Eine klassische "gute Schweizer Uhr": Girard-Perregaux 1966
Verfasst: 04 Mai 2019, 23:41
Liebe Uhrenfreunde,
es wird ja aktuell oft beklagt, dass man im Uhrenbereich im Moment eine Schere beobachten kann, die immer weiter aufgeht: Auf der einen Seite eine kleine Zahl von gehypten Modellen (Rolex Sport-Modelle, Patek Nautilus, AP Royal Oak), bei denen Interesse und Nachfrage offenbar kein Ende findet, trotz des inzwischen erreichten Preisniveaus, bei dem im Vergleich jede antike Tulpenzwiebel blass wird - und dann der große Rest. Der interessiert nicht mehr groß, nicht die Juweliere, nicht die Plattformen, nicht die Foren. Das ist etwas überspitzt formuliert, aber ganz falsch ist es leider nicht. Für den Preis einer dösigen Rolex GMT bekommt man z.B. einen goldenen Ewigen Kalender von IWC, zwei ikonische Fifty Fathoms von Blancpain oder fünf Chopard Dresswatches, mit einem der schönsten aktuell verfügbaren Mikrorotor-Werke. Der Markt macht den Preis und der hat sich inzwischen komplett entkoppelt von der Qualität oder Komplexität einer Uhr - wie sonst lässt sich erklären, dass man zum Preis einer gebrauchten PP Nautilus in Stahl einen goldenen ewigen Kalender aus dem gleichen Haus bekommt und noch einen ALS Datographen dazu (mit Glück in Platin) ...
Mir fällt es schwer diese Entwicklung für mich selbst einzuordnen: Manchmal überwiegt der Ärger über die inzwischen prohibitiven Preise oder die Nichtverfügbarkeit, gerade in Kombination mit der Erinnerung, wie man 20xx im Laden stand und die 5711 für XXk viel zu teuer fand (und ich bin schon so lange dabei, dass ich dieses Gefühl noch bei Preisen deutlich unter 20k erinnere ). Andererseits hat man ab und an mal ein Modell gekauft, dass plötzlich für den Hype entdeckt wurde und zwischenzeitlich seinen Wert vervielfacht hat (und man nicht nachvollziehen kann, warum). Und dann gibt es Momente, wo man mal diese "Investment-Blase" beiseite lässt und schaut, was denn der Ansturm links und rechts hat liegen lassen - oft zu erschreckend niedrigen Preisen, die sich bei vielen Marken auch maximal konstant halten.
Vor einiger Zeit war ich so auf der Suche nach einer klassischen "guten Schweizer Uhr". Folgendes Profil: Dreizeiger, zeitloses klassisches Design, mit Datum, nicht zu groß, möglichst flach, gerne aus Gold und ein vernünftiges Werk. Da geht man dann seine innere Datenbank durch:
- PP und VC haben sich aus diesem Segment preislich herausgeschossen und träumen von 25-30k Liste. Auch wenn das dann am Gebrauchtmarkt die Hälfte ist, dennoch deutlich zu viel.
- AP möchte an mich als Norddeutschen nicht mehr verkaufen, fällt also auch raus.
- Breguet? Etwas teuer und vor allem beim Design etwas zu barock.
- Blancpain? In der Villeret-Kollektion durchaus interessant (gerade bei den Werken), aber das Angebot ist dünn und so ganz mein Design war nicht dabei.
- Moser? Zu dick und zu groß, dafür habe ich schon ausreichend IWCs.
- Chopard? Interessante Modelle, aber meist eher mit kleiner Sekunde - vielleicht bei anderer Gelegenheit.
- JLC? Natürlich, wäre die klassische Wahl - da hatte ich schon diverse Master Control-Varianten. Sehr schöne Uhren, aber am Ende fehlt doch immer das gewisse Etwas. Zudem wären sie vermutlich zu nah an meiner Memovox und die gewinnt dann im Zweifel den Kampf ums Handgelenk.
- Zenith? Geht nur als Chrono.
- Piaget? Cool, aber schon zu flach, um alltagstauglich zu sein.
