Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

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Richard Habring
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

archimagirus hat geschrieben: 11 Jul 2017, 11:11 Eine Frage an Richard persönlich

Wie sieht es bei Euch aus? Was habt Ihr für Erfahrungen mit jungen Uhrmachern? Wo liegen die Defizite? Und wie sehen diese jungen Menschen Ihre Karriere/Entwicklung?
Danke für den Hut! Ich fühle mich dadurch gelobt und motiviert. Damit bin ich bei der Frage. An Lob fehlt's bei uns nicht aber das muss natürlich auch erst mal ein wenig erarbeitet werden. Da hat die nachrückende Generation ein bisschen andere Vorstellungen wenn die in der Schule schon gesagt kriegen: "Die Welt wartet nur auf Euch!" Da fehlt dann auch schnell mal die Motivation wenn ein leidlich funktionierender Teil nicht gleich mit überschwenglicher Begeisterung belohnt wird.

Unser Kernteam (3 bis 5 Mann) in den vergangenen Jahren setzt(e) sich zum überwiegenden Teil (90%?) aus EU-Bürgern zusammen. Österreicher sind da klar in der Minderzahl. Warum: Die institutionelle Ausbildung in A ist um den Großraum Wien konzentriert. Die Absolventen kommen in der Regel auch aus diesem Großraum und wollen diesen nach Lehre/Schule nicht verlassen. Ergo kriegen die Jobs bei uns dann - mangels österreichischer Interessenten - Deutsche, Franzosen, Spanier, Finnen. Ergänzt wird dieses Kernteam durch temporäre Volontäre/Praktikanten aus den erwähnten Ländern, letzthin hatten wir einen Australier. Diese beziehen unseren ständigen Praktikumsplatz, zumeist begleitend zur Ausbildung oder danach. Diese Volontäre sind zumeist nicht im Produktionsprozess eingebunden sondern arbeiten je nach Interesselage z.B. an der Restauration einer alten Uhr etc.

Wir hatten vor ein paar Jahren damit begonnen selbst auszubilden. Fazit: #1 wurde gleich nach der Abschlussprüfung von seiner Freundin zurück in die Stadt zitiert :angry:
#2 hat am Ende des 1. Lehrjahres hingeschmissen nachdem wir ihm in Folge einiger ernsthafter Probleme nahegelegt hatten in die Fachschule zu wechseln um dort seine Ausbildung fortzusetzen. #3 wollte zur Mitte der Lehrzeit über das Folgegehalt nach der Übernahme verhandeln was wir ablehnten weil wir erst den Lehrabschluss am Tisch haben wollten. Ergebnis: Er hat sich noch während der Lehre einen Job gesucht wo er mehr verdienen kann. Trotzdem würden wie sofort wieder einen Lehrling aufnehmen wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Wir suchen aktuell aber nicht aktiv, aus mehreren Gründen: die bekannte Problematik warum immer mehr Lehrstellen nicht mehr besetzt werden gehört genauso dazu wie der Umstand, dass aufgrund des Drängens der Industrie (die Marken-Niederlassungen in A) und darauf erfolgter Werbemaßnahmen der Schule die Klassen dort ziemlich voll sind. Klingt gut ist aber mit Vorsicht zu genießen weil dort momentan weit mehr Uhrmacher "produziert" werden als A braucht. Fazit: Die müssen dann - wenn sie im Job bleiben wollen - ins Ausland, wenn sie nicht zu uns in den Süden kommen.

