Präzisionspendeluhren

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Don Tomaso
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Don Tomaso »

walter hat geschrieben:...4-Jahresläufer = Jahresläufer * 4 ??? Oder steigt das sogar exponentiell :?:
Eher letzteres. Ist eigentlich immer so, wenn man sich ans Limit bewegt.
Gruss

Thomas

Regional Engineer for Destructive Operations
r.as.
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von r.as. »

Heute sind zwei wunderschöne Kataloge von Mathias Naeschke angekommen, in einem sind ausführlichere technische Angaben zu den Werken zu finden. Die NL500 ("Eine noch nie verwirklichte Herausforderung...") wird diesbezüglich auf eineinhalb Seiten einspaltig beschrieben.
Ein Zitat zum Antrieb:"Angetrieben wird das Uhrwerk von 2 an Kohlefaserseilen hängenden 10kg schweren Bleigewichten im 15-eckigen Messingmantel. Eine Umlenkrolle wurde auf den Gewichten fest montiert."
Dies z.B. vermittelt u.a. einem ein Gefühl dafür, welche Kräfte es hier gilt, bis zum Gangrad aufzubrechen.

Rolf
Seeschiffer
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Seeschiffer »

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Dies ist eine PPU, Sekundenpendel Uhr! Gute 35 cm hoch, ca. 19 Kg schwer, Federkraft-Antrieb. Werk vergoldet. Sie ist ein Nachbau der H1 von John Harrison (1693-1776) gelernter Zimmermann, von Dent. Die engl. Firma Dent ist eine Feinuhrmacher-Dynastie seit gut 200 Jahren, vergleichbar mit Lange & Söhne, nur älter, die wohl heute noch existiert. Ich denke die Uhr ist Mitte der fünfziger Jahre in sehr kleiner Stückzahl gebaut worden. Jedenfalls ist mir noch nicht wieder eine begegnet. Bekommen habe ich die Uhr, Anfang der achtziger Jahre in Inverness Schottland von einem Lord. Die Uhr hat eine Grasshopperhemmung, eine Erfindung von Harrison, die sieht mit ihren zwei gegeneinander schwingenden Pendeln, unglaublich trivial aus, hat es aber in sich und konnte sich nicht durchsetzen.
Warum: Harrison wollte einen Schiffschronometer bauen, das die Gangwerte einer Sekundenpendeluhr erreichte, die lagen damals schon bei von ihm gebauten, bei ca. 5-10 Sekunden im Monat. Nun kann jeder nachvollziehen, dass so eine Uhr, die Bewegungen eines Schiffes nicht liebt, sie würde schlicht nicht laufen. Er mußte also eine Sekundenpendeluhr konstruieren, die die Schiffsbewegungen toleriert. Gewichtsantrieb war damit ausgeschlossen. Eine unglaubliche Herausforderung. Die Schiffe waren damals um 40 bis max. 50 m lang, als Seemann weiß ich, was diese Schiffe für Bewegungen in der Biskaya machen, die fahren die Wellenberge hoch und wieder runter, Lustschiffer können das sicherlich mit ihren Yachten nachvollziehen. Harrison hat mit der H1 eine Seereise 2 mal durch die Biskaya bei heftiger Seekrankheit gemacht, mit erstaunlichen Gangergebnissen der H1.
Jetzt erst mal Gedöns, die die Sache etwas erklärt. Ein ungewöhnlicher Lehrbeauftragter, Herr Prof. J. Kenderesi (Ungar +1985) pflegte zu Beginn jeder Vorlesung zu Sagen: „Meine Herren, die gesamte Mechanik, der gesamte Maschinen-, Stahlschiffbau und die Navigation sowie die damit zusammen hängende Physik, Mathematik und Chemie beruht fast alles auf den Erkenntnissen der Engländer, vergessen sie aber nie, die Engländer denken von links vorne nach rechts hinten“, dabei hob er den linken Arm, zeigte an die linke Stirn und drehte sie dann nach rechts hinten zum Ohr. Anders kann das im Kopf von Harrison nicht funktioniert haben. Denn, ich habe die Uhr von Inverness auf dringendes Anraten des Lords, laufend, im Auto, nach D gebracht. Die Fahrt (es gab noch keinen Tunnel) überstand sie mit erstaunlicher Ganggenauigkeit. Monate später blieb sie stehen, ich bekam sie nicht wieder zum laufen. 2 Uhrmacher gaben sie mir nach je ca. 4 Wochen völlig frustriert zurück. Sie stand dann jahrelang als Schaustück auf meinem Schreibtisch. Ein genialer Turmuhrmacher in der Nähe von Parchim hat sie nach eigener Aussage nach 2 Flaschen Wodka im volltrunkenem Zustand zum laufen gebracht. Der jetzige Gang ist sehr bescheiden, bei um die 2 min. in der Woche. Egal was ich an Einstellung probiere, es passiert immer das Gegenteil, von dem was ich will. Ich muß die Uhr nach England bringen um vernünftige Ergebnisse zu bekommen.
Natürlich habe ich mir das Original in Greenwich angesehen. Der Museumsmensch erzählte mir, die läuft mit einem Gang von ca. 3-5 Sekunden im Monat. Der Restaurator hat für die wieder Inbetriebnahme (die Uhr stand über 250 Jahre im Keller) gute 8 Jahre gebraucht. Angeblich soll I. Newton eine mathematische und mechanische Erklärung als nicht machbar abgelehnt haben. Naja, immerhin hat es dann die H4 als Voraussetzung geschafft, das Britische Empire mit zu begründen und über 250 Jahre zu erhalten. John Harrison hat also Weltgeschichte nicht geschrieben, sondern mit seinen Uhren gemacht (Theorie versus Praxis, ich halte es für ausgeschlossen, das Harrison, die H1 vor dem Bau konstruktiv berechnet hat). Die H1 hat mich PPU süchtig gemacht.
JMK
Ps. Dazu unbedingt den fantastisch fundierten und recherchierten FAQ Bericht des Herrn Ralf „Wie genau war John Harrisons H4“ mit der Literatur-Angabe (das gibt es jetzt auch in Deutsch) lesen und sich das Buch besorgen, es lohnt sich.
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Niklaus
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Niklaus »