Was fehlt noch? Girard-Perregaux. Der Name lässt den Werterhalts-Freund erschaudern, quasi die Maurice Lacroix für Besserverdiener, die sich auch den verbrannten Euro-Scheinen die Hände wärmen wollen. Das Image der Marke ist relativ verheerend und man muss fairerweise sagen, dass sie daran durchaus mit viel Liebe zum Detail mitgearbeitet haben: Katastrophaler Service (gerade hier im Forum ja durchaus nicht unbekannt ), chaotische Markenpolitik, wilde Kollektionswechsel, sehr mutige Listenpreise, sehr traurige Konzis und Eigentumsverhältnisse, die noch sonderlich vertrauenserweckend waren. Nicht so doll also .
Völlig ohne Substanz ist die Marke allerdings nicht, auch wenn das 1791 etwas mit der Brechstange hingedengelt wurde. Denn es gibt ein paar Highlights, die man als Uhrenfreund schon im Hinterkopf hat - die drei goldenen Brücken, das erste Fast-Beat Automatik-Kaliber und natürlich die erste Schweizer Quarz-Uhr, mit der bis heute üblichen Frequenz von 32,768 Hertz. Und auch ein paar Modelle kennt man, die Laureato natürlich (im Original von Genta, aber meist vergessen, da sie zwar früh auf den Markt kam (1975), aber eben "nur" mit Quarz-Werk), die WW.TC Modelle und vielleicht eine Sea Hawk, wenn man ein Symmetrie-Hasser war.
Nun hat sich in den letzten Jahren ein wenig getan. Zum einen gab es nach dem Tod von Luigi Macaluso eine Veränderung der Eigentümerstruktur - inzwischen hat Kering (Gucci) die Mehrheit inne und versucht zusammen mit UN eine eigene Uhrengruppe zu etablieren. Auch wenn das noch Luft nach oben hat (und das Personal weiterhin schnell wechselt), geht der Laden nicht mehr so schnell pleite. Und dann fiel mir letztes jahr auf, dass Wempe inzwischen wieder ein GP-Konzi ist - zumindest hier im Norden ist damit der Service wohl einigermaßen gesichert.
Das wichtigste ist aber natürlich, gibt es denn auch passende Modelle? Da fällt der Blick auf die 1966 Kollektion, die seit gut 10 Jahren genau das angepeilte Segment abdeckt. Bei den Dreizeigern gab und gibt es da eigentlich alle Varianten: zwei Werke, Größen zwischen 38 und 42mm, verschiedene Metalle und Zifferblatt-Farben. Schnell in den Blick kam dabei die Variante in 38mm, silbernes Zifferblatt und Weißgold-Gehäuse. Dieses Modell wurde letztes Jahr eingestellt, aber die Variante in Rotgold gibt es weiterhin - in Stahl auch, diese Version dürfte auch am Ende der WG-Variante mitschuldig sein.
Infos zur Uhr finden sich hier: https://www.girard-perregaux.com/en/196 ... 2-131-bk6a
Die Uhr ist mit gut 8,5mm wirklich flach und mit den kurzen Hörnern auch an schlankeren Handgelenken sehr gut tragbar. Verbaut ist das Brot-und-Butter-Kaliber von GP, also GP 03300 mit 46h Gangreserve, Schnellschaltung, Sekundenstopp und einer schönen Finissage. Passt also.
Bleibt der Preis - und da wird es dann schwierig. Der letzte offizielle Listenpreis lag bei 16.300 Euro, was zwar vergleichbar zu den oben genannten Wettbewerbern von BP oder JLC ist, aber doch viel Geld. Zumal wenn die gleiche Uhr in Stahl (40mm) weniger als die Hälfte kostet (7.900 Euro), der Normalmensch da aber vermutlich keinen Unterschied am Arm sieht.
Doch dann kommen die anfangs beschriebenen Dynamiken zum Tragen, die den Verkäufer schmerzen, aber den Käufer freuen - die Preise für diese Uhren sind ins Bodenlose gefallen. Eine schöne gebraucht WG-Version kostet ungefähr so viel, wie die Stahlversion inkl. des GP-üblichen Graumarkt-Rabatts. Und dann kann es ja gerne auch Gold sein ...
