Tictacitus hat geschrieben: ↑30 Okt 2020, 02:42
Also bei Bach und Händel kenne ich mich nicht genügend aus. Ich würde aber die Art der Niederschrift eines Musikstücks nicht direkt in Verbindung zu seiner Zeit sehen, sondern erstmal in Verbindung zur Persönlichkeit des Schreibers. Der Barock selbst ist allerdings ein wunderbares Beispiel von Dekadenz fast im guten Sinne, denn er ist auch Ausdruck von Lebensfreude und Auflehnung (und nur möglich geworden durch Ausbeutung und zunehmende Globalisierung). (...)
Rolex in seiner Stahlversion halte ich prinzipiell für das Gegenteil von dekadent. Sie bieten uhrmacherische Finessen und Originalität, für die man anderswo mehr zahlen muss, wenn man es überhaupt so bekommt. Dabei wird der Hauptzweck einer Uhr (Zeit messen und anzeigen, und zwar verlässlich) immer weiter verbessert. Auch der industrielle Ansatz entspricht dem des Bauhaus, wobei das Bauhaus sein Anliegen der Demokratisierung von hochwertigen Alltagsgegenständen nicht erfüllt hat (konnte). Die Objekte, die sie entworfen haben, waren im Prinzip nur in Handarbeit herzustellen und sehr teuer. Bei Rolex hingegen klappt das ganz gut. Für circa 2-3 Durchschnittsgehälter bekommt man eine der technisch besten Uhren auf dem Weltmarkt, die sehr guten Dienst leistet und einen unglaublichen Werterhalt für einen Gegenstand des täglichen Gebrauchs aus der Massenfertigung hat. (...)
Oh, Mann. Es ist fast drei Uhr nachts. Ich muss mal ins Bett. (...)
Vielen Dank, Till, für die überzeugenden Nachtgedanken!
Ich teile deine Einschätzung, dass Dekadenz eine positive
Seite hat, da Umbruchsphasen wie die Ars Nova, der Spätbarock oder das Fin de siècle die Künste stets bereichert haben.
(Nebenbei: Ohne den Verzierungsreichtum in den Werken des „alten“ Bach würden wir womöglich gar nicht begreifen, was seinen Zeitgenossen daran auf die Nerven ging und weshalb „barock“ ursprünglich pejorativ gemeint war.)
Auch bei Uhren ist es doch oft das detailversessen und liebevoll gestaltete Überflüssige – wie Goldchatons, Schwanenhals, Tourbillon oder Minutenrepetition –, das für uns den Reiz und subjektiven Wert erhöht.
Dass der „Dekadenzfaktor“ bei Stahluhren von Rolex vor allem dem Träger (Besitzer) zu „verdanken“ ist, wurde ja bereits gestern von Heinz-Jürgen angemerkt.

Dass diese Uhren hochwertig (maschinell) produziert und verarbeitet und somit jeden Cent wert sind, wie du zu recht schreibst, wird in Anbetracht einer Außenwirkung, der man sich kaum entziehen kann, hingegen gerne vergessen.
(Zwischenfrage: Wie viele Stunden wird es wohl dauern, bis Hertie vehement widerspricht?

)
Zurück zu NOMOS: Die „Tangente Sport Datum“ meiner Frau ist eine der stimmigsten und schönsten Uhren, die ich kenne. Und obwohl ich ihr nicht ausreden kann, sie wenigstens bei der Gartenarbeit abzulegen

, verrichtet das schnöde Peseux 7001 seinen Dienst wie am ersten Tag.
Vermutlich hat sie einfach einen überdurchschnittlich hohen Dekadenzquotienten ...