Freue mich über diese und hoffentlich noch viele Fortsetzungen!
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Heinrich
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Heinrich »

Seeschiffer hat geschrieben:Dies ist eine PPU, Sekundenpendel Uhr! Gute 35 cm hoch, ca. 19 Kg schwer, Federkraft-Antrieb. Werk vergoldet. Sie ist ein Nachbau der H1 von John Harrison (1693-1776) gelernter Zimmermann, von Dent. Die engl. Firma Dent ist eine Feinuhrmacher-Dynastie seit gut 200 Jahren, vergleichbar mit Lange & Söhne, nur älter, die wohl heute noch existiert. Ich denke die Uhr ist Mitte der fünfziger Jahre in sehr kleiner Stückzahl gebaut worden. Jedenfalls ist mir noch nicht wieder eine begegnet. Bekommen habe ich die Uhr, Anfang der achtziger Jahre in Inverness Schottland von einem Lord. Die Uhr hat eine Grasshopperhemmung, eine Erfindung von Harrison, die sieht mit ihren zwei gegeneinander schwingenden Pendeln, unglaublich trivial aus, hat es aber in sich und konnte sich nicht durchsetzen.
Danke für den interessanten Beitrag. Eine Sekundenpendeluhr hat allerdings wie der Name schon sagt in der Regel ein Schwerkraftpendel. Uhren mit Schwerkraftpendel sind aber nicht seetüchtig. Die H1 von Harrison hatte daher einen Feder-Masse-Schwinger als Taktgeber. Die beiden Stangen mit den Kugeln stellen kein Pendel dar, sondern sind mit einer Unruhe zu vergleichen. Die Feder, die mit der Spirale zu vergleichen ist, sollte sich auf der Rückseite der Uhr befinden. Könntest du bitte auch ein Foto von der Rückseite einstellen. Das würde mich mal sehr interessieren.