Nach so viel Text bleibt die Frage: Wie sieht das gute Stück denn eigentlich aus - - Bilder gibt es gleich...
es wird ja aktuell oft beklagt, dass man im Uhrenbereich im Moment eine Schere beobachten kann, die immer weiter aufgeht: Auf der einen Seite eine kleine Zahl von gehypten Modellen (Rolex Sport-Modelle, Patek Nautilus, AP Royal Oak), bei denen Interesse und Nachfrage offenbar kein Ende findet, trotz des inzwischen erreichten Preisniveaus, bei dem im Vergleich jede antike Tulpenzwiebel blass wird - und dann der große Rest. Der interessiert nicht mehr groß, nicht die Juweliere, nicht die Plattformen, nicht die Foren. Das ist etwas überspitzt formuliert, aber ganz falsch ist es leider nicht. Für den Preis einer dösigen Rolex GMT bekommt man z.B. einen goldenen Ewigen Kalender von IWC, zwei ikonische Fifty Fathoms von Blancpain oder fünf Chopard Dresswatches, mit einem der schönsten aktuell verfügbaren Mikrorotor-Werke. Der Markt macht den Preis und der hat sich inzwischen komplett entkoppelt von der Qualität oder Komplexität einer Uhr - wie sonst lässt sich erklären, dass man zum Preis einer gebrauchten PP Nautilus in Stahl einen goldenen ewigen Kalender aus dem gleichen Haus bekommt und noch einen ALS Datographen dazu (mit Glück in Platin) ...
Mir fällt es schwer diese Entwicklung für mich selbst einzuordnen: Manchmal überwiegt der Ärger über die inzwischen prohibitiven Preise oder die Nichtverfügbarkeit, gerade in Kombination mit der Erinnerung, wie man 20xx im Laden stand und die 5711 für XXk viel zu teuer fand (und ich bin schon so lange dabei, dass ich dieses Gefühl noch bei Preisen deutlich unter 20k erinnere ). Andererseits hat man ab und an mal ein Modell gekauft, dass plötzlich für den Hype entdeckt wurde und zwischenzeitlich seinen Wert vervielfacht hat (und man nicht nachvollziehen kann, warum). Und dann gibt es Momente, wo man mal diese "Investment-Blase" beiseite lässt und schaut, was denn der Ansturm links und rechts hat liegen lassen - oft zu erschreckend niedrigen Preisen, die sich bei vielen Marken auch maximal konstant halten.
Vor einiger Zeit war ich so auf der Suche nach einer klassischen "guten Schweizer Uhr". Folgendes Profil: Dreizeiger, zeitloses klassisches Design, mit Datum, nicht zu groß, möglichst flach, gerne aus Gold und ein vernünftiges Werk. Da geht man dann seine innere Datenbank durch:
- PP und VC haben sich aus diesem Segment preislich herausgeschossen und träumen von 25-30k Liste. Auch wenn das dann am Gebrauchtmarkt die Hälfte ist, dennoch deutlich zu viel.
- AP möchte an mich als Norddeutschen nicht mehr verkaufen, fällt also auch raus.
- Breguet? Etwas teuer und vor allem beim Design etwas zu barock.
- Blancpain? In der Villeret-Kollektion durchaus interessant (gerade bei den Werken), aber das Angebot ist dünn und so ganz mein Design war nicht dabei.
- Moser? Zu dick und zu groß, dafür habe ich schon ausreichend IWCs.
- Chopard? Interessante Modelle, aber meist eher mit kleiner Sekunde - vielleicht bei anderer Gelegenheit.
- JLC? Natürlich, wäre die klassische Wahl - da hatte ich schon diverse Master Control-Varianten. Sehr schöne Uhren, aber am Ende fehlt doch immer das gewisse Etwas. Zudem wären sie vermutlich zu nah an meiner Memovox und die gewinnt dann im Zweifel den Kampf ums Handgelenk.
- Zenith? Geht nur als Chrono.
- Piaget? Cool, aber schon zu flach, um alltagstauglich zu sein.