Ein Kollege hat letztes Jahr anlässlich eines Vortrags zu der Ausbildungsproblematik eine gaaanz einfache Lösung parat: "Ihr müsst halt mehr zahlen!" Guter Punkt! Nachdem wir Österreichs einziger herstellender Betrieb sind müssen unsere Mitarbeiter nach dem Metaller-Kollektivvertrag ("KV=Tarif") entlohnt werden, der liegt von Haus aus rund 15% über dem in der Branche sonst üblichen Handels-KV. Das sind für Berufseinsteiger dann gleich mal etwas über 2K brutto 14x im Jahr. Berufseinsteiger ex Schule ohne verpflichtendes Praktikum! Noch besser wird's wenn diese jungen Kollegen dann auch gleich nach der Schul-(=Lehr)-Abschlussprüfung zum Meister antreten. Das verpflichtet uns zwar nicht zu höherer Entlohnung setzt aber natürlich die Erwartungshaltung noch etwas nach oben. Insofern unterstütze ich Christoph in seiner Einschätzung, dass die Zertifizierungen durchaus Qualitativ zu begrüßen sind. In A war es halt in der Vergangenheit so, dass die Verantwortlichen das sehr österreichisch handhabten: "Du darfst, Du darfst nicht und Du darfst es niemandem erzählen".

Wir sind nicht zertifiziert, die Kosten sind nicht das Thema obgleich die im ländlichen Bereich schwer einzuspielen sind. Allein in unserem Bezirk gab es in den 1970ern 5 Händler die Omega führten. Da sind noch eine Menge Uhren rum. Wenn aber der Altbauer (der sich einmal im Leben eine gescheite Uhr gekauft hat) vom Berg kommt und wir ihm das Original-Omega-Krokoband für €300,-- verkaufen sollen dann kommt er nicht mehr. Dann können wir uns auch sparen ihm seine Uhr zu reparieren. Wir haben somit komplett aufgehört zu reparieren/servicen. Wo wir ggf. dann wieder aktiv werden ist bei älteren Uhren wo die Hersteller selbst abwinken. Da machen wir dann halt die Teile die es nicht mehr gibt. Das ist dann auch für unsere Mitarbeiter wieder interessant. Was mich am meisten fasziniert ist, wenn ich in der Vergangenheit bei einer meiner ehemaligen Arbeitgeber um einen bestimmten Teil gefragt hatte und man mir beschied, ich könne das gar nicht weil ich das erst im Kurs lernen müsse. In beiden Fällen war es mal so, dass ich die Kurse selbst konzipierte, leitete und teilweise sogar die entsprechenden Uhren entwickelt habe. Als ich meinem (jungen) Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung verklickerte, dass er meinen Namen auf den maßgeblichen Zeichnungen des Werks findet sagte er: "Aber da hat sich seit den 90er Jahren soooo viel verändert, das können Sie ja gar nicht wissen!" Hab' ich aber Verständnis für, Ordnung muss sein :wink:

Noch besser hatte es ein lieber Freund und Kollege in USA der in New York seit 30 Jahren so ziemlich alles repariert was Rang und Namen hat. Offiziell unterstützt von vielen großen Marken, u.a. war er seinerzeit einer meiner häufigsten Gäste bei ALS. Er bezog lange Jahre RLX-Teile bis die auf seine fehlende Zertifizierung hinwiesen. Also nahm er $40K in die Hand und kaufte sich die empfohlenen Geräte und Maschinen. Als er die hatte sagte man ihm, dass er dann bei Gelegenheit einen Termin kriegen würden in Dallas/TX zur Schulung. Thema: ETA 7750 in Tudor-Chronos. Er ist wohlgemerkt Freelancer, wird für seine Arbeitszeit bezahlt und jeder Tag den er zur Schulung ist hat er Verdienstentgang. Ergebnis: Er hat die Geräte wieder verkauft und kümmert sich halt um die Uhren der anderen Marken. Eine einfache "Prüfung" hätte alles regeln können.

