Edelstahl 316L / STOWA

Allgemeine Diskussionen rund um zeitgenössische Uhren
Michael65
Beiträge: 8
Registriert: 14 Feb 2018, 22:16
Wohnort: Frankfurt

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von Michael65 »

Vielen Dank für die zahlreichen Antworten :)

Von den verschiedenen Güteklassen beim 316L wusste ich bisher auch nichts. Wäre interessant mehr darüber zu erfahren, wobei es bei einem pfleglichen Umgang mit der Uhr wohl nicht so stark ins Gewicht fallen sollte. Vermute ich einfach mal. Gegen Rost und Korrosion sollte man schon sicher sein.

Ich habe mich jetzt für die Marine Original (41mm) arabisch weiß mit dem Handaufzug Unitas 6498-1 entschieden. Diese Uhr finde ich einfach wunderschön, schon alleine von den Fotos her :) Wie schaut es denn beim Unitas (langfristig gedacht) eigentlich mit den Ersatzteilen aus? es handelt sich ja schon um ein "altes" Uhrwerk aus den 50er Jahren wenn ich mich nicht täusche. Auf der anderen Seite soll es ja schon eher ein "einfaches" Werk sein, also sollte ein guter Uhrmacher wohl keine Probleme damit haben. Nochmal sorry für die laienhaften Fragen, aber für mich sind mechanische Uhren noch ganz neu und ich habe diese Leidenschaft erst kürzlich entdeckt. :)

Liebe Grüße,
Michael
Benutzeravatar
MCG
Beiträge: 23522
Registriert: 21 Aug 2006, 23:12
Wohnort: Mostindien
Interessen: Mech Uhren, Sport, Smart Roadster, HIFI, Art & Architektur
Tätigkeit: Global Academic Program

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von MCG »

Michael65 hat geschrieben: 15 Feb 2018, 18:59 Vielen Dank für die zahlreichen Antworten :)

Von den verschiedenen Güteklassen beim 316L wusste ich bisher auch nichts. Wäre interessant mehr darüber zu erfahren, wobei es bei einem pfleglichen Umgang mit der Uhr wohl nicht so stark ins Gewicht fallen sollte. Vermute ich einfach mal. Gegen Rost und Korrosion sollte man schon sicher sein.

Ich habe mich jetzt für die Marine Original (41mm) arabisch weiß mit dem Handaufzug Unitas 6498-1 entschieden. Diese Uhr finde ich einfach wunderschön, schon alleine von den Fotos her :) Wie schaut es denn beim Unitas (langfristig gedacht) eigentlich mit den Ersatzteilen aus? es handelt sich ja schon um ein "altes" Uhrwerk aus den 50er Jahren wenn ich mich nicht täusche. Auf der anderen Seite soll es ja schon eher ein "einfaches" Werk sein, also sollte ein guter Uhrmacher wohl keine Probleme damit haben. Nochmal sorry für die laienhaften Fragen, aber für mich sind mechanische Uhren noch ganz neu und ich habe diese Leidenschaft erst kürzlich entdeckt. :)

Liebe Grüße,
Michael
Gar kein Problem mit den Fragen... :thumbsup: :D
Also, da Unitas ist ein Brot und Butter Kaliber. Wahrscheinlich das häufigst eingesetzte Handaufzugskaliber überhaupt. Und dazu problemlos, robust, läuft, punkt! :wink:
Da kriegst Du für die nächsten 100 Jahre ganz sicher Ersatzteile... :tongueout:
LG aus Mostindien - Markus
Benutzeravatar
mezdis
Beiträge: 1347
Registriert: 21 Nov 2012, 08:12

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von mezdis »

paule1 hat geschrieben: 15 Feb 2018, 18:44 Ich meinte nicht das man von dem Material eine Allergie bekommt sondern nur das wenn man eine Nickelallergie hat auf Edelstahl verzichten sollte.
Das kann man so pauschal auch wieder nicht sagen. Es gibt Rostfreistähle mit Nickel, welche diesen relativ schnell abgeben. Und es gibt solche mit dem gleichen Nickelgehalt, wo praktisch kein Nickel herausgelöst wird. In der Uhrenindustrie gibt es einen normierten Test dazu, den sogenannten "nickel release test". Und bei diesem gibt es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Rostfreistählen. Der 316L ist einer, welcher extrem wenig Nickel abgibt und darum wird er auch häufig verwendet (zumindest von den etwas höherpreisigen Herstellern). Nickelallergien gegenüber diesem Stahl sind extrem selten oder praktisch unbekannt.

