Teer-artige Dichtmasse?

Allgemeine Diskussionen rund um Vintage-Uhren (Oldtimer)
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o.v.e
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Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von o.v.e »

Hi zusammen,
bei 2 meiner Tissot haben wir bei der Revision festgestellt, dass die Gehäuse statt mit Gummi-Dichtungen mit einer teerartigen, zähflüssig-klebrigen Masse abgedichtet waren - einmal eine "Taucher PR516, mutmasslich aus den 70'ern, einmal eine "Day-Date Rolex Hommage", um es mal euphemistisch auszudrücken.
Wir haben für die Taucher-Uhr entschieden, das ganze zu entfernen und gegen einen regulären Dichtring zu tauschen (das Gehäuse ist hierfür offenbar auch vorgesehen).
Kennt Ihr das Zeug? Vor- / Nachteile? Mein Uhrmacher wüsste nicht, wie er sowas vernünftig, d.h. sauber auftragen würde. Ist wirklich klebrig, der Kram.
Gruß,
Olof
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Paulchen
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von Paulchen »

Das waren Gummidichtungen. Nur vergammelt :whistling:
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Thomas_G.
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von Thomas_G. »

Stimmt, das war mal eine Dichtung. Ich hatte solche Uhren auch schon öfter, jeweils am Boden wie auch an der Krone habe sich die Gummidichtungen in eine Art Gummibrei verändert. Flüssigdichtungen finden im Uhrenbau - anders als bei PKWs - keine Anwendung. Mich erinnert die Masse immer an Lakritze - daher nenne ich das immer "Lakritzdichtung".
Ich habe einen Tick ;-)
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mike184
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von mike184 »

Hi!

Gummi wird immer noch aus Naturkautschuk hergestellt und altert - mit gewissen Nebenwirkungen. In Fall der Uhrdichtungen hängt das sehr stark davon ab, was die Uhr im Laufe der Zeit "erlebt" hat und von der Qualität der Gehäuseteile. Wenn diese sehr präzise gefertigt wurden und im Prinzip auch ohne Dichtung schon dicht sind und/oder die Uhr nie mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten in Berührung kam, trocknet die Dichtung im Laufe der Zeit aus, wird rissig und brüchig und durchlässig. Ganz alte zerbröseln dann. Wenn die Dichtung mit Flüssigkeiten in Kontakt kommt, kann es zu chemischen Reaktionen kommen, der Gummi wird aufgelöst und es entsteht ein teer- oder lakrtitzartiger Brei so wie in deinem Fall.
Gruß Mike
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falko
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von falko »

Ja, das hatte ich kürzlich auch bei einer alten Junghans. Die Dichtung bestand nur noch aus einer teerigen, breiigen Masse. Ich musste sogar WD 40 nehmen, damit ich den verklebten Boden überhaupt öffnen konnte. Die Entfernung der Masse war eine ziemliche Sauerei. Habs mit dem Schraubenzieher herausgekratzt, den Rest hat dann der Ultraschall erledigt.
Ich habe die Veränderung der Dichtung damals auf den Einsatz von WD 40 zurückgeführt, jetzt glaube ich aber an einen langfristigen chemischen Prozess, denn die kurze Einwirkzeit hätte eine einigermassen intakte Dichtung nicht durch und durch zersetzen können.
Viele Grüsse

Gerd


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o.v.e
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von o.v.e »

:shock:

Vielen Dank, damit hätte ich nun doch nicht gerechnet. Keine Ahnung, was für Gummi-Sorten da zum Einsatz kommen. Brüchig kann ich mir vorstellen, aber ohne Beigabe von Lösungsmitteln oder Säure sollte es eigentlich nicht weich werden, wobei ich insbesondere säurefeste Gummisorten erwartet hätte.
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Barfly
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von Barfly »

Zu fest zugeschraubter Boden läßt Dichtungen weich werden.




Das Zeug ist dann wirklich abartig, die Bezeichung "Teer" paßt dann schon ganz gut ...

