Das Prestige des Manufakturkalibers

Allgemeine Diskussionen rund um zeitgenössische Uhren
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MCG
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von MCG »

tapsa911 hat geschrieben: 29 Jan 2019, 14:56 Bild


Gruß
:wink:
Stephan
👍🏻🚀😃
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Andi
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von Andi »

Mmh, Seiko und Citizen haben Manufakturwerke und man bezahlt dort nicht überteuerte Preise🤔
Viele Grüße Andi!

Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance.
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tapsa911
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von tapsa911 »

Andi hat geschrieben: 29 Jan 2019, 19:39 Mmh, Seiko und Citizen haben Manufakturwerke und man bezahlt dort nicht überteuerte Preise🤔
Seiko kann auch teuer :wink:
Entscheide lieber ungefähr richtig als genau falsch
(Johann Wolfgang Goethe)
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Andi
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von Andi »

tapsa911 hat geschrieben: 29 Jan 2019, 19:43
Andi hat geschrieben: 29 Jan 2019, 19:39 Mmh, Seiko und Citizen haben Manufakturwerke und man bezahlt dort nicht überteuerte Preise🤔
Seiko kann auch teuer :wink:
Und preisgünstig, beides Manufaktur, nur weniger Prestige in den Köpfen einiger Käufer🤷‍♂️
Viele Grüße Andi!

Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance.
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C.95
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von C.95 »

Ach ja, leider gibt es keine Definition für Manufakturkaliber ?!

Tatsächlich wurden wohl mal Teile für Uhren von Hand gefertigt, nicht nur ein Vorzeigeteil, an dem sich ein Mitarbeiter abarbeitet, wenn Besucher zur Besichtigung anwesend sind.

Zu einer Zeit als es noch keine CNC Maschinen oder Automaten gab, ich nenne das mal "manuelle Manufaktur", praktiziert bis ca. 70er Jahre, denn da wurden die alten Maschinen dazu verschrottet.

Es soll noch sehr wenige solcher manuellen Manufakturen geben ?!

Vorherrschend ist "Marketing Manufaktur", also "alles ist möglich", nur preiswerter. Das gibt es heute fast überall inflationär und wird geglaubt, warum auch immer ?!

Wenn ich ganz sicher sein will, Manufaktur zu bekommen, kaufe ich altes Zeug wie z.B. dieses:

Bild
archimagirus
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von archimagirus »

Es ist doch müssig darüber zu diskutieren wo bei einem Luxusprodukt der ‚Mehrwert‘ liegt.

Luxus definiert sich eben immer über Individuelle Verhältnismässigkeiten.

Der Vergleich zu den Autos hinkt m.E. aber gewaltig, weil keiner hier bei seinem Ticker einen Wertverlust von 60% ( oder mehr) in den ersten 3 Jahren akzeptieren würde.

Wie schon richtig im Titel geschrieben. Manufaktur = Prestige ( Ansehen ) erst einmal nicht mehr und nicht weniger.
Alles andere ist Philosophie die sich jeder nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten zurechtlegen kann und sollte.

Alle anderen kaufen halt Rolex :mrgreen:
Tickende Grüße, Jan!
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der_z
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von der_z »

archimagirus hat geschrieben: 29 Jan 2019, 23:57Der Vergleich zu den Autos hinkt m.E. aber gewaltig, weil keiner hier bei seinem Ticker einen Wertverlust von 60% ( oder mehr) in den ersten 3 Jahren akzeptieren würde.
Bei einer "normalen" Marken-Uhr, im Preisbereich von sagen wir mal bis 5kEUR, täglich getragen? Da erlebe ich den Gebrauchtmarkt aber deutlich anders. Man kann sich ja auch einen Porsche 911 kaufen und den 20 Jahre lang in eine klimatisierte Garage stellen ... kann gut sein, dass der dann mehr Wert ist als vorher. Muss aber nicht.