Allzu genau kann ich nicht auf weitere Details eingehen. Der Unterschied zwischen den Qualitäten der verschiedenen 316L Sorten ist für den Endkunden vermutlich nur schwierig zu erkennen. Bei reinerem Material (z.B. doppelt umgeschmolzen) hat man aber immer weniger Einschlüsse. Dies bedeutet generell bessere Eigenschaften, z.B. geringere Korrosionsanfälligkeit. Zudem haben die Einschlüsse einen Einfluss auf die Polierfähigkeit. Man kann also einen reineren Stahl zu höherer Oberflächengüte polieren. Es kann also durchaus sein, dass höherpreisige Uhrenmarken (z.B. AP, Rolex, IWC, ...) höhere Anforderungen an ihre polierten Oberflächen stellen als tieferpreisige. Und diese Anforderungen kann man eben nur mit besonders reinem Material erreichen.
Warum hier nicht mehr entwickelt wird? Diese Frage lässt sich relativ einfach beantworten: Weil's dem Kunden egal ist. Kratzbeständigkeit ist bei Stahluhren überhaupt kein Thema, auch wenn das sicher für manche hier im Forum unverständlich ist. 99 % der Stahluhrenkäufer sind sich bewusst, dass ihre Uhr über kurz oder lang Kratzer erhalten wird und den allermeisten ist das auch egal (heissen ja nicht alle Dirk :mrgreen: ). Eine Stahluhr soll in erster Linie günstig sein und jede besondere Entwicklung, welche man da reinstecken würde, würde die Uhr nur teurer machen. Was hinzu kommt: Eine geringe Steigerung der Härte nützt praktisch nichts. Gewöhnlicher Stahl hat eine Härte um 200 HV und man müsste schon deutlich über 500 HV hinauskommen, damit man das als Anwender überhaupt spüren würde.
___________
Gruss mezdis
paule1
Beiträge: 227
Registriert: 19 Feb 2006, 12:51

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von paule1 »

Ich war vor kurzem zum ersten Male in einem Uhrenseminar in dem man unter anderem auch seine eigene Uhr zerlegt und wieder zusammen baut. Das Basisseminar ist immer mit einem 6497 oder 6498 weil es angeblich eines der am einfachsten Werke ist. Ich glaube nur 67 Teile. Es wurde auch gesagt das dieses Werk so etwas wie ein Traktor ist. Früher wurde es wohl hauptsächlich wegen der Größe in Taschenuhren verwendet.
Reparaturen sollten also vergleichsweise einfach sein und ich denke das gilt auch für die Beschaffung von Ersatzteilen
paule1
Beiträge: 227
Registriert: 19 Feb 2006, 12:51

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von paule1 »

Das kann man so pauschal auch wieder nicht sagen. Es gibt Rostfreistähle mit Nickel, welche diesen relativ schnell abgeben. Und es gibt solche mit dem gleichen Nickelgehalt, wo praktisch kein Nickel herausgelöst wird. In der Uhrenindustrie gibt es einen normierten Test dazu, den sogenannten "nickel release test". Und bei diesem gibt es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Rostfreistählen. Der 316L ist einer, welcher extrem wenig Nickel abgibt und darum wird er auch häufig verwendet (zumindest von den etwas höherpreisigen Herstellern). Nickelallergien gegenüber diesem Stahl sind extrem selten oder praktisch unbekannt.

Ich vermute mal, das es auch eine Rolle spielt, das vor allem die stärker legierten Edelstähle (mehr Nickel + Chrom) verwendet werden weil diese dann weniger bis gar nicht mehr magnetisch sind.
Ich glaube selbst bei Gold oder Platin wird Nickel verwendet. Ich meine mal gelesen zu haben, das Titan mehr oder weniger das einzige Metall ist bei dem kein Nickel Verwendung findet.
Benutzeravatar
Thomas H. Ernst
Beiträge: 23227
Registriert: 14 Feb 2006, 16:10
Wohnort: Aarau
Interessen: Uhren, Bikes, Fotografie
Tätigkeit: Rententechniker
Kontaktdaten:

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von Thomas H. Ernst »

paule1 hat geschrieben: 15 Feb 2018, 18:44 Ich meinte nicht das man von dem Material eine Allergie bekommt sondern nur das wenn man eine Nickelallergie hat auf Edelstahl verzichten sollte.
Nickelgehalt und Nickelabgabe sind zwei paar Stiefel. :idea:
Grüsse Thomas
Euer Board-Admin
haspe1
Beiträge: 721
Registriert: 24 Feb 2006, 18:21

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von haspe1 »

Also ich habe bisher noch gegen keine meiner Stahluhren eine Allergie entwickelt, obwohl einige davon "Alteisen" sind und damals wohl noch keine ausgiebigen Nickel-Abgabe-Tests gemacht wurden.

