30 Jahre ohne Revision? Kann das sein?

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Ralf
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Beitrag von Ralf »

Leute, es ist Sonntag. ich hab gerade etws Zeit, es läuft hier gerade gerade >The Color Of Memory< von The Vandermark 5, das ist moderner Chicago Jazz, und ich mach jetzt eine etwas längere gedankliche Reise, wer will, kann ja mitkommen. Um die Frage nach >Wann sollte man die Uhr zur Revision bingen?< zu beantworten muss man meiner Überzeugung nach etwas über den Tellerrrand hinausschauen. Die Antwort liegt nicht in der Uhr, nicht in der Technik und auch nicht in Berechnungen oder Statistiken. Der absolut entscheidende Punkt liegt im Kopf des Trägers.

Menschen sind unterschiedlich, und das ist gut so. Es gibt Risikosucher und es gibt Sicherheitssucher. Das ist kein Zufall, sondern die beste Lösung, für jede Gesellschaft, die überleben und vorankommen will. Optimal ist eine Mischung mit einem Grossteil Sicherheitssuchern und einigen Risikosuchern. Und genau so hat es wer auch immer, Evolution oder Gott oder ... , bei den Menschen eingerichtet.

Und jetzt reden wir über Uhren. Wenn man das als Hobby wählt, dann soll es einem doch Spass machen, Entspannung bringen und ein Wohlfühlgefühl geben. Stress gibt es schlieslich anderswo und unvermeidlich genug. Bedrückt mich das Risiko eines grösseren Schadens an der Uhr nicht, fühle mich mit dem Risko wohl, dann ist doch alles in Ordnung. Stört mich das aber, muss ich dran denken, wenn ich sie ansehe und der Gedanke lässt mich nicht los, dann ist doch das Geld für die Revision gut angelegt. Einmal gebe ich Y Euro regelmässig alle X Jahre aus, das andere Mal Z Euro , wenn es halt so weit ist. Wenn für jemanden die Differenz zwischen Y mal X und Z essentiell ist, dann muss doch eine ganz andere Frage gestelt werden: War es dann nicht falsch, sich die Uhr überhaupt zu kaufen? Über 99,99% aller Menschen wird immer in der Lage sein, sich nicht alles leisten zu können, was sie gerne hätten. Soll man sich davon das Hobby vermiesen lassen? Dann doch besser das Hobby eine oder zwei Klassen niedriger ansetzen und ohne Sorgen. Mit einer Seiko 5, einem Flohmarktfund oder was auch immer.

Wenn ich mich persönlich entscheiden muss, dann spielt nätürlich die Riskofragen schon auch irgendwo mit der Technik zusammen. Die konkrete Frage ist nämlich, was für ein Risiko gehe ich den überhaupt ein, wenn ich sie doch oder nicht zur Revision gebe? Habe ich in der Uhr ein aktuelles industrielles Massenkaliber, dann ist der Worst Case Fall sehr überschaubar und nicht wirklich eine andere Grössenordnung wie die Revision. Bei einem Manufakturkaliber mit Komplikation von einer Firma, die satte Ersatzteilpreise fordert, sieht das schon ganz anders aus. Bei einem Vintage-Schätzchen, bei dem die Ersatzteillager schon leer sind ist es noch mal was anderes. Das kann man mit einbeziehen und dann individuell für die jeweilige Uhr so oder so entscheiden. Aber trotzdem bleibt die Entscheidung: zahle ich lieber regelmässig einen planbaren Betrag, oder lass ich es drauf ankommen und es kommt dann, wie es kommt. Im Prinzip >Versicherung< contra >Roulett<. Nur, solang es um Uhren geht, ist es doch eigentlich egal wie es ausgeht und ob man aufs bessere oder schlechter Pferd gesetzt hat, Hauptsache, man hat Spass dabei. Das ist doch wichtiger als der Betrag, der im Endeffekt zu zahlen ist, den Unterschied, was im anderen Fall gewesen wäre, weiss man vorher nie, auch hinterher hilfts auch nicht. Wobei die Differenz in den allermeisten Fällen langfristig gar nicht wirklich bedeutend sein wird.

Die Antwort auf die Frage liegt im eigenen Standpunkt und der eigenen Veranlagung: Mach das, womit Du Dich am wohlsten fühlst. Genau das ist die richtige Entscheidung.
Man liest sich!

