Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

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watchhans18
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Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von watchhans18 »

Leider kennt diese sehr alte Marke so gut wie niemand.
Sie wurde immerhin schon 1790 im Schweizer Ort Cortébert gegründet. Der Name der Ortschaft wurde aber erst 1855 als Markenname eingetragen.
Unter anderen wurde auch Rolex mit Kalibern von Cortébert beliefert und führte die von Pallweber erfundene springende Stunde noch vor der IWC ein.

Leider wurde auch diese feine Marke von der Quarzwelle Anfang der 70iger Jahre weggespült.
Die Namensrechte sind bedauerlicherweise vor kurzem erloschen.
Wenn man sich das Satellitenbild dieses Städtchens anschaut, erkennt man unweit nördlich des Bahnhofs ein langgestrecktes Gebäude.
Dieses gehörte zu den Fabrikationsgebäuden und dient heute als Wohnhaus.

Auch dieses beidseitig aufziehende Automatikkaliber entstand in den Ateliers von Cortébert. Leider habe ich zum Herstellungszeitraum keine Hinweise gefunden. Diese Uhr stammt aber sehr wahrscheinlich aus den 1950er Jahren.
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Ich fand diese Uhr 2003 bei einer Auktion. Niemand wollte sie haben, vor allem weil sie ein Goldgehäuse hat. Ich kann mich noch gut an diese Zeit erinnern, von den späten 90igern bis Anfang der 2000er wollte kaum jemand eine goldene Uhr kaufen. Sie wurden teilweise unter dem Materialwert verschleudert.
Wogegen manch Edelstahlversion im Vergleich teurer war.

Damals ließ ich sie von einem Uhrmachermeister revidieren und trug sie sehr gern als Dresswatch zu feineren Gelegenheiten.
Ist doch das Werk in einem guten Zustand und die Gangleistung passabel.

Wie das so bei Uhrenbekloppten ist, erstand ich noch viele andere Uhren und diese verschwand fein säuberlich gut verpackt in einer Stahlkassette.
Ab und zu habe ich sie mal aufgezogen, legte sie aber nicht mehr an mein Handgelenk.

Nachdem ich gehört habe, daß ein Unternehmen aus Hong Kong den Namen Cortebert für seine Uhren benutzt und sich fälschlicherweise der alten Unternehmensgeschichte bedient und sich damit rühmt, und dies in einem englischsprachigen Forum sehr kontrovers diskutiert wird, dachte ich mir das ich mit einem sehr schönen Original an die echte Unternehmensgeschichte erinnern sollte.

Da die letzte Revision aber schon 18 Jahre her war, musste ich sie natürlich erstmal wieder gründlich überholen.
So ein altes Werk, präzise gefertigt, vor allem mit Schrauben, die ihren Namen verdienen, mit ordentlich polierten Köpfen und seitlich betrachtet absolut rechteckig, begeistert mich an meinem Uhrmachertisch immer wieder auf's neue.

Laut einer Gravur war diese Uhr 1989 zur Revision bei Wempe, aus dieser Zeit stammt wohl auch die Zugfeder. Sie war zwar völlig mit altem Fett verdreckt, aber sonst noch absolut in Ordnung.
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Unter dem Zifferblatt erblickt man Decksteine für den unteren Ankerradzapfen und auch für den unteren Ankerzapfen.
Das mit dem Ankerrad kann ich noch verstehen, dient doch hier dieser einer besseren Ölhaltung.
Aber für den Ankerzapfen? Na ja, wenigstens kann so mikroskopisch feiner Staub hier nicht so leicht eindringen.

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Nach dem Abnehmen der Automatik, welche praktischerweise als kompletter Block konstruiert ist, sieht man eine nicht gewöhnlich geformte Räderwerksbrücke. Dies erleichtert das Einfädeln der oberen Radzapfen beim Zusammenbau in die Steinlager. Diese sind sehr schön arrondiert. Leider sieht man sie durch die aufgesetzte Automatikbrücke nicht.
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Die Automatik besteht aus zwei Wechselrädern, wahrscheinlich gefertigt aus Beryliumbronze, zwei weiteren Reduktionsrädern und einem Reduktionsrad, welches die Automatik beim Handaufzug auskoppelt und das Kronrad antreibt.
Es ist schon erstaunlich, wie eine winzige Stahlfeder im Laufe der Zeit die Nickelbeschichtung wegkratzen kann. Zu sehen ganz links.
Hier gab ich beim Zusammenbau etwas Fett hinein, um ein weiteres Wegschleifen zu vermindern.
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Das Zifferblatt wurde für Cortébert von keinem geringeren als Huguenin gefertigt.
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Im verschraubbaren Rückdeckel kann man einige Uhrmachermarkierungen erkennen. Die erste stammt eventuell sogar schon aus dem Jahr 1950.
Eine Bleidichtung im Gehäuse sorgt für einigermaßen Schutz vor eindringendem Staub.
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Es erstrahlt wieder in altem Glanze: das fertig revidierte Werk wieder eingeschalt im 750er Goldgehäuse.
Eine sehr feine Dresswatch, dazu immer noch mit guten Gangwerten, und sicher werde ich sie wieder zu manch besseren Gelegenheiten tragen.
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Quadrilette172
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von Quadrilette172 »

interessanter Bericht, danke für's einstellen :!: :thumbsup:

watchhans18 hat geschrieben: 06 Sep 2021, 19:00 Leider kennt diese sehr alte Marke so gut wie niemand.
.......................
Diese Aussage würde ich für dieses Form nicht gelten lassen, so hier z.B.:

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:whistling:
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Hertie
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von Hertie »

