.
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Roland Ranfft »

Moin jeannie,
jeannie hat geschrieben:Dahingehend ist das C01.211 als wirkliche Neukonstruktion ein längst fälliger Schritt.
Na ja, ich würde eine abgespecktes Lemania 5100 nicht unbedingt als Neukonstruktion bezeichnen.

Offensichtlich wurden für viele Plastikteile die Werkzeuge des Lemania verwendet - eine kluge Entscheidung, denn Werzeuge sind nicht nur teuer, sondern sauteuer. Dumm war die Entscheidung, den zentralen Minutenzähler heraus zu konstruieren. Einen 1:1 Neuaufguß des Lemania, meinethalben mit Plastikhemmung, hätte Uhrenliebhaber zu Begeisterungsstürmen hingerissen.

Gruß, Roland Ranfft
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http://www.ranfft.de/cgi-bin/bidfun-db. ... fft&&2uswk
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mhanke
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von mhanke »

Nicht nur die zentrale Minute fehlt, sondern auch der Wochentag, die 24 Stunden-Anzeige und der 12 Stunden-Zähler (ist nur ein 6 Stunden-Zähler). Da bietet das alte 5100 also schon sehr viel mehr.

Marcus
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von CF »

ich verstehe die Strategie auch nicht. Da gerade das entscheidende zum 5100er fehlt, diese wunderbare SToppminuterie aus der Mitte, frage ich mich nach dem Sinn dieses Kalibers. warum hat man denn so eine Sinnvolle Stoppvorrichtung herausoperiert?
Klar ist auch, dass das Valjoux ebenfalls sehr wirtschaftlich ökonomisch konstruiert ist, da in dieser Zeit die Quarzkrise wohl keine andere wahl ließ. Im Grunde ein Billig werk, das jedoch gut funktioniert und da es eben günstig in der Herstellung ist und man mittlerweile trotzdem Horrorpreise dafür verlangen kann, ist es eben ein Absolutes Top Klaiber aus Herstellersicht, denn nicht ist besser als günstiges teuer zu verkaufen. genial. Die Preise für diese Konstruktions könnten also viel günstiger sein, doch wäre ETa ja verrückt, da sie es ja auch teuer verkaufen können.
Rein funktional ist das Valjoux wohl unschlagbar und ist in der Top Variante das beste Chronowerk der Welt!!!
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Heinrich
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Heinrich »

Also ich sehe das anders. China hat im letzten Jahr 559.4 Millionen Armbanduhren mit einem Durchschnittspreis von 2 USD exportiert, Hong Kong 344.3 Millionen mit einem Durchschnittspreis von 11 USD und sie Schweiz 21.7 Millionen mit einem Durchschnittspreis von 528 Dollar. Die Zahlen zeigen, dass preiswerte Armbanduhren ein wesentlich größeres Marktpotential aufweisen als hochpreisige Sammleruhren. Aus meiner Sicht hat das Eta Management mit der Entscheidung für die Entwicklung und die Produktion des neuen Chronokalibers in der vorliegenden Form sehr weise und weitblickend gehandelt. Ein Chronograph stellt heute die mit Abstand beliebteste Komplikation bei Armbanduhren dar und ein nicht zu unterschätzender Anteil der Konsumenten ist inzwischen dahingehend informiert, dass zu einer ‚wertvollen’ Uhr ein mechanisches Uhrwerk gehört. Das neue Chronokaliber versetzt den Einzelhandel in die Lage, den weniger zahlungswilligen und/oder zahlungskräftigen Konsumenten (die weltweit bei weitem in der Überzahl sind) reinrassige Chronos mit mechanischem Uhrwerk mit sehr guten und vor allem ungeschönten Verkaufsargumenten anzubieten:

- Chronograph
- mechanisches Uhrwerk
- ‚Swiss Made’
- zuverlässige Eta-Qualität
- praktisch wartungsfrei
- konkurrenzlos preiswert

Bei uns im Kreisstädtchen liegen jetzt nach über 10 Jahren erstmals wieder Chronos mit mechanischem Uhrwerk in den Auslagen. Dazwischen gab es jahrelang nur Quarzuhren a la Fossil, Citizen, CalvinKlein und natürlich Casio. Und das hatte seinen Grund. Alles über 500 Euro lag wie Blei in den Schaufenstern bis es veraltet war und zum Einkaufspreis verschleudert werden musste. Die hochpreisigen Produkte verkaufen sich bei uns auf dem Land nicht. Wenn jemand viel Geld für eine Armbanduhr ausgeben möchte, dann kauft er sie nicht bei einem der kleinen Einzelhändler am Ort sondern er sucht das Kauferlebnis und besucht dazu die Nobeljuweliere in Aachen oder Düsseldorf. Das neue Chronokaliber ermöglicht es dem Einzelhandel vor Ort mit einem hervorragenden Produkt die Käuferschichten gezielt anzusprechen, die bislang mit festem Blick auf das Preisschildchen nur Quarzuhren in Betracht gezogen haben. Ein sentimentaler Aufguss des skurilen Lemania Chronokalibers hätte vielleicht bei dem ein oder anderen nostalgisch angehauchten Uhrenliebhaber ein Kaufinterresse an damit ausgerüsteter neuer ‚Eta-Einschaler-Ware’ hervorgerufen, die bei den ‚wahren’ Uhrenliebhabern inzwischen so verpönt ist, wäre aber ansonsten völlig ungeeignet gewesen, um breite Käuferschichten damit anzusprechen. Das war den Verantwortlichen bei der Eta wohl auch klar und konnte daher nicht das Ziel sein.