Hingegen bin ich vor allem gegenüber neuen Golduhren allergisch, obwohl mir viele davon gut gefallen. Das liegt aber nicht so sehr an der speziellen Goldlegierung und den diversen chemischen Elementen darin, sondern vor allem am Verkaufspreis der Uhren. :D

Also bleibe ich in der Regel bei Edelstahl.

Hannes
Benutzeravatar
MPG
Beiträge: 4385
Registriert: 20 Dez 2006, 21:00
Wohnort: bei Hamburg
Interessen: Fotgrafie, Autos, Uhren, Musik
Tätigkeit: Geschäftsführer IT

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von MPG »

Und hier noch ein paar Bildchen meiner Antea:
Bild

Bild

Bild

Bild
Viele Grüße
--Michael--

Wer nur Jux machen will, den kann man nicht ernst nehmen.
Benutzeravatar
Heinz-Jürgen
Beiträge: 12453
Registriert: 27 Mär 2006, 18:03
Wohnort: Ruhrgebeat

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von Heinz-Jürgen »

MPG hat geschrieben: 16 Feb 2018, 11:44 Und hier noch ein paar Bildchen meiner Antea:
Bild

Bild

Bild

Bild
Erstaunlich. Ich bin nicht der größte Mesh-Fan. Aber das steht ihr richtig gut.

Ich hab auch noch zwei Mesh-Bänder in der Grabbelkiste. Vielleicht sollte ich denen doch noch mal ne Chance geben...
Grüße aus dem Pott

Heinz-Jürgen

🎼 All you need is laugh
Benutzeravatar
MPG
Beiträge: 4385
Registriert: 20 Dez 2006, 21:00
Wohnort: bei Hamburg
Interessen: Fotgrafie, Autos, Uhren, Musik
Tätigkeit: Geschäftsführer IT

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von MPG »

Heinz-Jürgen hat geschrieben: 16 Feb 2018, 12:02
MPG hat geschrieben: 16 Feb 2018, 11:44 Und hier noch ein paar Bildchen meiner Antea:
Bild

Bild

Bild

Bild
Erstaunlich. Ich bin nicht der größte Mesh-Fan. Aber das steht ihr richtig gut.

Ich hab auch noch zwei Mesh-Bänder in der Grabbelkiste. Vielleicht sollte ich denen doch noch mal ne Chance geben...
Ging mir genau so. Konnte mit Mesh auch nie viel anfangen. Zur Antea gefällt's mir wirklich gut. Ich hatte erst mit nem 15 Euro Band von Ebay das ausprobiert, und da es mir dan gut gefiel, das 100 Euro-Band gekauft.
Viele Grüße
--Michael--

Wer nur Jux machen will, den kann man nicht ernst nehmen.
Benutzeravatar
lottemann
Beiträge: 8409
Registriert: 15 Feb 2006, 11:52
Wohnort: BaWü

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von lottemann »

Benutzeravatar
cool runnings
Beiträge: 21915
Registriert: 16 Feb 2006, 09:01
Wohnort: Baden

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von cool runnings »

lottemann hat geschrieben: 20 Feb 2018, 10:19 Zum Thema Stahl :wink:
Dachte schon, das wäre ein Link zu einem Beitrag von CF. :mrgreen:
Benutzeravatar
walter
Beiträge: 9150
Registriert: 15 Feb 2006, 20:45

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von walter »

NIcht CF, sondern unser damaliger großartiger Geschichtenschreiber frederic wars :thumbsup:
Do you remember ?
frederic, im Dezember 2004

Rolex Stahl 316l
Verfasst am: Do, 23. Dez 2004
________________________________________
Ein kurzes Vorwort .

Liebe Watchbizzler, statt im Fernsehen einer der früheren Dreiteiler (als das deutsche Fernsehen noch Geld hatte), gibt es den spannenden Weihnachts- Mehrteiler hier im Watchbizz Forum. Über die Weihnachtstage schaffe ich das gut - vielleicht gibt die Geschichte auch noch etwas mehr her....

Have Fun und ein frohes Fest.
----------------------------------------

Einleitung.

Ich hatte mich extra fein gemacht. Zu meinem Sakko im schottischen Landhauslook mit den ledernen Flicken am Ellenbogen trug ich mein Hemd mit dem gekürzten linken Ärmel und der etwas aufgeweiteten Manschette.

Prof. Dr. Dr. Huerlimaier empfing mich freundlich wie immer schon am Eingang.

"Schön Sie wieder zu sehen, Frederic", waren seine herzlichen Worte zur Begrüssung.