Ralf
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Ralf
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Beitrag von Ralf »

hermann hat geschrieben:Wenn es eine Statistik zur regelmäßigen Wartung von Maschinen und ob man sich Kosten erspart wenn man sie bis zum Totalausfall werkeln läßt gibt - Ralf wird sie haben.
Die helfen hier gar nichts, weil im Kommerziellen sind die Reparaturkosten fast immer Peanuts. Was dort zählt sind die Fragen
- Folgeschäden
Kommen durcht den Ausfall Menschen zu Schaden?
- Ausfallzeiten
Wie lange und wann kann nicht produziert werden?

Im erste Fall sollte immer jegliche Diskussion enden und die Antwort eindeutig sein. Im Zweiten ist oft die Planbarkeit >wann< wichtiger als die Kosten >wie lang<.
Man liest sich!

Ralf
CF
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Beitrag von CF »

Also der Freund meiner Eltern hat seine Rolex -gekauft 1971 bei Nietsch in Mannheim- ununterbrochen am Arm. Sie läuft gut. Er war Standesbeamter und hat die Uhr also nicht an den Rand des erträglichen belastet.
Trotzdem ist es wohl eher Zufall, jedoch bei den 1570er Kalbern auch wieder keine Außnahme.
Weitere Kaliber, welche ohne Wartung fast ewig laufen sind eben die Seiko Kaliber
und die Omega Speedy Pof. und Automatik Omega Speedy aus den 70ern.
ANscheinend ist die Gesamtkonstruktion dieser Wrke hervorragend.
Ich habe kürzlich meine SeaDweller begutachten lassen, welche 5 Jahre alt ist:
Ergebnis: Wartung absolut nicht erforderlich.
Jedoch habe ich diese Uhr ja nicht immer an, sondern immer im Wechsel mit anderen Uhren.
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eastwest
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Beitrag von eastwest »

@ Ralf: Voll überzeugend. Danke.


eastwest
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walter
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Beitrag von walter »

Ralf hat geschrieben: Die helfen hier gar nichts, weil im Kommerziellen sind die Reparaturkosten fast immer Peanuts. Was dort zählt sind die Fragen
- Folgeschäden
Kommen durcht den Ausfall Menschen zu Schaden?
- Ausfallzeiten
Wie lange und wann kann nicht produziert werden?

Im erste Fall sollte immer jegliche Diskussion enden und die Antwort eindeutig sein. Im Zweiten ist oft die Planbarkeit >wann< wichtiger als die Kosten >wie lang<.
Dem kann ich eigener Erfahrung nur voll zustimmen. Bis ca. Ende der 1980er Jahre haben wir bei meinem Brötchengeber die sog. "vorbeugende Instandhaltung" großgeschrieben, d.h. unsere mechanischen Bearbeitungsmaschinen wurden regelmäßig überholt.
Danach wurde auf "Verschleiss" gefahren.
Es wird nur noch repariert,was kaputt geht.
>Ausnahme natürlich: Alles was sicherheitsrelevant ist.
Und der Effekt : Signifikante Kosteneinsparung !!!

Bzgl. Uhren kann m.E. gleiches gelten, wobei ich bei "Manufaktur-Ware" eher vorsichtiger wäre als bei Massenware.
Aber da gilt wohl auch das von Ralf bereits ausgeführte zu den "Risiko -Typen"
Grüsse
WALTER
Dimitris
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Beitrag von Dimitris »

Kann auch abhaengig von der Frequez auch sein oder? Die Schnellschwieger haben ja mehr verschleif als die langsamerer.
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hart-metall
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Beitrag von hart-metall »

walter hat geschrieben: Bzgl. Uhren kann m.E. gleiches gelten, wobei ich bei "Manufaktur-Ware" eher vorsichtiger wäre als bei Massenware.
Im Endeffekt läuft es doch eher darauf hinaus:

- ist es eine Uhr, an der mir etwas liegt? Dann werde ich sie immer wieder zur Revision bringen.