Was uns auffällt ist, dass die junge Generation der nachrückenden sehr wohl die Chancen des Berufs sehen sich damit aber schwer tun eine wirkliche Beziehung mit dem Produkt aufzubauen. Damit meine ich sie wollen zwar Uhren bauen tragen aber selbst keine und im Grunde ist es ihnen oft relativ egal wie qualitativ hochwertig ihre abgelieferte Uhr ist. Sie sehen das Produkt als Vehikel das sie Richtung Berühmtheit und Wohlstand transportiert. Das ist ein bisschen wie ein Veganer der sich anschickt die besten Wiener Schnitzel machen zu wollen. Es gibt aber natürlich auch unter den Jungen Ausnahme-Talente und Charaktere. Die sind schwer zu finden aber nach wie vor da. Die Industrie hätte die natürlich auch gerne, deswegen sollen die Schulen mehr ausbilden damit die Industrie sich die Besten aussuchen kann. Es gab vor Jahren mal eine Podiumsdiskussion in Wien zum Thema Uhrmacherausbildung. Beim informellen Rumfragen sagte die Dame der SG Wien auf die Frage wie viele Lehrlinge die hätten: "Keinen! Wir bilden unsere Leute in Glashütte aus!" (also mit großzügiger staatlicher Stütze :wink: ). Man liest, dass die Lehrlinge dort aus dem ganzen Bundesgebiet kämen, was für die Marken natürlich super ist weil die zukünftigen Mitarbeiter damit schon gleich mal beweisen, dass sie örtlich ungebunden sind. Unter solchen Umständen schmeißt man auch nicht so leicht hin und ist leichter "formbar".

Ich hatte das Glück mit Persönlichkeiten wie Blümlein, Klaus, Belmont etc. zu arbeiten und von ihnen zu lernen, nachdem ich Schule und eine quasi Lehre in Reparatur/Restauration von antiken Uhren machte. Dafür bin ich auch anfänglich in die CH, aber auch deswegen weil es Anfang der 90er in A gar keine Jobs in der Uhrmacherei gab. Wenn ich denke, dass heute ein Manager in der SG darüber entscheidet wo ein aus der Lehre Übernommener dann seinen "garantierten" Job beziehen darf ("Chef, welche Sprache muss ich dafür lernen? ungarisch, russisch, estnisch?") fühle ich mich unwohl.

Richard
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Paulchen
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Paulchen »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:21 Was mich am meisten fasziniert ist, wenn ich in der Vergangenheit bei einer meiner ehemaligen Arbeitgeber um einen bestimmten Teil gefragt hatte und man mir beschied, ich könne das gar nicht weil ich das erst im Kurs lernen müsse. In beiden Fällen war es mal so, dass ich die Kurse selbst konzipierte, leitete und teilweise sogar die entsprechenden Uhren entwickelt habe. Als ich meinem (jungen) Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung verklickerte, dass er meinen Namen auf den maßgeblichen Zeichnungen des Werks findet sagte er: "Aber da hat sich seit den 90er Jahren soooo viel verändert, das können Sie ja gar nicht wissen!" Hab' ich aber Verständnis für, Ordnung muss sein :wink:

Richard
Ich nicht, man muss sich nicht alles gefallen lassen.
Ich hätte den ehemaligen Arbeitgeber persönlich angerufen (das hat nichts mit Arschkriechen zu tun)!
Es wäre okay, wenn der mir dann ins Gesicht sagt: "Tut mir Leid Richard, aber gleiches Recht für alle."
Aber so - UNGLAUBLICH!

Danke für deine Einblicke! :thumbsup:
H-P
archimagirus
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von archimagirus »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:21 ...
Richard
Herzlichen Dank Richard für diese tiefen Einblicke und vor allem die Zeit, die Du Dir als selbstständiger Unternehmer nimmst, hier in so ausführlicher Form und Art zu schildern.
Sehr interessant und bedrückend zugleich...
Tickende Grüße, Jan!
Richard Habring
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

archimagirus hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:38 .... bedrückend ...
Gerne! Bedrückend soll es aber nicht sein, da gibt es nach wie vor noch Auswege wenn auch weniger als vor 10 oder 20 Jahren.
Wer noch gar nicht angesprochen wurde ist der Fachhandel.
Der hat auch einen gehörigen Teil zu der aktuellen Situation beigetragen.
Paulchen hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:36 .... man muss sich nicht alles gefallen lassen.
Kann man aber getrost in der Situation weil der schwarze Peter dann ja - auch für den Besitzer der Uhr klar ersichtlich - beim Hersteller liegt.
= Sensibilisierung des Konsumenten