Der Vergleich mit Autos passt schon, wenn man in die richtigen Segmente geht. "Normale" Menschen kaufen sich eine 100-Eur-Uhr (maximal), und einen Toyota (oder so). "Im positiven Sinne Verrückte" haben halt ihr Hobby, wo man dann auch mal ein paar Klassen über dem eigentlichen finanziellen Kampfgewicht zuschlägt. Das können Uhren, Gitarren, Wein, Klamotten, Füllfederhalter, sonstwie Sammelbares oder Abwegiges sein. Man hat Freude dran, kauft sich "die guten" Sachen und ist da in einer anderen Welt als viele "Normale". Und dann gibt's noch die wirklich Reichen, bei denen geht das noch eine Stufe extremer zu.

Das Thema "Manufaktur", also "handgemacht", spielt gerade im absoluten Top-Bereich bei allen Luxusmarken eine Rolle. Ist schon kurios - der fehlerbehaftete Mensch kann nie so "perfekte" Arbeit abliefern wie eine Maschine, aber dafür ist es eben in liebevoller Arbeit handgemacht und "in sich" absolut stimmig. Die kleinen Imperfektionen geben Charakter, Menschlichkeit, und eine nachvollziehbare Wertigkeit. Und darum geht's doch auch - ist das Teil "nur" teuer, oder "zu" teuer, oder steht dagegen ein Wert ... oder eine Geschichte, die den Wert darstellt und den Preis irgendwie rechtfertigt. Und oben drauf gibt's noch das Element des persönlichen Ausdrucks, auch deshalb bieten fast alle Luxusmarken eine Riesenauswahl an (teurer) Personalisierung. Manufaktur gibt eben auch dieses "warm&fuzzy feeling" - das ist nicht nur kalte Industrieware, das "lebt" irgendwie.

Um mal beim Beispiel Auto zu bleiben, auch sowas ist "Manufaktur" in einem an sich hochautomatisierten Umfeld:
https://www.rolls-roycemotorcars.com/en-GB/bespoke.html

Der Hintergrund im Uhrenbereich ist klar: Wir haben mehr Wertschöpfung, mehr Eigenleistung, mehr Eigenständigkeit, wir machen mehr als Andere ... und damit haben wir eine Story, warum wir teu(r)er sind. Die Geschichte funktioniert, so lange dahinter echte Substanz steckt, oder solange der geneigte "Luxus"uhrenfan auf die Worte vertraut und sich nicht interessiert, was dahinter wirklich an "echter" Manufakturleistung steckt.
I hate signatures. That's why I don't have one.
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mhanke
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von mhanke »

archimagirus hat geschrieben: 29 Jan 2019, 23:57
Der Vergleich zu den Autos hinkt m.E. aber gewaltig, weil keiner hier bei seinem Ticker einen Wertverlust von 60% ( oder mehr) in den ersten 3 Jahren akzeptieren würde.
Oh, das habe ich ganz anders erlebt.

Marcus
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archimagirus
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von archimagirus »

...ist ja kein Naturgesetz, was ich da geschrieben habe :roll:

Aber es ist schon ein gewaltiger Unterschied ob ich eine AP RO oder eine Moser/ F P Journee für das gleiche Geld kaufe.
Bei der RO weiss ich dass ich nach einem Wiederverkauf fast das gleiche (wenn nicht mehr,nach Lieferfähigkeit) nach 5 JAhren wieder bekommen.
Bei einer Moser oder FPJ kommen einen die Tränen.

Wenn ich mit meinem AMG 65 vom Hof fahre ist der 'Wertverlust' nach 3 Jahren und 90k km natürlich deutlich heftiger als bei einem Dacia oder Citroen :wink:

Kauft ne 'einfache' Rolex Sub,SD,.....und wollt die nach 3-5 Jahren verkaufen, das macht deutlich mehr Spass als jede IWC / Omega (wenns keine Dienstags speedy ist)
Tickende Grüße, Jan!
Richard Habring
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von Richard Habring »

ich möchte mal die Sache aus einem anderen Blickwinkel betrachten:

ETA brachte 2007 das Valgranges, die vergrößerte nicht-Chrono-Variante des 7750 heraus.
Zusammen mit dem Baukasten um das 7750 schien dies eine geeignete Basis um als kleiner handwerklicher Hersteller interessante Uhren in bezahlbaren Preisregionen anzubieten.

