Zenith

[Charles]

Zenith will 18-jährige Millionäre ansprechen. Oder Leute, die es sein wollen. Wenigstens am Handgelenk jung und reich. Andere bauen Ersatzbefriedigungen für Leute, die sich keinen Bentley leisten können. Beispiele gibt's viele. Man verkauft ein "feeling".

[köbeli]

Aber wie ging es Zenith vor der Nataf-Zeit?
Wie stand es um diese Unternehmung? Verkauften die viele Uhren?

[Charles]

Die verkauften wohl viele Uhren, aber haben wenig pro Uhr verdient. Castella hat sicher nicht draufgelegt bzw. soviel drauflegen können wie LVMH. Moët Hennessy Louis Vuitton haben wohl in den letzten Jahren einen Gewinn mit Zenith schreiben können, aber Investitionsbedarf besteht noch immer oder dauernd. Immerhin sind die Zenith-Rechte für Uhren in Amerika zurück. Wichtig, auch wenn's zur Zeit konjunkturell weniger bedeutend ist.

Die "alten" klassischen Uhren als die neuen Elite-Werke kamen, hätten teurer verkauft werden sollen, und Zenith hätte so die Erneuerung geschafft.

Der Rolex-Daytona-Auftrag war wesentlich. Heute ist er aber "ersetzt". Letzte Marke, die bedient werden kann, aber nicht muss, ist Hublot. So hat man sich eine gewisse Unabhängigkeit von Swatch Group erarbeitet. Die Einkaufs-Marktmacht besteht darin, dass man zwar noch fremde Werke einkaufen kann, aber nicht muss. Zenith allein wäre wegen seiner Kleinheit ein Risiko geworden ab 2011.

Ich glaube auch, dass vermehrt wieder Uhren im klassischen Stil kommen werden (bzw. schon gekommen sind), aber deren Teuerung seit Castellas Zeiten ist weit über der allgemeinen Teuerung. Dafür wurde in der Zwischenzeit einiges verbessert.

Wer sich eine wirklich "teure" Zenith kaufen will, ohne technische Gehäusekonstruktionen, hat bei Louis Vuitton dazu gute Gelegenheit. Dijor hat auch Steinchenuhren mit Zenithwerken inzwischen. Allerdings in beiden Fällen limitierte Auflagen. Louis Vuitton mit Zenith sind immer ziemlich rasch ausverkauft. Die Marke zieht eben.

Man muss also insgesamt sagen, dass es Zenith in der Manfredini-Zeit etwa ähnlich erging wie heute. Aber Nataf hat es verstanden, die Marke wieder wie noch früher bekannt zu machen. Der Markenwert wurde dank Nataf erhöht, und das ist eigentlich auch ein "Kapital"zuwachs.

Jetzt geht es selbstverständlich darum, mit den technischen Neuerungen (die gibt's nun doch in Werken und Gehäusen sehr zahlreich, was für zahlungskräftige Sammler interessant ist) und den neuen Marken in LVMH die Verkäufe zu erhöhen, also zum richtigen neuen Publikum vorzudringen. Geiz ist geil hat nichts mehr zu suchen bei Zenith. Diese Aussichten fehlten bei der alten Zenith vollständig.

Marke und Markt waren also schlechter bei der alten Marke. Wenn's zur Rezession kommt allerdings, lebt die neue Zenith riskanter als die alte.

[ducaticorse21]

Man verkauft ein "feeling".

Und kaufen wir das nicht alle...?

[köbeli]

Man verkauft ein "feeling".

Und kaufen wir das nicht alle...?

doch, aber nicht nur

[Ale]

Dumme Frage - hier liest man oft, Nataf hätte die Produktion "verbessert", inwiefern ist das bei einer Uhr grundsätzlich möglich? Klar, man kann die Toleranzen vom Mikrometer- in den Submikrometerbereich verschieben, aber bringt das für den Kunden auch wirklich echte Verbesserung? Meine Primero hatte 2000 eine Genauigkeit von +2 Sekunden pro Tag, mit der Stoppuhr am laufen waren das noch sagenhafte +0.5 Sekunden/Tag! Der Datumssprung erfolgte bei flach liegender Uhr um Mitternacht plus wenigen Sekunden, was auch nicht übel ist.

Also, ist das Thema "verbesserte Produktion" ein echtes Argument? Ist das nur ein Argument bei extrem komplexen Uhren, wo sich die Toleranzen vielleicht stärker abzeichnen? Ist das einfach eine fadenscheinige Begründung?

Alex

[Nikolaus B.]

Dumme Frage - hier liest man oft, Nataf hätte die Produktion "verbessert", inwiefern ist das bei einer Uhr grundsätzlich möglich? ...

Na ja, das heißt ja nicht, daß er das Produkt (=Uhr) verbessert hätte.
Die Produktion zu verbessern, bedeutet für mich .... -> Kosten sparen, Umsatz & Gewinn erhöhen.
Und das hat er wohl tatsächlich fertiggebracht.

Gruß Nikolaus

[Charles]

Feinere Dekorationen gehören ebenso dazu wie technische Verbesserungen, vor allem im El Primero-Werk.
Grossdatum (3 Scheiben) und einige grosse Komplikationen, die's früher bei Zenith nie gab, sind im Programm.
Produktionskosten sparen war nicht das Thema in diesem Fall. Es ist völlig anders als bei Rolex. Umsatz erhöhen heisst nicht Gewinn erhöhen, wie Zenith bis vor drei Jahren "gezeigt" hat. Was erhöht wurde, ist nicht in erster Linie oder überhaupt nicht der Gewinn. Dies hat Nataf NOCH nicht fertig gebracht, dürfte aber wohl jetzt beginnen. Man und auch Nataf kann nicht ernten, bevor gesät ist. Nataf hat aber die Marke erfolgreich in einigen zahlungskräftigen Kreisen eingeführt, wogegen Zenith früher die Bünzli-Uhr war, in damaligen "seriösen" Kreisen eben die preiswerte und technisch hochstehende Uhr.

[stere]

Marke und Markt waren also schlechter bei der alten Marke. Wenn's zur Rezession kommt allerdings, lebt die neue Zenith riskanter als die alte.

Charles,
das ist eine sehr interessante Aussage !

stere

[roem]

Früher hatte Zenith ein paar Uhren im Programm, die mir richtig gut gefallen haben. Jetzt wo bei Zenith angeblich alles so viel "besser" geworden ist, gefällt mir leider nix mehr ...

Gruss
Roman

[Thomas H. Ernst]

Also, ist das Thema "verbesserte Produktion" ein echtes Argument?

Man kann schon fast sagen Nataf hat die Fortführung der Produktion überhaupt erst ermöglicht. Zenith ging es vor einigen Jahren ziemlich schlecht, der Absatz war am Boden udn Händler wie auch Mitarbeiter sprangen ab. Auch die Produktion lief alles andere als rund, es wurden hauptsächlich Lagerteile assembliert da der steinalte Maschinenpark umfangreicher Renovation bedurfte. Noch im Jahr 2001 wurde das EP mit den allerersten Maschinen und Werkzeugen gefertigt, also nix mit CNC, Drahterodierern usw. Das hindert natürlich auch daran, Veränderungen, Verbesserungen oder neue Komplikationen einfliessen zu lassen. Deshalb wurde erstmal kräftig investiert und die Fertigung auf den aktuellen Stand gebracht.