- ist mir die Uhr egal? Dann lass ich sie laufen, bis sie verreckt - und dann werf ich sie weg.
haspe1
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Beitrag von haspe1 »

Ralf hat geschrieben: Die Antwort liegt nicht in der Uhr, nicht in der Technik und auch nicht in Berechnungen oder Statistiken. Der absolut entscheidende Punkt liegt im Kopf des Trägers.
Die Antwort von Dir gefällt mir sehr gut, Ralf. Sie ist philosophisch und behandelt das Thema sozusagen auf der "Metaebene". Was Du klar ansprichst, finde ich gut. Es geht hier nicht so sehr um die technisch korrekte Vorgangsweise, sondern eher um die Einstellung. Das ist z.B. bei der Geldanlage ähnlich. Was ist da "richtig", Aktien oder Sparbuch? Antwort wie beim Uhrenservice: "Das, was einem persönlich am besten liegt". Wenn man es verschmerzen kann, seine Uhr zu ruinieren, braucht man nicht zu servicen. Wer Sicherheit schätzt, wird sie vorsorglich behandeln. Wer ganz sicher gehen will, darf sie leider gar nicht tragen.

viele Grüße aus Österreich,

Hannes
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Ralf
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Beitrag von Ralf »

haspe1 hat geschrieben: ... Wenn man es verschmerzen kann, seine Uhr zu ruinieren, braucht man nicht zu servicen. Wer Sicherheit schätzt, wird sie vorsorglich behandeln. Wer ganz sicher gehen will, darf sie leider gar nicht tragen.
Im Prinzip ja, aber sowohl bei Deinem als auch bei hart-metalls Beitrag klingt das so, als hätte der, der seine Uhr nicht zur Revisosn bringt sie >weniger lieb<. Das mein ich aber überhaupt nicht. Er ist genauso fürsorglich und besorgt, nur ist sein Masstab, mit dem er das Risiko wahrnimmt ein anderer. Er hat genauso einen optimierten und sinnvollen Plan, wie er sein Schätzchen gut über die Runden des Lebens bringt. Nur eben seinen.

Man beobachte mal kleine Kinder, wenn sie mit etwas unheimlichen Unbekanntem konfrontiert werden und genügend Raum haben zu reagieren. Auch da gibt es schon die Risikosucher: VOLL DRAUF, bis es weh tut. Und die Sicherheitssucher, die flüchten. Nur, die flüchten nicht komplett. Bei der Flucht stellen sie fest, dass zuviel Sicherheit auch nicht so gut ist. Zuerst peilen sie mal zwischen den Fingern durch, dann robben sie sich wieder in Richtung Risiko vor. Ganz einfach durch geografische Annäherung, so im Pilgerschrittverfahren, vor und zurück, bis sie das eigene Wohlfühlnivau zwischen Gänsehaut und Sicherheit erreicht haben. Sie müssen das noch ausprobieren, lernen, iher eigene Individualität kennen lernen. Auch stellen sich relativ schnell die >Beobachter< als solche heraus. Erst mal vorsichtig, wenn sie aber dann sehen, dass den Risikosuchern nichts passiert, dann wird die eigene Standpunkt revidiert, >wenn der das kann, dann ich auch!<. Andere, mehr introvertiert, haben sich mal entschieden, und basta.
haspe1 hat geschrieben:... Wer ganz sicher gehen will, darf sie leider gar nicht tragen.
Auf dem Niveau, einem zu niedrigem Nievau, fühlt sich kaum einer von uns wohl. Wir tragen unsere Uhren, mit dem permanenten Risko des Totalverlust. Ich habe angefangen, Uhren im Schwimmbad und unter der Dusche anzulassen, weil mir die gefahr des Diebstahls im Spind in der Umkleidekabine als die grössere erschien. Gegen letzteres konnte ich ausser >gar nicht erst anziehen< nichts tun, ersteres mit der regelmässigen Dichtigkeitsprüfung mich sicher fühlen. Obwohl mir technisch und logisch vollkommen klar ist, dass es nicht absolut auszuschliesen ist, dass sie jetzt undicht ist, obwohl sie vor einem viertel Jahr dicht war. Deswegen schätze ich meine Uhr nicht >weniger<, nur eben >anders<. Mit meiner Reverso geh ich definitiv nicht ins Wasser, obwohl es eine Gran Sport ist, und die geht auch zur Revision, bevor sie auffällig wird. Die Mühle SAR mit 2824, nein, die läuft, bis der Gang spinnt, die Mehrkosten einer Reparatur gegenüber einer Wartung sind einfach nichts, was mir Sorgen macht. Deswegen schätze ich sie nicht weniger, nur ihre Aufgabe, Funktion und Technik ist eine andere. Ohne die Absicht sie zu ruinieren, aber das Leben mit dem passendem Mass an Risko ist einfach attraktiver als mit zu wenig.
Man liest sich!