Heinrich
Seeschiffer
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Seeschiffer »

Heinrich hat geschrieben:Eine Sekundenpendeluhr hat allerdings wie der Name schon sagt in der Regel ein Schwerkraftpendel. Uhren mit Schwerkraftpendel sind aber nicht seetüchtig. Die H1 von Harrison hatte daher einen Feder-Masse-Schwinger als Taktgeber. Die beiden Stangen mit den Kugeln stellen kein Pendel dar, sondern sind mit einer Unruhe zu vergleichen. Die Feder, die mit der Spirale zu vergleichen ist, sollte sich auf der Rückseite der Uhr befinden. Könntest du bitte auch ein Foto von der Rückseite einstellen. Das würde mich mal sehr interessieren.

Heinrich
Hallo
Herr Heinrich. Auch hier wieder, theoretisch haben Sie recht. Das Verblüffende an dieser Uhr ist aber, sie hat außer der Antriebsfeder im Federhaus keinerlei weitere Federn. Sie hat keinen Feder-Masse-Schwinger als Taktgeber, dann wäe die Sache auch leicht verständlich. Die beiden Stangen mit Kugeln sind Pendel, die gegeneinander im Sekundentakt pendeln. Auf der Rückseite gibt es nochmals zwei kleine Pendel die wiederum mit den vorderen verbunden sind aber gegensätzlich schwingen, die sind miteinander mit einer feingliedrigen Kette (keine Feder) verbunden. An diesen 2 kleinen, ich nenne sie Konterpendel, ist jeweils eine Reglageeinrichtung, was die bewirkt hat sich mir nicht erschlossen, auf den Gang hat sie jedenfalls keinen Einfluß. Ich werde von der Rückseite Fotos machen und hier einstellen, ich muß noch ein paar Vorbereitungen treffen, weil ich jetzt zwei mal gehackt worden bin (mit Datenverlust).
JMK

Edit Modi: Zitat repariert
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Heinrich
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Heinrich »

Seeschiffer hat geschrieben: Hallo Herr Heinrich. Auch hier wieder, theoretisch haben Sie recht. Das Verblüffende an dieser Uhr ist aber, sie hat außer der Antriebsfeder im Federhaus keinerlei weitere Federn. Sie hat keinen Feder-Masse-Schwinger als Taktgeber, dann wäe die Sache auch leicht verständlich.
Also ich sehe das etwas anders. Ich habe auf Youtube ein Video von einer sehr ähnlichen Uhr gefunden. Die Paletten, die in das Hemmungsrad eingreifen, sind an den beiden gekoppelten Pendeln federnd gelagert. Für mich ist das ein Feder-Masse-Schwinger. Ich lerne aber gerne noch hinzu. Vielleicht kann ja der Herr Ralf dazu was sagen. :wink:

Hier im Forum reden sich alle mit 'Du' an. Das ist nicht unbedingt ein Ausdruck von persönlicher Nähe, aber es setzt die Kommunikation auf ein etwas weniger förmliches Niveau. :)

Viele Grüße aus dem Rheinland
Heinrich
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Ralf
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Ralf »

Eigentlich ist es weder noch. Es wird keine harmonische Schwingung erzeugt. Harmonische Schwingung bedeutet, dass Amplitude, Schnelle und Beschleunigung Sinusfunktionen sind. Entsteht dann, wenn die rückstellende Kraft proportional zur Auslenkung ist.

Das Ding funktioniert mehr wie ein Tischtennisspiel. Der Ball wird hin und her gespielt und an den Enden durch die Schläger zurück geworfen. Die Verluste werden durch den angreifenden Spieler beim Schlagen ausgeglichen. Bei der Grasshopper Hemmung sind es die kleinen Federn in der Hemmung, die die Bewegung der Masse sozusagen reflektieren.

Während bei der Ankerhemmung zum Ausgleich der Verluste nur während des Impulses, also eines Teils des Hebungswinkels Energie zugeführt wird, ist bei der Grashopper Hemmung die Verbindung zum Antrieb ständig vorhanden. Nennt sich rückführende Hemmung, im Gegensatz zur heute üblichen freien Hemmung. Dazwischen gibts noch die Gruppe der ruhenden Hemmungen.