Wenn wir alle unser Brot bei Aldi kaufen dann stirbt der Bäcker im Ort, das versteht jeder. Die Frage ist einfach: Will ich Brot vom Bäcker oder nicht?
MCG hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:14
Mit über 35'000 Beschäftigten muss eine Firma auch mal auf sich selber schauen können.
Wenn vorher alle bei Swatch einkauften - weil einfacher und billiger - und das dann auch noch gerichtlich durchgesetzt / aufrecht erhalten warden muss, habe ich Verständnis für Swatch die Sache am Schopf zu packen und sich abschliessend davon zu befreien. War ja ein jahrzehnte langer Prozess und hat dazu geführt, dass zumindest etwas mehr Manufaktur-Reichtum entstanden ist. Wobei ich persönlich auf Firmen wie Sellita verzichten könnte, wenn es nur darum geht dasselbe einfach in einem 2. Betrieb wieder herzustellen. Ich denke mittelfristig wirds interessant, wenn Swatch zb. ihre ETAs-2824 komplett durch ihre Powermatic 80 ersetzen und Sellita (endlich) auch Innovationen zeigen muss...
Da hast Du absolut recht wenngleich das eine (erst Ebauches, dann Uhrwerke) mit dem anderen (Ersatzteil-Verknappung) ja nichts zu tun hat.
Sellita wird's nicht jucken wenn SG Powermatic einbaut, die werden dann noch immer den Markt für Uhrwerke für nicht SG-Marken bedienen.
ETA wird dann wahrscheinlich ja nur noch "Werke-Bude" für die billigeren SG-Marken sein a la Lemania und Frederic Piguet für Bregut und Blancpain.
Der "Manufaktur-Reichtum" ist einer der Gründe warum die Preise so nach oben geschossen sind, da wird sich noch entscheiden ob der Konsument da auf Dauer mitspielt.

Gruß
Richard
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kochsmichel
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von kochsmichel »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:21

Als ich meinem (jungen) Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung verklickerte, dass er meinen Namen auf den maßgeblichen Zeichnungen des Werks findet sagte er: "Aber da hat sich seit den 90er Jahren soooo viel verändert, das können Sie ja gar nicht wissen!" Hab' ich aber Verständnis für, Ordnung muss sein :wink:

Groß!! :mrgreen: Danke für die ausführliche Darstellung :thumbsup:
Light side of the mood!
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

Christoph_Ritter hat geschrieben: 11 Jul 2017, 12:53 ...... auch wenn ich damit bei manchen Uhrmacherkollegen anecken werde, ich finde die Zertifizierungen (großteils) eine gute Sache!
:thumbsup:
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

kochsmichel hat geschrieben: 11 Jul 2017, 17:09
Groß!! :mrgreen: Danke für die ausführliche Darstellung :thumbsup:
Wenn ich schreibe um welche Uhr es sich handelte lachst Du Dich krumm! :rofl:
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Paulchen
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Paulchen »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 16:54
Paulchen hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:36 .... man muss sich nicht alles gefallen lassen.
Kann man aber getrost in der Situation weil der schwarze Peter dann ja - auch für den Besitzer der Uhr klar ersichtlich - beim Hersteller liegt.
= Sensibilisierung des Konsumenten

Gruß
Richard
Unter dem Aspekt hast du natürlich Recht, aber ich hätte es dem jungen Schnösel halt gerne mal gezeigt. :mrgreen:
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von ocean2000 »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 15:21 Was mich am meisten fasziniert ist, wenn ich in der Vergangenheit bei einer meiner ehemaligen Arbeitgeber um einen bestimmten Teil gefragt hatte und man mir beschied, ich könne das gar nicht weil ich das erst im Kurs lernen müsse. In beiden Fällen war es mal so, dass ich die Kurse selbst konzipierte, leitete und teilweise sogar die entsprechenden Uhren entwickelt habe. Als ich meinem (jungen) Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung verklickerte, dass er meinen Namen auf den maßgeblichen Zeichnungen des Werks findet sagte er: "Aber da hat sich seit den 90er Jahren soooo viel verändert, das können Sie ja gar nicht wissen!" Hab' ich aber Verständnis für, Ordnung muss sein :wink:
Es gehört schon ein gewissen Maß an Präpotenz dazu, dem Erfinder einer Komplikation mitzuteilen, dass er wegen ein paar Änderungen, die im Lauf der Zeit gemacht wurden, eigentlich keine Ahnung mehr von seiner Entwicklung hat. Dürfte ein Kernproblem bei vielen jungen Leuten sein, keine Ahnung von der Technik, aber Kurse verkaufen wollen... :whistling:
Gruß aus Wien
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ocean2000
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von ocean2000 »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 18:02 Wenn ich schreibe um welche Uhr es sich handelte lachst Du Dich krumm! :rofl:
Ist das ein Chronograph mit einem 7750 und dem zusätzlichen Schleppzeiger?... :?: :wink:
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