Kritisch wie die Kunden nun mal sind wollten wir aber keine Stangenware einschalen, also machten wir die springende Sekunde und andere modulare Zusätze um quasi exklusive Kaliber auf Basis von ETA-Großserientechnik zu machen.
Technisch als auch ökonomisch wäre das für uns eine absolut akzeptable Situation gewesen, kein Gedanke an ein eigenes Werk etc.
Ende 2011 kam dann der Brief der ETA, dass wir 2012 ausnahmsweise noch mal eine maximale Stückzahl an Komponenten kaufen dürfen und ab 2013 raus sind (keine Werke, keine Komponenten, nüscht/null/nada). (2017 kam dann der bis dato der letzte Brief: dass ETA uns auch keine Ersatzteile mehr liefern wird)

Ende 2011 stellten wir uns also die Frage "wie geht's weiter?"
Die logische Alternative damals wäre das Sellita SW500 gewesen. Sellita lies uns wissen, dass man gerne liefern würde aber aktuell etwas unter Druck sei. d.h. 18 Monate Lieferfrist und 100% Vorkasse bei Bestellung.
Zum damaligen Zeitpunkt ging es primär um die Teile des Grundwerks des 7750, also entschieden wir uns die Zukunft unserer Marke in die eigenen Hände zu nehmen und für dieses Grundwerk brauchbaren Ersatz zu machen: Räderwerk, Aufzug- und Zeigerstellmechanismus, Assortiment, Ja, Assortiment: wir produzieren/montieren/justieren unsere eigenen Anker und Unruhen in Kleinserie.

2014 war's dann soweit, unser "Felix" erblickte mit dem A11 die Welt. Dank steigender Verkäufe produzieren wir mit einer Handvoll Teile-Spezialisten in DACH zwischenzeitg etwa 200 Teilesätze des A11 pro Jahr (übliche Teilechargen zwischen 200 und 1000 Stück).
Jeder Felix hat dabei 99 Einzelteile im Werk von denen 84 verschieden sind. Jeder Zulieferer bekommt dabei den Preis für seine Teile, den er braucht um selbst erfolgreich zu sein. Das kostet - bei den geringen Stückzahlen - natürlich seinen Preis. Wir haben ein Lager an teilen für unsere A11 hier, für den Gegenwert könnten wir uns (hier am Balkanrand) eine schöne Wohnimmobilie leisten statt in Miete zu wohnen. Könnten.

Wir bieten unseren Felix mit komplett eigenem Werk für €4.650,-- an, dafür kriegt man woanders ETA/Sellita-Großserie mit einem Bruchteil an Herstellungskosten. Warum machen wir das? Weil der Kunde nun mal vergleicht. Wie machen wir das, ein eigenes in kleinsten Stückzahlen produziertes Werk zum "Kampfpreis" anzubieten? Indem wir unseren Profit auf ein Minimum runterfahren. Warum macht man sowas? Weil man als kleine Marke überleben und seinen wenigen Mitarbeitern eine Zukunft bieten will. Und weil wir unseren Kunden jetzt bald 15 Jahre lang ein Versprechen gegeben haben: Wir kümmern uns um ihre Uhren, auch wenn die ETA das mal nicht mehr will!