Mir ist kein "korrekter" Name für das physikalische Prinzip bekannt. Es ist weder das übliche Feder-Masse-System, weil die Federkraft nicht proportional zur Auslenkung wirkt. Es ist auch nicht Pendel, weil die Energie im Schwingkreis nicht zwischen kinetischer und potentieller Energie ausgetauscht wird. Da der Energieaustausch zwischen der kinetischer Energie und dem elastischen Stoss am Ende der Bewegung stattfindet ist es näher am Feder-Masse-System angesiedelt als am physikalischen Pendel. Unabhängig davon wird das bewegte Bauteil mit der Stange und zwei Massen als Pendel bezeichnet. Der IMHO sinnvollste Ausweg wäre wohl, sie einfach als Grasshopper Uhr zu bezeichnen.
Man liest sich!

Ralf
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Paulchen
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Paulchen »

Ralf hat geschrieben: Der IMHO sinnvollste Ausweg wäre wohl, sie einfach als Grasshopper Uhr zu bezeichnen.
Bild

Quelle

Passt das?
H-P
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Ralf
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Ralf »

Im Prinzip ja. Aber bei Harrissons H1 sind der braune und der türkisfarbene Hebel nicht an einem einzigen Pendel befestigt, sondern jeweils an eigenen Pendeln.

Siehe http://www.youtube.com/watch?v=lNlCNMDswYE. Da ist auch die rückführende Bewegung deutlicher zu sehen.
Man liest sich!

Ralf
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Paulchen
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Paulchen »

Danke und hier in echt
http://www.youtube.com/watch?v=5X6zMn9fkzQ
Ist schon verdamt viel los.
H-P
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Heinrich
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Heinrich »

Ralf hat geschrieben:Eigentlich ist es weder noch. Es wird keine harmonische Schwingung erzeugt. Harmonische Schwingung bedeutet, dass Amplitude, Schnelle und Beschleunigung Sinusfunktionen sind. Entsteht dann, wenn die rückstellende Kraft proportional zur Auslenkung ist.

Das Ding funktioniert mehr wie ein Tischtennisspiel. Der Ball wird hin und her gespielt und an den Enden durch die Schläger zurück geworfen. Die Verluste werden durch den angreifenden Spieler beim Schlagen ausgeglichen. Bei der Grasshopper Hemmung sind es die kleinen Federn in der Hemmung, die die Bewegung der Masse sozusagen reflektieren.

Während bei der Ankerhemmung zum Ausgleich der Verluste nur während des Impulses, also eines Teils des Hebungswinkels Energie zugeführt wird, ist bei der Grashopper Hemmung die Verbindung zum Antrieb ständig vorhanden. Nennt sich rückführende Hemmung, im Gegensatz zur heute üblichen freien Hemmung. Dazwischen gibts noch die Gruppe der ruhenden Hemmungen.

Mir ist kein "korrekter" Name für das physikalische Prinzip bekannt. Es ist weder das übliche Feder-Masse-System, weil die Federkraft nicht proportional zur Auslenkung wirkt. Es ist auch nicht Pendel, weil die Energie im Schwingkreis nicht zwischen kinetischer und potentieller Energie ausgetauscht wird. Da der Energieaustausch zwischen der kinetischer Energie und dem elastischen Stoss am Ende der Bewegung stattfindet ist es näher am Feder-Masse-System angesiedelt als am physikalischen Pendel. Unabhängig davon wird das bewegte Bauteil mit der Stange und zwei Massen als Pendel bezeichnet. Der IMHO sinnvollste Ausweg wäre wohl, sie einfach als Grasshopper Uhr zu bezeichnen.
Also ich habe mir das Video noch mal genauer angesehen (siehe Link von Paulchen). Meiner Ansicht nach wird schon Energie zwischen kinetischer Energie und potentieller Engergie ausgetauscht. Der Energiespeicher wird aber nicht wie ich zuerst vermutet habe von den kleinen Federn an den Paletten gebildet, sondern von der Aufzugsfeder selber. Das Hemmungsrad wird sowohl zurückgeführt, wenn sich die Kugeln an den Pendelstäben oben fast treffen als auch wenn sie sich unten fast treffen. Die kinetischen Energie der beiden Pendel wird so in die Aufzugsfeder zurückgespeist bis die Pendel wieder stillstehen. Dann beginnt das Spiel von neuem.

