Inhorgenta 2006

Allgemeine Diskussionen rund um zeitgenössische Uhren
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Albert H. Potter
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Inhorgenta 2006

Beitrag von Albert H. Potter »

Hallo,

ich war gestern auf der Inhorgenta und muß sagen, daß es bei den Uhren relativ enttäuschend war. In den letzten Jahren sind zahlreiche der Größeren Aussteller von der Messe abgewandert. Ich kann mich noch erinnern, daß es Zeiten gab, wo auf der Inhorgenta die Swatch-Group eine eigene Halle hatte und Marken wie Ebel und Chopard vertreten waren. Die sind alle nicht mehr zu finden. Auch Chronoswiss (Heimspiel) hatte mal einen richtigen Stand, in diesem Jahr war es ein eher liebloses Arrangement mit Blumenkübeln und Stühlchen. Obwohl wir die Marke führen, hat mich dieser Stand nicht zum Verweilen oder bloßem Stehenbleiben veranlaßt. Die Frima Flume/Uhrmacherbedarf ist seit einiger Zeit nicht mehr vertreten, obwohl es einer der größten Stände war.

Seit Dienstag klingelt bei mir das Telephon. Alles Hersteller, die mir erklären, daß sie in diesem Jahr nicht auf der Messe sind und man sie nicht vergessen soll. Die nächste Firma hat sich nur ins Herstellerverzeichnis eintragen lassen, aber nicht in den Online-Katalog der Messe. Andere geben einen Empfang in einem Münchner Hotel mit Taxi-Service von der Messe. "Bitte kommen Sie... Bitte vergessen Sie uns nicht ...Wir würden uns trotzdem freuen...."

Was sagen diese Eindrücke aus über die Branche oder das Messewesen ?
Ich mache mich auf eigene Kosten auf zur Messe. Wir sind um 5 Uhr früh losgefahren ! Es ist mein freier Sonntag. Andere nehmen noch weitere Wege in Kauf und müssen noch eine Übernachtung einplanen. Da soll man dann noch die Hotelshow mitmachen, die lediglich einen teuren Messestand einspart. Die Lieblosigkeit manches Auftritts gibt ein schönes Bild der Branche. Viele sind angezählt. Was sich hält sind die "Qualitäten der Anfangspreislage". Auch die Trägheit des Standpersonals ist bezeichnend, löbliche Ausnahme sind hier die russischen Anbieter. Hier wird man von den Mitarbeitern angesprochen, obwohl einige der Leute sprachliche Probleme haben. Anderswo kommt man nicht einmal ins Gespräch wenn deren Muttersprache Deutsch ist.
Positive Eindrücke bleiben von der Auslage der Kurt Schaffo Uhren. Mathtias Naeschke war mit seinen Uhren wieder vertreten, er zeigt auf der Inhorgenta wesentlich mehr, als in Basel. Kieninger war sehr nett, mit einer Tischuhr mit einem interessanten Viertelschlagwerk mit Mozart-Melodien zum Jubeljahr (250 Stück). Sattler präsentiert die Nautis mit passendem Zubehör zur Wetterstation ausgebaut. Bei der Tischuhr Metrica öffnet sich das Geheimfach für den Schlüssel jetzt automatisch bei Öffenen der Türe. Die Präzisionspendeluhr Metallica hat jetzt ein "Holzgehäuse, welches "mit Stahl bedampft und poliert wurde". Eine kleine Funkuhr gibt es noch von Sattler. Eine andere Neuheit gibt es erst zu Basel aber, da freue ich mich besonders drauf. Hermle hat jetzt einen Mini-Wandregulator im Sattler 1935-Stil, von Präzision möchte ich nicht reden, ich brauch sowas nicht, aber wer solche Qualitäten mag, sollte kaufen, solange ein solcher Hersteller nicht ausgezählt ist.
Witzig ist die Binär-Armbanduhr von http://www.timemode.com. Poljot International und vor allem Alexander Shorokhoff machten einen guten Eindruck. Preisleistung ist toll. Bei den Edelrussen gefielen mir die Gravuren der Vitrinenstücke wesentlich besser, als die bei den Uhren der Kollektion. Wild perlierte Hebel lassen dem Uhrmacher die Haare zu Berge stehen. Hier gibt es demnächst eine modische Taucheruhr mit Band und Blatt in Leuchtorange im Gehäusestil der alten russischen Militär-Taucheruhren. Wer Uhren vor allem groß und auffäillig mag, wird hiermit die Dolly Buster unter den Uhren kaufen können, Publikumspreis soll um 230,- Euro liegen. Vom anderen großen Russeneck erinnere ich mich nich mal mehr an die Marke, da waren diese ewig langen Beine mit dem kurzen Minirock. Geschäftsanbahnung auf russisch ?
Bei dem mageren Angebot habe ich mich auf die Werkzeuge und Maschinen konzentriert. Den großen Laser-Aparillo mit wundertätigen Möglichkeiten für 45000,- habe ich mir verkneifen müssen. Dafür habe ich bei einem ganzen System zugeschlagen, mit dem ich mir jetzt einen Lagerstein herstellen kann, den ich so nicht mehr bekomme. Die Wirklich bekloppten machen sich die Lagersteine selbst.... Dazu noch einige Ergänzungen und Neuheiten zum Polieren und einige Diamantwerkzeuge für die Bearbeitung harter Stähle.

Ich werde zumindest für Uhren nicht mehr auf die Inhorgenta fahren. Aber auch die Maschinen kann man auch anderweitig besichtigen.