Wäre es nicht klüger gewesen auf Sellita zu setzen? Möglich, aber es wäre wieder ein Monopolist gewesen. Mit der Erfahrung bez. ETA wäre immer ein Gedanke im Hinterkopf geblieben "was passiert wenn?" Sellita beliefert alle Grossen, als kleiner Hersteller wären wir da wieder nur 2. Wahl. Das sind wir bei unseren Teillieferanten aber nicht. Im Gegenteil: Die wissen zum Jahresanfang schon was wir im Laufe des Jahres an Teilen benötigen werden, sie haben Planungssicherheit. Das bekommen sie von keiner der grossen Gruppen.

Wie wird das Ganze ausgehen? ich hab' keine Ahnung! Rückblickend hätten wir die letzten Jahre auch noch 7750er am Graumarkt kaufen können. Aber wer weiß das im Voraus? Heute in genau einem Jahr (1.1.2020) ist die ETA die WEKO-Vereinbarung los. Was werden die dann machen? Wieder Werke liefern? Werke nur an die liefern die man mag (Breitling, IWC,....), d.h. weiter den unlauteren Wettbewerb befeuern ? (Meiner Meinung nach wär' die Sache was für's Kartellgericht!)

Wisst Ihr was? Ich pfeif' drauf! Die Idioten sollen machen was sie wollen, wir sind völlig unabhängig.

Aber wo bleibt nun der Mehrwert? Nun, es gibt uns noch..............
"Manufaktur" ist das Ticket für die ganz Kleinen überleben zu können!

Gruß
Richard
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mezdis
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von mezdis »

Danke für deine Ausführungen, Richard! Ein wirklich interessanter Blickwinkel, den du uns eröffnet hast!

Ich habe grössten Respekt vor Menschen, die solche Entscheidungen fällen und diese auch durchziehen. Davor ziehe ich meinen Hut. Was mir allerdings weniger gefällt ist die abschätzige Meinung gegenüber jenen, die es anders machen. Mir würde es niemals in den Sinn kommen, anders denkende und handelnde Mitstreiter als Idioten zu bezeichnen. Und das ist auch das einzige, was mir an deinen Ausführungen nicht gefällt. Es entsteht (zumindest bei mir) immer das Gefühl, dass du es als einziger richtig machst und alle anderen falsch. Und nicht nur das - die anderen sind sogar Idioten.

Wie gesagt, ich habe grössten Respekt vor dem, was du leistest. Aber niemand hat dich gezwungen, diesen Weg zu gehen. Anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben ist immer einfach. Aber nach den Posts, welche ich bisher von dir gelesen habe, scheint das wohl ein Charakterzug von dir zu sein. Das ist durchaus OK, es müssen nicht alle Menschen gleich sein und es sind ja einige Genies in der Menschheitsgeschichte bekannt, welche schwierige Charaktere gewesen sein sollen...

Noch ein Wort zum Mehrwert: Die in den letzten Jahren extrem weiterentwickelten Werke, z.B. von Rolex oder Omega, bieten dem Kunden tatsächlich einen Mehrwert. Magnetismus, Isochronismus, Gangreserve, usw. - da wurde viel gemacht. Nicht zu vergessen die verlängerten Serviceintervalle und Garantiedauern.
Auch wenn wir die Zahlen wohl nie erhalten werden, so wäre es wirklich sehr interessant zu wissen, wie hoch der Prozentsatz an Service-Garantiefällen bei deinen Uhren im Vergleich zur "Massenware" ist. Denn das wäre eine Zahl, welche dem Kunden tatsächlich einen Mehrwert bringt. Ich habe die Vermutung, dass die Grosshersteller in dieser Sparte die Kleinstmanufakturen deutlich abhängen...
___________
Gruss mezdis
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lottemann
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von lottemann »

Danke Richard!

Die "Idioten" fand ich auch etwas hart, aber wer genau liest, weiss, wer
gemeint ist und für die gäbe es wohl aus kartellrechtlicher Sicht härtere
Formulierungen, die kaum geahndet werden könnten.