"Ich freue mich auch", entgegnete ich höflich und beschloss, alles Vorherige zu vergessen.

Meine neue Uhr blitzte gezielt unter dem Ärmel hervor. In einem Seitenblick bemerkte es Prof. Huerlimaeier, dem bei seinem Gegenüber nie etwas entgeht.

"Ah, das freut mich, Sie haben sich jetzt auch eine unserer Uhren gegönnt..."

Ich vermied es aus diplomatischen Gründen, ihn auf meine neue Invicta aufmerksam zu machen. Es ist meine Sache, was ich trage...

"Na ja, irgendwann überkommt es jeden", entgegnete ich vieldeutig.

"Letztes Mal hatten Sie aber kurz eine andere Uhr, wenn ich mich recht erinnere."

"Sie haben eine gutes Gedächtnis", lobte ich ihn, "es war eine Patek Philippe."

"Ja," antwortete er erfreut darauf, "Pattex.. habe ich schon einmal gehört."

Ich ging in meinen Gedanken kurz das Eidgenössische Strafgesetzbuch durch - das Kapitel über Totschlag im Affekt - und schloss es ganz schnell wieder.

"Patek", erwiderte ich, mit besonderer Betonung auf dem K, " es ist auch eine Genfer Firma."

"Quelle surprise, Frederic," er zeigte einen überraschten Gesichtsausdruck, " ich wusste gar nicht, dass es ausser Rolex sonst noch eine Firma in Genf gibt."

Ich war drauf und dran, ihm die anderen Namen aufzuzählen - aber ich liess es bleiben. Er war halt der eingefleischte Rolesianer, den es immer wieder überrascht, dass es angeblich noch andere mechanische Uhren geben soll. "Mit Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases haben Sie mich aber ganz schön auf den Arm genommen", fuhr ich fort,
"Was ist er eigentlich wirklich? Ihr spanischer Pförtner?"

Huerlimeier beschwichtigte, "Nein, er ist schon unser Einkäufer - ausserdem ist er für die Mythen und das >Bling< verantwortlich."

"Bling???" mein Gesichtsausdruck war die Frage in Person.

"Sie erfahren das schon noch - nur Geduld" bremste mich Huerlimeier.

"Wissen Sie, das mit den Pferdetrensen ist einfach eine schöne Geschichte. Unsere Kunden lieben solche Geschichten und irgendwann verselbstständigen sich solche Geschichten, landen in Uhrenzeitschriften, redaktionellen Beiträgen und Büchern.
Dann werden sie Wirklichkeit. Reale transormierte Wirklichkeit. Wie der Rolex Stahl. Deswegen kommen Sie ja zu mir."

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und fuhr fort :

"Unser guter Wilsdorf kannte sich weniger mit Uhren aus als mit Mythen. Zum Glück muss ich heute sagen - sonst gäbe es diese wunderschöne Firma nicht mehr und wie hätten uns bei der 48sten Komplikation wirtschaftlich den Hals gebrochen."

"Wissen Sie, Frederic", sagte Prof. Huerlimeier weiter bedeutungsvoll, "die Leute sagen immer >ein Mythos wurde geboren<. Sie vergessen, dass vor der Geburt die Zeugung steht.
Ein Mythos muss zuerst gezeugt werden. Sie kennen doch sicher die Geschichte mit den POW Uhren?"

"POW? Prisoner of War?", ich verneinte, diese Geschichte hatte ich nie gehört.

Huerlimeier erklärte mir, dass Wilsdorf allen allierten Offizieren, die in einem deutschen Kriegsgefangenenlager waren, auf Wunsch eine Rolex kostenlos schickte, mit einem netten persönlichen Brief, eine fällige Rechnung bitte erst nach dem Krieg zu begleichen - irgenwann um 9 Uhr nach dem Krieg."

"Genial!", schwärmte Prof. Dr. Dr. Huerlimeier, "das ist wie die Werbung im Fahrstuhl zur Chefetage - es sind die richtige Leute drin und niemand kommt so schnell raus. In einem solchen Lager herrscht endlose Langeweile und eine neue Rolex unter der richtigen Zielgruppe..." Er küsste beide Fingerspitzen.

"Und bei den einfache Mannschaften?" ich stellte die Frage ganz ohne Hintersinn.

"Die hätten die Uhr sowieso nicht bezahlen können" entgegnete Huerlimeier arglos.

Ich war wie immer geplättet - so wie meine Invicta es einmal werden sollte.
"Wissen Sie eigentlich, was Trois Seize Elle ist, Frederic?" fragte Prof. Huerlimeier mich mit einem Ton, den nur die Eingeweihten als leicht herablassend indentifizieren konnten.