Gruß,
Peter
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schredder66
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Beitrag von schredder66 »

Hallo Peter,

danke für den Inhorgenta-Bericht!

Die Situation, die Du schilderst, erinnert mich an die CeBit bzw. an die Branche, in der ich tätig bin:

Vor (ich glaube) zwei Jahren, hat mein Arbeitgeber seinen kompletten Messestand auf der Hannover-Messe verkauft - seitdem werden zu den (Fach)Messeterminen Roadshows bzw. Events veranstaltet. Dann gibt es auch diverse "Leckerlis" a la Taxiservice, z.B. vom Messegelände zur Roadshow / zum Event.

Der Weggang meines Arbeitgebers von der CeBit wurde mit 1.) "zu teuer", und 2.) mit "immer weniger Fachpublikum" begründet - keine Ahnung, ob diese Begründungen auch in der Uhrenbranche zum Einsatz kommen?!
HARRY (Member No. 25)

Gute Uhren gehen ungenau (Jean-Claude Biver)
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mhanke
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Beitrag von mhanke »

Das mit "zuwenig Fachpublikum" dürfte bei der Inhorgenta eigentlich nicht gelten, denn das ist eine Fachmesse ohne Zutritt für die Öffentlichkeit (sagen wir mal). Aber ich habe das langsame Sterben der Inhorgenta schon einige Jahre betrachtet. Als ich vor einigen Jahren dort war, hatte Swatch eine große Präsenz. Danach war nur noch Union da, weil sie in Deutschland und Österreich anbieten. Dann war Union nur noch im Hotel, und dann - weil die produktion sowieso auf ein Minimum reduzeirt wurde - gar nicht mehr. In Basel hat Union jetzt noch eine Vitrine im GO/Blancpain-Stand.

Auf der Inhorgenta waren dann zunehmend nur noch Modeuhren und die Russen da, beides interessiert mich nicht allzu sehr. Also habe ich mir die Fahrt - trotz relativer Nähe von 150 Kilometer - gespart.

Aber herzlichen Dank für den informativen Bericht!

Marcus
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Charles
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Beitrag von Charles »

Die Gratis-Taxis gibt's auch seit einiger Zeit in Genf. Ich kann mich erinnern, als ich das erste Mal die Muller-Show-Taxis sah. Der Chauffeur der Limousine sagte, dass das ganze Fest inklusive Luxus-Pendelservice wesentlich billiger sei als ein Stand in Basel, und die Leute erst noch viel besser bedient würden. (Damals gab's noch keine aus Russland importierte Damen ,soviel ich weiss.) Tatsächlich schlendert man natürlich nicht einfach an den Uhren vorbei, wenn man speziell hinfährt. Und mancher Händler geniert sich dann, nebenbei eine oder zwei Uhren zu kaufen, oder gar keine (der berühmte Blick auf die Uhr, "oh, ich sollte schon lange bei ... sein, ich melde mich dann" geht da natürlich nicht, denn man ist ja extra hingefahren.

Das Hinfahren ist also psychologisch wesentlich bedeutender als das kurze Rendez-Vous, was man in Basel oder Genf vereinbart.

Bei Richemont ist übrigens das Kostenmanagement ziemlich eingefahren. Hotelkostenübernahmen und Kauftreffen an verschiedenen Tagen werden bei kleinern und mittleren Händlern beinahe ausgeschlossen. Was an sich, besonders bei europäischen Kunden, sinnvoll ist.
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Prem Amido
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Beitrag von Prem Amido »

Hallo Peter,
Danke für den Bericht. :lol:

Früher habe ich mir immer gewünscht, dass mich mal Jemand
zur Inhorgenta "einlädt". Selbst diesen Wunsch kann ich mir
jetzt also sparen.. :lol: :cry:
Liebe Grüße + eine gute Zeit
Prem Amido
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andreaseck
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Re: Inhorgenta 2006

Beitrag von andreaseck »

Albert H. Potter hat geschrieben: ich war gestern auf der Inhorgenta und muß sagen, daß es bei den Uhren relativ enttäuschend war.
Mein Konzi war gestern auch dort.
Er hat mich noch gefragt ob ich nicht mitfahren wolle.
Als ich mir das Ausstellerverzeichnis angesehen hatte, habe ich
dankend abgelehnt.

Gruß
Andreas
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frederic
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Beitrag von frederic »

Peter, interessanter Bericht - Danke für den ausführlichen Text.

in einer Zeit, in der das Geld knapp wird entdecken viele, dass Messebeteiligungen hinausgeschmissenes Geld sind. Die Entscheidung wurde aber von Jahr zu Jahr vertagt - "wir können ja nicht plötzlich wegbleiben, was denkt denn die Konkurrenz/Presse/Kunden", "wir müssen wegen unserer Stammkundschaft einen Anlaufpunkt bieten","nächstes Jahr wird es sicher besser" usw.


gruss
frederic
inversator
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Beitrag von inversator »

Nicht mehr die Inhorgenta zu besuchen hatte ich mir schon vor 2 Jahren vorgenommen. Im letzten Jahr habe ich dann doch noch einen kleinen Ausflug nach München gemacht. Sind ja nur etwa 70Km. Als ich dann nach 2 Stunden mit der kompletten Messe fertig war, war ich mit dieser Messe fertig. Die gesparten Kosten für Eintritt, Messekatalog, Parkgebühren und Sprit verfutter ich dann am nächsten Wochenende. Da habe ich mehr von.
Gruß
Holger
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