Was fehlt noch? Girard-Perregaux. Der Name lässt den Werterhalts-Freund erschaudern, quasi die Maurice Lacroix für Besserverdiener, die sich auch den verbrannten Euro-Scheinen die Hände wärmen wollen. Das Image der Marke ist relativ verheerend und man muss fairerweise sagen, dass sie daran durchaus mit viel Liebe zum Detail mitgearbeitet haben: Katastrophaler Service (gerade hier im Forum ja durchaus nicht unbekannt ), chaotische Markenpolitik, wilde Kollektionswechsel, sehr mutige Listenpreise, sehr traurige Konzis und Eigentumsverhältnisse, die noch sonderlich vertrauenserweckend waren. Nicht so doll also .
Völlig ohne Substanz ist die Marke allerdings nicht, auch wenn das 1791 etwas mit der Brechstange hingedengelt wurde. Denn es gibt ein paar Highlights, die man als Uhrenfreund schon im Hinterkopf hat - die drei goldenen Brücken, das erste Fast-Beat Automatik-Kaliber und natürlich die erste Schweizer Quarz-Uhr, mit der bis heute üblichen Frequenz von 32,768 Hertz. Und auch ein paar Modelle kennt man, die Laureato natürlich (im Original von Genta, aber meist vergessen, da sie zwar früh auf den Markt kam (1975), aber eben "nur" mit Quarz-Werk), die WW.TC Modelle und vielleicht eine Sea Hawk, wenn man ein Symmetrie-Hasser war.
Nun hat sich in den letzten Jahren ein wenig getan. Zum einen gab es nach dem Tod von Luigi Macaluso eine Veränderung der Eigentümerstruktur - inzwischen hat Kering (Gucci) die Mehrheit inne und versucht zusammen mit UN eine eigene Uhrengruppe zu etablieren. Auch wenn das noch Luft nach oben hat (und das Personal weiterhin schnell wechselt), geht der Laden nicht mehr so schnell pleite. Und dann fiel mir letztes jahr auf, dass Wempe inzwischen wieder ein GP-Konzi ist - zumindest hier im Norden ist damit der Service wohl einigermaßen gesichert.
Das wichtigste ist aber natürlich, gibt es denn auch passende Modelle? Da fällt der Blick auf die 1966 Kollektion, die seit gut 10 Jahren genau das angepeilte Segment abdeckt. Bei den Dreizeigern gab und gibt es da eigentlich alle Varianten: zwei Werke, Größen zwischen 38 und 42mm, verschiedene Metalle und Zifferblatt-Farben. Schnell in den Blick kam dabei die Variante in 38mm, silbernes Zifferblatt und Weißgold-Gehäuse. Dieses Modell wurde letztes Jahr eingestellt, aber die Variante in Rotgold gibt es weiterhin - in Stahl auch, diese Version dürfte auch am Ende der WG-Variante mitschuldig sein.
Infos zur Uhr finden sich hier: https://www.girard-perregaux.com/en/196 ... 2-131-bk6a
Die Uhr ist mit gut 8,5mm wirklich flach und mit den kurzen Hörnern auch an schlankeren Handgelenken sehr gut tragbar. Verbaut ist das Brot-und-Butter-Kaliber von GP, also GP 03300 mit 46h Gangreserve, Schnellschaltung, Sekundenstopp und einer schönen Finissage. Passt also.
Bleibt der Preis - und da wird es dann schwierig. Der letzte offizielle Listenpreis lag bei 16.300 Euro, was zwar vergleichbar zu den oben genannten Wettbewerbern von BP oder JLC ist, aber doch viel Geld. Zumal wenn die gleiche Uhr in Stahl (40mm) weniger als die Hälfte kostet (7.900 Euro), der Normalmensch da aber vermutlich keinen Unterschied am Arm sieht.
Doch dann kommen die anfangs beschriebenen Dynamiken zum Tragen, die den Verkäufer schmerzen, aber den Käufer freuen - die Preise für diese Uhren sind ins Bodenlose gefallen. Eine schöne gebraucht WG-Version kostet ungefähr so viel, wie die Stahlversion inkl. des GP-üblichen Graumarkt-Rabatts. Und dann kann es ja gerne auch Gold sein ...
Nach so viel Text bleibt die Frage: Wie sieht das gute Stück denn eigentlich aus - - Bilder gibt es gleich...