Ich verschwieg grosszügig, dass ich meine Dissertation über induzierte Fehler im Kristallgitter von Martensit machte. Da es nur Cum - mit fehlendem Summa - Laude war, ist es eigentlich auch nicht erwähnenswert.

"Dreihundersechszehn L?, etwa eine Stahlsorte?" antwortete ich leicht fragend.


"Es ist eine Legierung", belehrte mich Prof. Huerlimeier, "eine Legierung - Eisen mit einem Zuschlag von 18 Teilen Chrom, 14 Teilen Nickel und 3 Teilen Molybdän."

"Aha und was ist das Besondere daran?"

"Das geht fast in das Metaphysische", fing Prof. Dr. Dr. Huerlimeier das Dozieren an. Ich schloss meine Augen und im Geiste sass ich in der Aula Max auf meinem alten Platz, links neben dem Eingang.

"Wissen Sie, Ausgangsmaterial für diesen besonderen Stahl ist vorsortierter Schrott, den unser Lieferant von Schrotthändlern und von der metallverarbeitenden Industrie bezieht oder aus den Produktionsüberresten der eigenen Werke wiederverwertet.
Dieser Qualitätsschrott wird in Elektrolichtbogen Öfen mit Kapazitäten von 25 bis 70 Tonnen beispielsweise von der Firma Böhler am Standort Kapfenberg in Österreich bei Temperaturen um 1.600° C geschmolzen.

Die Schmelze wird dann in sogenannte Pfannen umgegossen, in denen weitere metallurgische Arbeit geschieht und die endgültige Legierung bestimmt wird. Die wesentlichsten Legierungselemente sind bei unserem Trois Seize Elle Uhrenstahl Chrom, Nickel und Molybdän."

"Ja, aber das kann doch jeder" entgegnete ich darauf und unterbrach seinen Redefluss.

"Nein, eines der Geheimnisse besteht im Schrott - und darum nehmen wir auch nur Stähle aus österreichischer Fertigung. Im Salzburger Land ist der Anteil an Porsche, BMW und Ferrari extrem hoch - oder wollen Sie etwa Schrott aus dem Rurgebiet haben? Opel Manta und Ford Fiesta?"

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier musste sich sichtbar schütteln.

"Ah... und der Ferrari Schrott ist also das Besondere?" bohrte ich nach.

"Sie muessen metaphysisch denken lernen", ermahnte mich Prof. Dr. Dr. Huerlimeier.

Om Mani Padme Hum. Om Mani Padme Hum. Ich dachte lautlos an meine Zeit im Omkarananda Ashram in Muni-ki-reti.

"Stahl hat ein Gedächtnis - das Gedächntnis ist im Gitter. Stahl ist intelligenter, als wir wahrhaben wollen."

Ich philosophierte : "Solange eine Feder WEISS, dass sie eine Feder ist, IST sie eine Feder.
Wenn eine Feder nicht mehr weiss, dass sie eine Feder ist, ist sie KEINE Feder mehr."

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier blieb der Atem stocken - völlig verblüfft brachte er hervor : "Ja, Frederic - so ähnlich, wo haben Sie jetzt das denn her?"

Ich schwieg wieder - Om Mani Padme Hum....
"Und mit dem Ferrari und Porsche Schrott gehen dann die Uhren besonders schnell", wollte ich witzig sein. Fehlanzeige. Voll daneben. Peinlich...

"Das ist ja das Merkwürdige", antwortete im tiefsten Ernst Prof. Dr. Dr. Huerlimeier, "wir können es auch nicht erklären, deswegen bestehen wir immer auch auf einer Melange mit österreichischem Bundesheer - das steht meistens.
Und so wird dann die Mischung exakt auf unsere Bedürnisse ausbalanciert. Unserere Regleuesen merken es immer als erste, wenn der Schrott zu schnell wird."

Nein, ich habe mich nicht brüllend unter dem Tisch gewälzt, nein ich habe auch nicht laut trompetend losgeprustet, nein - auch nicht aus Rücksichtnahme.

Wer sich ein bisschen mit den Quantenphysikalischen Eigenschaften der Materie beschäftigt, glaubt ganz schnell an kleine grüne Männchen oder zumindest an bucklige Hexen mit spitzen Hüten und an eine Scheibenwelt, die auf dem Rücken von 4 Elephanten steht, die wiederum auf einer riesigen Schildkröte stehen.

"Aber damit sind wir noch lange nicht bei Trois Seize Elle gelandet", fuhr Huerlimeier fort. Er blickte um sich und vergewisserte sich, dass alle Türen geschlossen waren und niemand gerade die Schlüsselllöcher reinigte.