Längere Serviceintervalle wären toll, haben sich aber so, wenn ich hier
richtig mitlese, nicht wirklich gezeigt. Und wenn, dann in einem Mass,
das durch die monopolistisch hochgehaltenen ServicePREISE mehr als
kompensiert wird.

Ich habe schon ein paar mal geschrieben, dass ich bei Neuuhren raus bin
und dieser Faden zeigt mir einmal mehr warum.

Eine Habring liegt im Moment nicht drin, aber vielleicht fange ich wirklich
an auf eine zu sparen.

Gruss

Michael
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MCG
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von MCG »

lottemann hat geschrieben: 01 Feb 2019, 16:16 Danke Richard!

Die "Idioten" fand ich auch etwas hart, aber wer genau liest, weiss, wer
gemeint ist und für die gäbe es wohl aus kartellrechtlicher Sicht härtere
Formulierungen, die kaum geahndet werden könnten.

Michael
:thumbsup:
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MCG
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von MCG »

tourbillon69 hat geschrieben: 01 Feb 2019, 14:32 ich möchte mal die Sache aus einem anderen Blickwinkel betrachten:

ETA brachte 2007 das Valgranges, die vergrößerte nicht-Chrono-Variante des 7750 heraus.
Zusammen mit dem Baukasten um das 7750 schien dies eine geeignete Basis um als kleiner handwerklicher Hersteller interessante Uhren in bezahlbaren Preisregionen anzubieten.

Kritisch wie die Kunden nun mal sind wollten wir aber keine Stangenware einschalen, also machten wir die springende Sekunde und andere modulare Zusätze um quasi exklusive Kaliber auf Basis von ETA-Großserientechnik zu machen.
Technisch als auch ökonomisch wäre das für uns eine absolut akzeptable Situation gewesen, kein Gedanke an ein eigenes Werk etc.
Ende 2011 kam dann der Brief der ETA, dass wir 2012 ausnahmsweise noch mal eine maximale Stückzahl an Komponenten kaufen dürfen und ab 2013 raus sind (keine Werke, keine Komponenten, nüscht/null/nada). (2017 kam dann der bis dato der letzte Brief: dass ETA uns auch keine Ersatzteile mehr liefern wird)

Ende 2011 stellten wir uns also die Frage "wie geht's weiter?"
Die logische Alternative damals wäre das Sellita SW500 gewesen. Sellita lies uns wissen, dass man gerne liefern würde aber aktuell etwas unter Druck sei. d.h. 18 Monate Lieferfrist und 100% Vorkasse bei Bestellung.
Zum damaligen Zeitpunkt ging es primär um die Teile des Grundwerks des 7750, also entschieden wir uns die Zukunft unserer Marke in die eigenen Hände zu nehmen und für dieses Grundwerk brauchbaren Ersatz zu machen: Räderwerk, Aufzug- und Zeigerstellmechanismus, Assortiment, Ja, Assortiment: wir produzieren/montieren/justieren unsere eigenen Anker und Unruhen in Kleinserie.

2014 war's dann soweit, unser "Felix" erblickte mit dem A11 die Welt. Dank steigender Verkäufe produzieren wir mit einer Handvoll Teile-Spezialisten in DACH zwischenzeitg etwa 200 Teilesätze des A11 pro Jahr (übliche Teilechargen zwischen 200 und 1000 Stück).
Jeder Felix hat dabei 99 Einzelteile im Werk von denen 84 verschieden sind. Jeder Zulieferer bekommt dabei den Preis für seine Teile, den er braucht um selbst erfolgreich zu sein. Das kostet - bei den geringen Stückzahlen - natürlich seinen Preis. Wir haben ein Lager an teilen für unsere A11 hier, für den Gegenwert könnten wir uns (hier am Balkanrand) eine schöne Wohnimmobilie leisten statt in Miete zu wohnen. Könnten.