Heinrich
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Sperrklinke »

Sicher hat Holger recht wenn er erwähnt, dass einige Werke im absoluten High End Bereich (von Patek Philippe u.a.) überlebten. Keine Regel ohne Ausnahme. Aber das Gross der sagen wir mal erschwinglichen Werke hat nicht überlebt. Von IWC fast nichts mehr. Cortebért nicht. Roamer nicht. Venus nicht. Enicar nicht (ausser den Nachbauten von Chronoswiss). Selbst die genialen Certina 25-651er nicht. Valjoux nicht (ausser dem 7750). Zodiac nicht. Die Liste liesse sich um ein x-faches verlängern. Diese Werke waren es, welche schmerzlich vermisst wurden. Hervorragende Konstruktionen aus der Mittelklasse. Die bildeten auch das Volumen unserer Uhrenindustrie in der Schweiz. Man denke sich nur, welche horrenden Stückzahlen Roamer mit den legendären MST-Kalibern auf den Markt knallte! Der Absatz des El Primero durch Rolex sicherte diesem Kaliber entschieden und definitiv das Ueberleben. Zenith und Movados Umsätze alleine reichten da bei weitem nicht aus. Zumal auch Ende der 80er die Krise nicht ausgestanden war. Ganz im Gegenteil: Gerade in den 80er erfasste nochmals eine gewaltige Schockwelle unsere Uhrenindustrie in der Schweiz. Da fiel noch um mitte 80er die Kultmarke Enicar. Selbst Ende der 80er krachten noch Marken wie Zodiac zusammen. Eben gerade weil diese die Zeichen der Zeit nicht erkannten oder erkennen wollten.

Für mich kommt aber noch ein anderer Aspekt dazu. Wir üben uns (zu Recht) immer fleissig in der Empörungsbewirtschaftung über Plagiate und Fakes. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass wenn jemandem bei der Einreise ein Fake abgenommen wird, dieser dann gleich um die Ecke läuft und beim nächsten Juwelier das Original für Fr. 6'000.-- kauft. Mit Entwicklungen wie dem C01.211 kann dem völlig normalen und alltäglichen Interessenten einer mechanischen Uhr etwas seriöses und nachhaltiges angeboten werden. Ein einfaches Werk von einem Hersteller mit Weltruf zum sehr erschwinglichen Preis und mit einer Herstellergarantie sowie auch einer hervorragenden Ersatzteilversorgung. Wenn etwas auf der einen Seite verpönt wird, sollte man dann auch die Alternative aufzeigen. Und ob das originale Lemania 5100 einen zentralen Minutenzähler hatte interessiert nur ein ganz ganz wenige Uhrenfreaks und Kenner. Den 98% der Zielgruppe wissen nicht einmal was ein Lemania 5100 ist und denen ist ein zentraler Minutenzähler auch vollkommen Wurscht.

Gruss Frank
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jeannie
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von jeannie »

Franks Ausführungen kann ich nur zustimmen. Von der Swatch gibts ja schon seit zwanzig Jahren eine Automatic. Und sie wurde nicht schlecht gekauft. Also eine gewissen Affinität für mechanische Uhren ist in der Bevölkerung scheints vorhanden. Aber nicht alle haben Lust, über 500E dafür auszugeben. Zum Glück verkaufen einem die Chinesen sowas günstig. Wenn man will sieht sie sogar aus wie eine Rolex. :mrgreen:
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Don Tomaso
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Re: Eure Erfahrungen mit dem ETA C01.211

Beitrag von Don Tomaso »

playman205 hat geschrieben:
Heinrich hat geschrieben:Der Bericht in der AU zeigt allerdings auch in schonungsloser Offenheit, dass dieses Kaliber von A bis Z nur auf die reine Funktion und vollautomatische Low Cost Fertigung hin entwickelt wurde. Von Schönheit keine Spur. Einen Ingenieur faszinieren die kostensparenden Ideen der Konstrukteure vielleicht noch, aber der uhreninteressierte Laie wird beim Anblick der gestanzten Platinen und der spritzgegossenen Kunststoffteile erschaudern.
Genau deswegen finde ich das Werk auch überflüssig. Wenn ich eine kostenoptimierte, moderne Uhr ohne altmodischen Uhrmacherschnickschnack will, bin ich mit einer Quarzuhr immer besser bedient. Bei einer mechanischen Uhr ist aber genau dieser Schnickschnack, die Hochwertigkeit im Detail, Teil der Faszination und ihrer technischen Performance. Je primitiver eine mechanische Uhr gemacht wurde, desto mehr entfernt sie sich vom Sinn ihrer Existenz.

Holger
Holger, hier schaust Du einfach nicht über den Tellerrand Deiner eigenen Wahrnehmung hinaus, sondern ergehst Dich in einer gewissen nachromantischen Überhöhung Deiner Leidenschaft. Es gibt ganz einfach sehr viele Menschen, die eine Uhr haben möchten, "wo der Zeiger nicht hüpft und die wo stoppen tut", und das für überschaubares Geld. Die "Hochwertigkeit im Detail" spielt keine Rolle, und dafür sind sie auch nicht bereit, zu bezahlen. Wenn Du denen mit Eleganz und Finissage kommst, glauben sie nur, Du willst sie bescheissen. 300 Euro sind viel Geld für eine Uhr, aber wo's doch mechanisch ist, ok.
Warum soll die Swatchgroup diese wahrlich nicht unbedeutende Kundengruppe nicht bedienen?
Gruss

Thomas

Regional Engineer for Destructive Operations
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