"Die Zusätze machen es. Was glauben Sie, wieso wir den Vertrag mit Tiger Woods machten. Wegen seinen schönen Augen? Nein, er schickt uns alle gespielten Eisen - mit den geheimen Zusätzen kommen sie in unsere Schmelze. Das gibt die Schlagkraft unserer Uhren - Sie muessen das natürlich Metaphysisch sehen.
Eine solche Meisteruhr kann man nur Metaphysisch begreifen."

Es war ein wenig Metaphysik zuviel in seinem Vortrag, aber vermutlich kann man eine solche Uhr nicht nüchtern betrachten. Ich sah im Geiste die typische Goldkettchen und Rolexbrillis Fraktion mit den grossen Sonnenbrillen im Lotussitz meditieren. Om Mani Padme Hum. Es wehte schwach ein eisiger Wind durch das Büro - die Gänsehaut gab sich schnell wieder.

Ein Stahl, der sich erinnert, einmal ein Ferrari gewesen zu sein. Ein Stahl, den das österreichische Bundesheer bremsen muss. Wieso eigentlich nicht ein Stahl, der einfach nur stolz ist, eine Rolex zu sein? Was macht IWC in diesem Fall? Wie denkt Omega - und woher kommt das Gold der PP? Die Wichtigkeit solcher Fragen kann nur der nachvollziehen, der sich regelmässig auf Watchbizz tummelt.

Er atmete tief durch :

"Kommen Sie, ich zeige Ihnen unseren Stahl und die Gehäusefertigung. Senior Aquirra wird auch da sein. Wegen des >Blings<. Wir fahren mit meinem Auto."

Ich war tief beeindruckt, wie immer. Much Bling for the Buck?
Wir fuhren los.

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier fuhr bedächtig - er hatte alle Zeit der Welt.

Wir bogen in eine Seitenstrasse ein - ohne Strassenschild - und hielten vor einem Tor. Die beiden Wachtürme links und rechts waren schlecht als Kamine kaschiert.
Er zeigte seinen Ausweis vor und wie fuhren in eine Schleuse. Ich durfte aussteigen und mich meiner Sachen entledigen. Nun gut, zumindest die Invicta blieb am Arm und der freundliche Herr,
der alle Körperöffnungen nach einer Kamera oder einem Diktiergerät durchforstete (soooooo klein sind die nun wirklich nicht), bemerkte mit Stolz meine Invicta.

"Pssst... Ich trage auch eine, eine von unserem Haus kann ich mir leider auch mit Mitarbeiterrabatt nicht leisten". Zuvorkommend half er mir wieder beim Anziehen.

Prof. Dr. Dr. Huerlimeier war sichtlich unangenehm berÜhrt : "Frederic, tut mir leid, aber wir können nun mal keine Aufnahmen von unserer Fertigung genehmigen. Was würden denn die Kunden sagen...."

Wir gingen in eine elegante Werkhalle. Stahlbänder lagen in Rollen auf dem gefliesten Boden. Signiert mit "RR".

"Arbeiten Sie auch für Rollce Royce?" war meine erstaunte Frage.

"Nein, nein, Frederic", sagte mein Führer, "es heisst : Reservé pour Rolex. Sie haben das echte >Bling<."

Prof Huerliemer führte mich zu einem Automaten - weit und breit niemand in Sicht - , der aus den Bändern in hoher Geschwindigkeit Gehäuse stanzte, die in eine Kiste fielen.

Ich war irgendwie entsetzt. Ich hatte mir in meiner naiven Vorstellung einen Block vorgestellt, der auf einer 3D Fräse vom altem Fachmann zu einem Rolex Gehäuse geformt wurde.

Erschüttert wandte ich mich an Prof. Huerlimeier : "Ich denke, die Gehäuse werden aus dem Vollen gefräst?"

"Natürlich", entgegnete selbstsicher Huerlimeier, "Sie sehen hier eine Stanzfräse, äh, eine Frässtanze. Der Stanzkopf wird gefräst und geschmiedet. Dann formt die Frässtanze mit ihrem gestanzten Fräskopf das Gehäuse aus diesem Stahlband. Das Stahlband ist ganz massiv, sehen Sie selber."

Fffft Klack.., Fffft Klack..., Fffft Klack... fielen die Gehäuse in hohem Tempo, das danach durchlöcherte Stahlband erinnerte an Formen für Weihnachtsgebäck. Vielleicht werden damit auch Plätzchen gemacht...

Okay, wieder etwas Neues gelernt. Die Stanzfräse... Aber das echte >Bling< ???