Wir bieten unseren Felix mit komplett eigenem Werk für €4.650,-- an, dafür kriegt man woanders ETA/Sellita-Großserie mit einem Bruchteil an Herstellungskosten. Warum machen wir das? Weil der Kunde nun mal vergleicht. Wie machen wir das, ein eigenes in kleinsten Stückzahlen produziertes Werk zum "Kampfpreis" anzubieten? Indem wir unseren Profit auf ein Minimum runterfahren. Warum macht man sowas? Weil man als kleine Marke überleben und seinen wenigen Mitarbeitern eine Zukunft bieten will. Und weil wir unseren Kunden jetzt bald 15 Jahre lang ein Versprechen gegeben haben: Wir kümmern uns um ihre Uhren, auch wenn die ETA das mal nicht mehr will!

Wäre es nicht klüger gewesen auf Sellita zu setzen? Möglich, aber es wäre wieder ein Monopolist gewesen. Mit der Erfahrung bez. ETA wäre immer ein Gedanke im Hinterkopf geblieben "was passiert wenn?" Sellita beliefert alle Grossen, als kleiner Hersteller wären wir da wieder nur 2. Wahl. Das sind wir bei unseren Teillieferanten aber nicht. Im Gegenteil: Die wissen zum Jahresanfang schon was wir im Laufe des Jahres an Teilen benötigen werden, sie haben Planungssicherheit. Das bekommen sie von keiner der grossen Gruppen.

Wie wird das Ganze ausgehen? ich hab' keine Ahnung! Rückblickend hätten wir die letzten Jahre auch noch 7750er am Graumarkt kaufen können. Aber wer weiß das im Voraus? Heute in genau einem Jahr (1.1.2020) ist die ETA die WEKO-Vereinbarung los. Was werden die dann machen? Wieder Werke liefern? Werke nur an die liefern die man mag (Breitling, IWC,....), d.h. weiter den unlauteren Wettbewerb befeuern ? (Meiner Meinung nach wär' die Sache was für's Kartellgericht!)

Wisst Ihr was? Ich pfeif' drauf! Die Idioten sollen machen was sie wollen, wir sind völlig unabhängig.

Aber wo bleibt nun der Mehrwert? Nun, es gibt uns noch..............
"Manufaktur" ist das Ticket für die ganz Kleinen überleben zu können!

Gruß
Richard

Ich finde Deine Art oft auch etwas ruppig. Aber unter diesen Aspekten betrachtet ist vieles auch nachvollziehbar. Ich versteh zwar die ETA Sicht (auch), aber die hätten das sicher differenzierter angehen können, wenn sie gewollt hätten.

Danke! :thumbsup:
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mrdata
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Re: Das Prestige des Manufakturkalibers

Beitrag von mrdata »

mezdis hat geschrieben: 01 Feb 2019, 15:34 Noch ein Wort zum Mehrwert: Die in den letzten Jahren extrem weiterentwickelten Werke, z.B. von Rolex oder Omega, bieten dem Kunden tatsächlich einen Mehrwert. Magnetismus, Isochronismus, Gangreserve, usw. - da wurde viel gemacht. Nicht zu vergessen die verlängerten Serviceintervalle und Garantiedauern.
Auch wenn wir die Zahlen wohl nie erhalten werden, so wäre es wirklich sehr interessant zu wissen, wie hoch der Prozentsatz an Service-Garantiefällen bei deinen Uhren im Vergleich zur "Massenware" ist. Denn das wäre eine Zahl, welche dem Kunden tatsächlich einen Mehrwert bringt. Ich habe die Vermutung, dass die Grosshersteller in dieser Sparte die Kleinstmanufakturen deutlich abhängen...
:D :thumbsup: kann aktuell nur für die Omega Werke sprechen aber die sind erste Sahne! Das wird sich bei Rolex u. Co sicherlich ähnlich verhalten. Servicepreise, Tickerpreise... :roll: wenn‘s nicht passt, dann lässt man es halt. Ich finde es schön, dass sich die Uhrenindustrie hier so eine Mühe macht. Vielfalt ist was schönes :wink:
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