Ralf
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hart-metall
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Beitrag von hart-metall »

Ralf hat geschrieben: (...) sowohl bei Deinem als auch bei hart-metalls Beitrag klingt das so, als hätte der, der seine Uhr nicht zur Revision bringt, sie >weniger lieb<. Das mein ich aber überhaupt nicht.
Ich aber schon.

Die bis jetzt herangezogenen Vergleich mit Maschine oder Auto treffen, die Sache ja nicht unbedingt - beides sind eher Investitionsgüter als Hobbies. Wobei letzteres durchaus auch ein Hobby sein kann - da sind wir Uhrenfreunde aber weitesgehehnde Weicheier, wenn ich mir so ansehe, was Wochenends in meiner Nachbarschaft so autotechnisch passiert ("Schatz, zieh bitte die Schuhe aus, ich habe ihn gerade frisch ausgesaugt" - KEIN SCHERZ!)

Meinen Firmenwagen beservice ich auch regelmäßig - hier geht es aber um andere Gesichtspunkte (Verlässlichkeit, Garantie u.ä.)

Den liebe ich aber nicht (ich mag ihn höchstens :wink: )

Und wenn Du Deine Mühle auf Crash fährst, liebst Du sie klar weniger als Deine Reverso, oder? :wink:
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indiana
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Beitrag von indiana »

Wenn es keine Ersatzteile mehr für die Uhr gibt, dann regelmäßige Vorsorgewartung.
Gibt es genügend Ersatzteile läuft die Uhr bei mir solange bis ich am Gang etwas merke. Z.B. meine 68er Speedy wird solange rangenommen bis nix mehr geht!
Das ist eben einer der Vorteile eines Klassikers für den es noch alles gibt!
Warum sollte ich bei solchen Uhren eine Wartung machen, alle sagen wir mal 5 Jahre wenn in 10 Jahren das verschlissene Teil oder Teile vielleicht 20 € ausmacht???

Vergleich Motor und Uhrwerk halte ich für nicht angemessen. Bei einem Motorschaden geht es vielleicht um tausende Euros!
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Kristian
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Beitrag von Kristian »

Ist es nicht günstiger, ein ETA-Werk so lange laufen zulassen bis es hin ist
und dann ein neues Werk einzubauen :?:
Die ETA´s kosten doch nicht die Welt, oder sehe ich es falsch ?
Gruß, Jörg
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BJ.Simon
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Beitrag von BJ.Simon »

Kristian hat geschrieben:Ist es nicht günstiger, ein ETA-Werk so lange laufen zulassen bis es hin ist
und dann ein neues Werk einzubauen :?:
Die ETA´s kosten doch nicht die Welt, oder sehe ich es falsch ?
Diese Argumentation habe ich bei Tag Heuer versucht, als die mir für einen "große Revision" des ETA 2824 200 EUR abknöpfen wollten - und ohne optische Aufbereitung immernoch um die 100...indess erfolglos...
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playman205
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Beitrag von playman205 »

BJ.Simon hat geschrieben:
Kristian hat geschrieben:Ist es nicht günstiger, ein ETA-Werk so lange laufen zulassen bis es hin ist
und dann ein neues Werk einzubauen :?:
Die ETA´s kosten doch nicht die Welt, oder sehe ich es falsch ?
Diese Argumentation habe ich bei Tag Heuer versucht, als die mir für einen "große Revision" des ETA 2824 200 EUR abknöpfen wollten - und ohne optische Aufbereitung immernoch um die 100...indess erfolglos...
Warum? Wollten die Dir kein neues Werk mit Einbau verkaufen? "Nee, BJ.Simon kriegt nix" :lol: Deine Argumentation ist doch in diesem Fall irgendwie zwingend, wenn es sich um die Standardvariante handelt.

Holger
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