Danke fürs Mitnehmen. :thumbsup:
Eine sehr gefällige Uhr, innen wie aussen. Und wie Quadrilette geschrieben hat, in einem Uhrenforum sicherlich einer großen Mehrheit bekannt. Jemand der sich Sammler schimpft, kennt mehr als nur ein paar omnipräsente Ticker. :thumbsup:
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Quadrilette172
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von Quadrilette172 »

Immerhin muss man zugeben, dass man doch immer mal wieder überrascht wird, was es alles an Marken und Lösungen gegeben hat - und wenn man noch in die Taschenuhrenwelt eintaucht, dann kommt man eigentlich aus dem Staunen nicht mehr hinaus.
watchhans18
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von watchhans18 »

Quadrilette172 hat geschrieben: 06 Sep 2021, 20:37 interessanter Bericht, danke für's einstellen :!: :thumbsup:

watchhans18 hat geschrieben: 06 Sep 2021, 19:00 Leider kennt diese sehr alte Marke so gut wie niemand.
.......................
Diese Aussage würde ich für dieses Form nicht gelten lassen, so hier z.B.:

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:whistling:
Natürlich ist Cortébert unter uns bekannter als in der breiteren Öffentlichkeit.
watchhans18
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von watchhans18 »

Das haben die Hong Konger daraus gemacht, obwohl sie geschichtlich absolut nix damit zu tun haben.
Legal, aber nach meiner Meinung etwas dreist:
https://cortebert1790.com/pages/about-cortebert
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jeannie
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von jeannie »

watchhans18 hat geschrieben: 06 Sep 2021, 22:18 Das haben die Hong Konger daraus gemacht, obwohl sie geschichtlich absolut nix damit zu tun haben.
Legal, aber nach meiner Meinung etwas dreist:
https://cortebert1790.com/pages/about-cortebert
Sie schreiben nichts, was nicht wahr wäre und behaupten nie, dass sie was mit Cortébert zu tun hatten. Sie schreiben sogar "Today we revive the Cortebert brand" (Ja, sie schreiben es ohne Akzent).

Natürlich bedingt das aber ein begriffliches Verständnis des Gelesenen. Dann kann man daraus folgern: "Wir suhlen uns in der Geschichte einer alten Marke, mit der wir nix zu tun haben".

Nicht mal eine Geschäftsadresse. An wen wendet man sich wenn man Fragen hat? Nur in den AGBs ist ein gaaanz kleiner Hinweis:

"SECTION 18 - GOVERNING LAW

These Termsand Conditions and any separate agreements whereby we provide you Services shall be governed by and construed in accordance with the laws of Hong Kong."
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schlumpf
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von schlumpf »

Schöne Uhr und schön gemacht!! Sieht wieder klasse aus!
Schöne Uhrengrüße, Gerhard
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Thomas H. Ernst
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von Thomas H. Ernst »

Hübsche Uhr.

Schade dass der Boden so rundgelutscht ist. Ich habe ne Tissot Hammerautomatik die auch so von einem Uhrmacher vergewaltigt wurde. Bin noch unschlüssig wie ich das wieder korrigiere.
Grüsse Thomas
Euer Board-Admin
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von watchhans18 »

Thomas H. Ernst hat geschrieben: 07 Sep 2021, 11:35 Hübsche Uhr.

Schade dass der Boden so rundgelutscht ist. Ich habe ne Tissot Hammerautomatik die auch so von einem Uhrmacher vergewaltigt wurde. Bin noch unschlüssig wie ich das wieder korrigiere.
Das finde ich auch schade. Aber da haben in den letzten 70 Jahren schon einige dran herumgefuhrwerkt.
Es war schon ein Akt von fast einer halben Stunde, dass ich den (weichen Gold)boden überhaupt aufgeschraubt bekam. Da nützte selbst mein Profiöffner wenig. Das ging dann nach dem Motto, langsam kommt man auch ans Ziel.
Ich werde ihn auch nicht mehr so fest zuschrauben. Hauptsache staubgeschützt.
Tragen werde ich sie auch nur selten. Das ist eben keine Alltagsuhr.
watchhans18
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von watchhans18 »

jeannie hat geschrieben: 07 Sep 2021, 08:35
watchhans18 hat geschrieben: 06 Sep 2021, 22:18 Das haben die Hong Konger daraus gemacht, obwohl sie geschichtlich absolut nix damit zu tun haben.
Legal, aber nach meiner Meinung etwas dreist:
https://cortebert1790.com/pages/about-cortebert
Sie schreiben nichts, was nicht wahr wäre und behaupten nie, dass sie was mit Cortébert zu tun hatten. Sie schreiben sogar "Today we revive the Cortebert brand" (Ja, sie schreiben es ohne Akzent).

Natürlich bedingt das aber ein begriffliches Verständnis des Gelesenen. Dann kann man daraus folgern: "Wir suhlen uns in der Geschichte einer alten Marke, mit der wir nix zu tun haben".

Nicht mal eine Geschäftsadresse. An wen wendet man sich wenn man Fragen hat? Nur in den AGBs ist ein gaaanz kleiner Hinweis:

"SECTION 18 - GOVERNING LAW

These Termsand Conditions and any separate agreements whereby we provide you Services shall be governed by and construed in accordance with the laws of Hong Kong."
Du hast es auf den Punkt gebracht!
watchhans18
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Re: Kleine aber feine Marke: Cortébert Corterotor Kal. 700

Beitrag von watchhans18 »

Quadrilette172 hat geschrieben: 06 Sep 2021, 20:37
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Gehören die zu Deiner Sammlung?
Falls ja, Gratulation :thumbsup:
Wirklich auch sehr schöne Stücke.
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