:D
emka
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von emka »

Barfly, ich habe diese Lakritze Masse auch schon in wasserdichten Gehäusen mit Druckboden (R.Pfisterer) gesehen.
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Thomas H. Ernst
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von Thomas H. Ernst »

Dto bei alten Certinas, da holt man sich jedesmal schwarze Finger.
Grüsse Thomas
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hermann
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von hermann »

Thomas H. Ernst hat geschrieben:Dto bei alten Certinas, da holt man sich jedesmal schwarze Finger.
Stimmt genau.
Hängt vielleicht mit der Gummi-Stoßsicherung bei den DS zusammen!?
o.v.e hat geschrieben:Mein Uhrmacher wüsste nicht, wie er sowas vernünftig, d.h. sauber auftragen würde
Der (vermutlich) junge Kollege muss noch einiges lernen! :mrgreen:

Gruß hermann
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o.v.e
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von o.v.e »

Der (vermutlich) junge Kollege muss noch einiges lernen! :mrgreen:
Ich werde es ausrichten... :mrgreen:
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Roland Ranfft
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von Roland Ranfft »

Hallo o.v.e
o.v.e hat geschrieben:aber ohne Beigabe von Lösungsmitteln oder Säure sollte es eigentlich nicht weich werden
Lösungsmittel sind das Stichwort. Die Duftöle in Duschemulsionen und sonstigen Artikeln der Körperpflege taugen bestens als Weichmacher. Mir ist einfach aufgefallen, daß Lederbänder an Uhren mit matschiger Dichtung die Atmosphäre eines achtstöckigen Freudenhauses verströmen. Es scheint da wirklich einen Zusammenhang zu geben.

Gruß, Roland Ranfft
Das größte Uhrwerk-Archiv im Internet:
http://www.ranfft.de/cgi-bin/bidfun-db. ... fft&&2uswk
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Quadrilette172
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von Quadrilette172 »

Roland Ranfft hat geschrieben:Hallo o.v.e
o.v.e hat geschrieben:aber ohne Beigabe von Lösungsmitteln oder Säure sollte es eigentlich nicht weich werden
Lösungsmittel sind das Stichwort. Die Duftöle in Duschemulsionen und sonstigen Artikeln der Körperpflege taugen bestens als Weichmacher. Mir ist einfach aufgefallen, daß Lederbänder an Uhren mit matschiger Dichtung die Atmosphäre eines achtstöckigen Freudenhauses verströmen. Es scheint da wirklich einen Zusammenhang zu geben.

Gruß, Roland Ranfft
:shock: Wieso kennst Du die Atmosphäre in einem achtstöckigen Freudenhaus :whistling: :?:
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benaja8
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von benaja8 »

Ich weiß,
dass eine meiner Enicars,
unberührt ist wie am ersten Tag,
also nix mit Freudenhaus und so ....
aber die Dichtung hatte sich komplett in schwarzen zähen öligen Gummiteer verwandelt.
Ich war nach der Produktion sicher der erste, der die Uhr geöffnet hat
und eine Schweinearbeit hatte dieses Zeug wegzubekommen
und dann eine frische Dichtung zu setzen.
so wars.
unglaublich aber wahr! :angry:
Gruß
Fred
uhrgeni
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Re: Teer-artige Dichtmasse?

Beitrag von uhrgeni »

Hi,

In den Siebzigern war es durchaus gang und gebe, dass anstelle von Kautschuk (Gummi), synthetisch hergestellte Dichtungen verwendet wurden. Das heisst, Dichtungen, welche eine organische, petrochemische Grundlage, Kohlenstoffbasis aufweisen, die Vorstufe der heutigen Silikondichtungen. Der Vergleich mit dem Teer ist nicht abwegig. Wurde eine Uhr mit einer solchen Dichtung ausgestattet, ist meistens das Werk (Kaliber) in tadellosem Zustand. Durch zupressen der Uhr und termische Einflüsse verschmolz die Dichtung und machte sie dicht. Ist eine Vintage in diesem Zustand, wurde selten, oder nie, an der Uhr gebastelt. Dies nenn ich einen Glückstreffer.
Einfach zu entfernen mit einem höher raffiniertem Produkt - Benzin.

:wink:
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