Prof. Dr. Dr. Huerlimeier nahm einige Rohgehäuse aus der Kiste und steckte sie in seine Jackentasche.

Am Hallenende hörte ich plötzlich eine Mann entsetzlich brüllen. Er übertönte sogar die Stanze, neben der wir noch standen.

"Das ist Senior Aquirra, Conde di San Pedro de las Cases, er ist gerade bei der Arbeit - kommen Sie, wir gehen zu ihm", klärte mich Huerlimeier auf.

Wir gingen an der Materialausgabe vorbei, an der eine Gruppe Poliseure gerade ihre "Geheime Schleifpaste Rot" abholte.

Wir kamen näher zum Tor. Materialannahme stand dort und ich konnte aus dem Gebrüll mittlerweile einzelne Worte herausholen.

"Nehmen Sie Ihren Schrott wieder mit!!! Eine Zumutung, was Sie mir da unterjubeln wollen!!! So eine Frechheit ist mir in 40 Jahren noch nicht untergekommen!!!",

dazwischen kleinlaute Worte der Entschuldigung, der unendlichen Reue und der Bitte um Vergebung. Senior Aquirra stand dort, wie der Erzengel Gabriel, mit einem kleinen silbernen Hämmerchen in der Hand.

Jetzt begriff ich - ein Schweizer kann sich nicht so enervieren, ein Appenzeller wie Prof. Huerlimaeier schon zweimal nicht, da ist man auf spanischem Import angewiesen. Alter spanischer Adel brüllt am besten.

"RRRRAAAAUUUUSSS - Sie wollen mir doch diese Partie micht im Ernst für eine Rolex liefern."

Wieder die klägliche Stimme, "Aber sehen Sie doch die Laboranalysen. Alles 1a. Genau in der DIN Norm. Die Mischung ist exakt - wir haben auch 7% Ferrari drin und 3% Feldhaubize."

Wortgewaltig bebte Senior Aquirra: "Was interessiert mich DIN? Dieser Stahl hat nicht unser >Bing<. Zurück damit, den können Sie an Omega liefern, aber nicht an uns."

Senior Aquirra sah uns und wurde im Bruchteil einer Sekunde wieder die Höflichkeit in Person - ein echter spanischer Grande.

"Guten Tag, Frederic", sagte er liebenswürdig und fügte verbindlich hinzu, "ich muss diese Partie zurückweisen. Ihr fehlt das >Bing<."

Ich war mittlerweile gespannt wie ein Flitzebogen. Der Lieferant verdrückte sich in der Zwischenzeit kleinlaut mit Tränen in den Augen.

"Was ist diese geheimnisvolle >Bing<? Herr Huerlimeier erzählte mir auch schon davon." N E U G I E R stand mit grossen Worten in meinem Gesicht.

"Unser Stahl muss singen können - das ist etwas, was Sie mit einer chemischen Analyse nicht erfassen können. Weder mit einem Massenspektrometer, noch mit dem Schliff unter dem Mikroskop.", entgegnete stolz Signor Aquirra.

Er nahm sein silbernes Hämmerchen wieder aus dem Etui (Karanga Wurzelholz mit Shabu Lack) und klopfte auf eine Rolle Stahlband.

"Das musste ich zurückgehen lassen. Hören Sie selber!" : >BLING<

"Ein völlig falscher Ton. So muss es singen", und nahm seinen Referenzstahl zur Hand : >BLING<

Ich war schon immer auf mein absolutes Gehör stolz gewesen. Das waren 4125 Herz. Bei beiden >Bling<.

"Ich sehe keinen Unterschied", entgegnete ich fragend.

"Sie müssen auf die Obertöne achten - die vierte Harmonische ist zu scharf, die dritte Harmonische nicht ausgeprägt genug. Unser Stahl muss konsonanter sein."

Er benutzte noch einmal sein Hämmerchen.

Ich wurde erleuchtet. Wie damals im Omkarananda Ashram in Muni-ki-reti nach 48 Stunden Om Mani Padme Hum.

"Jetzt höre ich es auch, der 12375 Herz Anteil ist nicht harmonisch eingebunden." Ich bewunderte Signor Aquirra - er musste wirklich ein fabelhaftes Gehör haben.

"Wozu ist das >Bing< eigentlich gut?" Auf diese Frage bekam ich keine Antwort.

Prof. Huerlimier lächelte wissend...
...Das war Signor Aquirre - Er ist also für das >Bling< verantwortlich. Vielleicht sind doch noch Pferdetrensen mit drin, aber es sollte ein letztes Geheimnis bleiben...

