Heinrich hat geschrieben:Ralf hat geschrieben:... sondern mehr eine Rechteckfunktion, bei der nur die Flanken nicht unendlich steil sind. ...
... erkennt man aber an dem Pulsieren des Sekundenzeigers dass die kinetische Energie nicht schlagartig durch einen elastischen Stoß vom Hemmungsrad auf die beiden gekoppelte Drehpendel übertragen wird, sondern der Stoß quasi von der Aufzugsfeder abgefangen wird. Die Geschwindigkeit der Drehpendel ändert daher offensichtlich
nicht schlagartig das Vorzeichen, sondern nimmt einen uns unbekannten periodischen Verlauf. ...
So habe ich es ja auch geschrieben. Eine "echte" Rechteckfunktion würde unendlich hohe Kräfte zur Folge haben. Dass die Flanken etwas verschliffen sind, sein müssen ist klar. Nur ist die Aufzugsfeder nicht die einzige Feder im System. Jedes Teil von dem Schwingbalken bis zur Feder hat ein gewisse Elastizität und ein gewissen Masse. Es sind viele in Reihe geschaltet "Federelemente". Wir sind eigentlich nur in einem Punkt unterschiedlich. Du beschreibst es, als ob 100% der Federwirkung aus der Aufzugsfeder kommen. Ich vertrete die Ansicht, dass es die Gesamtelastizität aller Komponenten der Übersetzung bis einschliesslich der Antriebsfeder ist.
Was man am Sekundenzeiger sieht ist, dass es sich um eine
Ralf hat geschrieben:... Nennt sich rückführende Hemmung, im Gegensatz zur heute üblichen freien Hemmung ...
ist.
Der Sekundenzeiger ist nun relativ nah an der Hemmung. Mit jedem Teil in dem Kraftfluss Richtung Antriebsfeder wird die Bewegung um die Verformung des jeweiligen Teils weniger. Wie viel da am Federhaus überhaupt noch ankommt kann ich nur grob schätzen, aber es wird IMHO verdammt wenig bis fast nichts sein. Heb mal bei einer Pendeluhr das Gewicht an. Dann spürst du, wie viel Elastizität in so einem Räderwerk steckt. Darüber hinaus wird das ganze System ja nicht statisch gedrückt, dann würde jedes Teil einen Verformung umgekehrt proportional zu seiner Federkonstante machen. Sondern dynamisch, es wirkt also auch die Massenträgheit aller Teile der Bewegung entgegen. Deswegen werden sich die Teile nah der Hemmung mehr verbiegen als die weiter Weg.
Das ist der Versuch mit dem Holzklotz und den zwei Bindfäden. Man hängt eine schweren Holzklotz an einem Bindfaden auf. An den Holzklotz wiederum unten ein identischen Bindfaden. Zieht man schön langsam an dem unteren Bindfaden, quasi statisch, dann reisst der obere Bindfaden, weil er Zug und Gewicht des Holzklotzes tragen muss. Zieht man schnell und heftig am unteren Bindfaden, dann reisst es unten ab, weil die zum Beschleunigen der Masse notwendige Kraft im oberen Bindfaden nicht vorhanden ist.
Nicht nur die Flanken der Funktion werden vom idealen Rechteck abweichen. In der Umkehrung wird sicher Energie verloren gehen, die Geschwindigkeit wird danach ein wenig kleiner sein als vorher. Den Verlust muss die Antriebsfeder ausgleichen, genau dafür ist sie ja da. Sie wird also das System bis zum nächsten Umkehrschwung wieder soweit beschleunigen, das der Verlust ausgeglichen wird. Der Verlauf zwischen den Flanken wird also ein bisschen ein Sägezahn sein.
Übertrieben dargestellt sieht die Geschwindigkeit über Zeit irgendwie - so ähnlich - aus, quick 'n dirty gezeichnet:
Umkehrschwung | Gerade | Umkehrschwung | Gerade | Umkehrschwung | Gerade | ...
Weg über Zeit mehr wie eine Drecksfunktion mit verrundeten Spitzen aussehen als Sinusartig. Keine harmonische Schwingung.
In dem PDF auf Seite 1693, Figure 6 unten sieht man die Energie im System. Der Umkehrschwung ist die schlagartige Abnahme der Energie, danach die lineare Zunahme durch die konstante Beschleunigung durch die Aufzugsfeder. Ankerhemmung als freie Hemmung ist andersrum: eine fast konstante, aber niedrige Abnahme und kürzere, dafür steilere Anstiege durch den Impuls.
Ich stecke gerade beruflich in einem Systemreview mit dem TÜV zwecks Entwicklung eins SIL 2 tauglichen Geräts, ging bis 9:00 abends und morgen die nächste Runde. Deswegen habe ich nicht die Zeit, das ganze PDF durchzuarbeiten.
P.S.
Heinrich hat geschrieben:
Dagegen spricht auch, dass die Waaghemmung nur dann mit einer festen Frequenz wedelt, wenn das Antriebsmoment des Hemmungrades konstant ist. Bei Uhren mit Gewichtsantrieb ist das ja kein großes Problem. Aber bei Uhren mit Federkraftantrieb funktioniert das ganze nur, wenn das Antriebsmoment über die gesamte Gangdauer mittels eines genau kalibriertes Kette-Schnecke-System konstant gehalten wird. ...
Genau das gilt ja für die Grasshopper Hemmung auch. Die Uhren von Harrison mit Grasshopper Hemmung hatten deswegen einen Remontoire!