Das Prinzip scheint mir der ebenfalls rückführenden mittelalterlichen Waaghemmung recht ähnlich zu sein, bei der ein ständiger Austauch zwischen der kinetischen Energie der Waage und der potentiellen Energie des Gewichtsteins stattfindet.

Heinrich
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walter
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von walter »

Paulchen hat geschrieben:Danke und hier in echt
http://www.youtube.com/watch?v=5X6zMn9fkzQ
Ist schon verdamt viel los.
Ein sehr interessantes Video :D .
Aber ist das nicht wahnsinnig ineffizient und Materialschädlich?
Bewegte Massen, Eingriffe ins Räderwerk, Hebelwege etc. Ich vergleich das mal mit einer Atmos mit ihrem Drehpendel.
Selbst meine Kieninger Wanduhr bewegt da m.E. deutlich weniger .

Walter

Mein Indischer Schachmeister sagte: Am Ende kommen Bauer und König in die selbe Kiste
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Ralf
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Ralf »

Wenn das System unendlich steif wäre hättest Du sicher recht. Wie viel von der Reflexion der Bewegungsrichtung an den Enden nun in der Realität durch kinetische Energie und wie viel durch elastische Verformung bewirkt wird kann ich Dir nicht sagen. Mein Gefühl sagt mir aber, dass der elastische Anteil weit überwiegt. Ich hatte vorhin ein Buch zur Spindelhemmung rausgeholt. Eigentlich wegen dem Begriff Pendel, mir war noch eingefallen, dort wird das "Ding???" nämlich als Waag, z.B. Löffelwaag, oder als Schwingbalken bezeichnet, gar nicht als Pendel. Auch in diesem Buch von Walter Spiegl wird nur auf den elastischen Anteil eingegangen, besonders darauf, das der zuerst nur von den kleinen Federn an den Paletten unterstützt wurde, später dann, er benennt als den Zeitpunkt "ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts", von einer Feder, die direkt an der Spindelwelle angreift.

Irgendwo muss die Energie ja gespeichert werden, sonst würde die Bewegung nicht umkehren können, mit einem plastischen Stoss würde sie einfach sehr schnell stehen bleiben. Nur die Bewegung ist halt kein Sinus, sondern mehr eine Rechteckfunktion, bei der nur die Flanken nicht unendlich steil sind. Das kann nicht das Kriterium sein, ob es ein Pendel ist oder nicht. Allein schon deswegen nicht, weil die von der H1 inspirierte, gezeigte Uhr vom Seeschiffer ein Federhaus als Antrieb hat und kein Gewicht, also gar nichts mit potentieller Energie.

Ich möchte sie nicht als >H1-Nachbau< bezeichnen, das beschränke ich für meinen Geschmack auf die Exemplare, die so aussehen:

Bild

also auch eine ähnliche proportionierte Tiefe aufweisen wie die H1. Bild des Nachbaus von Sinclair Harding, Massstab 2/3 und Messing anstatt Holz. © clockmakers.com

Man sieht bei der Bildgrösse gut die "helfenden Federn" oben, damit der Stoss zur Umkehr nicht ganz so hart, also die Flanke des Rechtecks nicht so steil wird. Passt also auch zeitlich mit 1720 bis 1728 zur Erklärung von Spiegl.

Ich hab auf der Basler Messe noch nie so lange vor einer einzigen Uhr gestanden und zugesehen wie vor dieser Sinclair Harding :shock: 8) :!: , aber der Preis :cry: :cry: :cry: ...
Man liest sich!

Ralf
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Re: Präzisionspendeluhren

Beitrag von Ralf »

walter hat geschrieben:... Aber ist das nicht wahnsinnig ineffizient und materialschädlich? ...
Dafür ist die Zuführung der Energie sehr effektiv. Bei der Ankerhemmung geht an der Reibung zwischen Palette und Ankerrad beim Impuls sehr viel verloren. Hier ist es ein Formschluss ohne Reibung, bzw. nur das Wenige in der Lagerung der Haken am Schwingbalken. Das mit den Federn, um das Material zu schonen, hatte ich oben ja schon gesagt.
Man liest sich!

Ralf
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