Stille legte sich über den Raum, nachdem der Conde uns mit einem freundlichen Gruss verlassen hatte.

Wir standen in der Werkhalle neben einigen Maschinen, die nicht in Betrieb waren. Es war eine wirkliche Ruhe im Gegensatz zu der Frässtanze oder der Stanzenfräse und dem Gebrüll des Einkäufers.

Prof Huerlimaeier nahm ein Gehaeuse in die Hand und liess es auf den gefliessten Boden fallen.

Ein helles "Bling" ertönte. Huerlimeier lächelte seelig.

"Aber nimmt das Werk keine Schaden?" fragte ich verduzt.

"Doch, in der Regel muss dann die Uhr schon zum Service - aber der Kunde sollte wenigstens das >Bling< in angenehmer Erinnerung haben. Wissen Sie Frederic, das ist es, was uns wichtig ist. Der Schmerz über die Servicerechnung soll durch den angenehmen Klang beim Aufschlag gemildert werden. Das sind wir unserer exklusiven Kundschaft einfach schuldig."

Ich staunte mit offenem Mund. Ich war sprachlos - schweigend - wortlos. Passiert mir ganz selten.

Wir gingen weiter an einer schmutziggrünen Schuler vorbei.

Es kam mir eine teuflische Idee, diesen Pressentyp kannte ich noch aus meiner Studentenzeit. Es war eine Schuler 75000 mit dem langen Doppelgriff, der erst das Sicherheitsgatter herunterfuhr und dann die 75to. Presse betätigte. Ein primitiver Pressentyp - aber mit Kawumm!

...Ich nahm meine Invicta vom Arm und schmiss sie auf den Boden.

Schepper-Schepper, Klapper-Klapper*

"Ja das ist das typische Klang vom Armband Jahrgang 99", schwärmte Prof. Huerlimeier selig, "aber haben Sie nicht auch dieses charaktervolle Bling gehört - das macht nur eine unserer Uhren."

Er nahm ein IWC Gehäuse in die Hand und liess es auf den Boden fallen.

Plopp*

"Sehen Sie", sagte Huerlimeier triumpfierend, "Sie hören nichts - keine elegantes Bling, nur ein schäbiges Plopp. Nichts als ein erbärmliches ... Plopp*"

Ich fand es unfair, Prof. Hürlimeier darauf hinzuweisen, dass gerade dieses IWC Gehäuse aus Titan war. Titan macht IMMER Plopp*

Ich wollte wieder meine Invicta auf den Boden werfen, aber Prof. Huerlimeier sagte mir, es sollte wegen des reineren >Bling< zuerst das Armband entfernt werden und wollte sie mir aus der Hand nehmen.

Danach ging alles wie in Zeitlupe:

--- ich hielt die Uhr mit aller Kraft fest, als Huerlimeier losliess, schlenzte ich sie elegant aus Versehen in die Presse, ich hechtete hinterher, um die Uhr zu retten, ich stolperte ungeschickterweise über meine eigenen Füsse und griff dann im Fallen leider mit beiden Händen den bekannten Doppelgriff der Schuler,
den roten Hauptschalter hatte ich vorsichtshalber diskret schon vorher umgelegt;
zuerst schoss das Sicherheitsgitter herunter, dann die Presse.

Meine Invicta wurde zu einer formlosen Masse geformt.

Prof. Huerlimaeier war die Peinlichkeit der Situation mit deutlichen Tropfen auf die Stirn geschrieben.

"Oh, das tut mir fürchterlich leid, Frederic. Ich sorge dafür, dass Sie sofort eine Neue bekommen."

Ich muss ganz ohne Eitelkeit gestehen, dass ich meine neue Rolex gerne trage und sie immer wieder liebvoll betrachte. Ja, ja, die gute alte Schuler 75000.
--------------------------------------------
Gibt es eine Fortsetzung? Wie wird sich meine Rolex bewähren im harten Alltag?
gruss
frederic
Walter :D

Mein Indischer Schachmeister sagte: Am Ende kommen Bauer und König in die selbe Kiste
Benutzeravatar
Frano
Beiträge: 1724
Registriert: 30 Mär 2009, 18:12
Wohnort: Oberfranken

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von Frano »

:thumbsup: :rofl:
Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens. Euripides
Benutzeravatar
cool runnings
Beiträge: 21915
Registriert: 16 Feb 2006, 09:01
Wohnort: Baden

Re: Edelstahl 316L / STOWA

Beitrag von cool runnings »

@ Walter: Danke für die Korrektur.


:rofl: :mrgreen:

Ja, das waren noch Zeiten als frederic hier noch aktiv war. Denke immer wieder an seine Beiträge.
Antworten