ocean2000 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 18:12 Dürfte ein Kernproblem bei vielen jungen Leuten sein, keine Ahnung von der Technik, aber Kurse verkaufen wollen... :whistling:
Sag ich ja, die Jungen haben keinen Bezug zum Produkt!
ocean2000 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 18:15 Ist das ein Chronograph mit einem 7750 und dem zusätzlichen Schleppzeiger?... :?: :wink:
War nicht schwer!
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

Danke Christoph für den Link!
Interessant wenngleich halt nur nach britischem Recht, das - wenn's so weiter geht wie geplant - bald kein für die EU ableitbares mehr sein wird.
Gruß
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von archimagirus »

tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 16:54 .
Wer noch gar nicht angesprochen wurde ist der Fachhandel.
Der hat auch einen gehörigen Teil zu der aktuellen Situation beigetragen.
.

Gruß
Richard
Das ist eine Entwicklung die noch schlimmer ist als in der Automobilbranche.
Kaum einer der jungen 'Schnösel' die bei den Konzessionären herum irren haben eine klassische Lehre 'beim Juwelier' gelernt und haben dort das Thema Uhren und Schmuck von der Pike auf gelernt. Die meisten sind Quereinsteiger und kommen vom Herrenausstatter /Gastronomie / oder Kaufhaus Einzelhandel . Diese Jungs und Mädels) können gerade mal ein Tableau gerade halten und kommen bei mehr als 3 Referenz Nummern in's Schwitzen. Da hat die Industrie den Händler am Kunden zunehmend allein auf weiter Flur gelassen.
tourbillon69 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 18:43
Sag ich ja, die Jungen haben keinen Bezug zum Produkt!
Ich war vor 3 Jahren bei Zenith in LeLocle zu Besuch ein 2 tägiger Aufenthalt (durch meinen Konzessionär) Teilnehmend war ein junger Mitarbeiter von Zenith Deutschland (ca . Anfang 30) und ein etwa gleichaltriger Kollege des Konzessionärs.
Der erste Abend war geprägt von intensiven Gesprächen der Mitreisenden zum Thema Uhren (Teilnehmer 10) in dem ich mehrmals den Zenith Mitarbeiter fragte ob und wann Zenith sich dem Thema Vintage widmen würde und ob solche Stücke wie die Typo CP-2 A.Cairelli (damals gab es nur das Original :wink: ) nicht wert wären eine Neuauflage zu erfahren.
Er zuckte nur mit den Schultern und warf ein dass er noch "nicht so tief im Thema drin sein...." und den Job bei Zenith "...interessant.." fand.
Er hatte vor dem Antritt bei Zenith Haushaltsgeräte als Vertriebsleiter eines deutschen Herstellers verkauft.
Der andere Mitarbeiter des Konzessionärs nutzte am nächsten Tage jede Gelegenheit zur 'Raucherpause' bei der ausführlichen Betriebsbesichtigung und schien über so viel Information sichtlich überfordert, was sich bei der Präsentation der aktuellen Kollektion in Schlafattacken äusserte.......


Heute ist doch jeder hier im Forum um ein Vielfaches besser informiert und tiefer im Thema als die allermeisten Mitarbeiter der Händler und die Wasserträger der nationalen Brand Manager.
Tickende Grüße, Jan!
Richard Habring
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von Richard Habring »

Christoph_Ritter hat geschrieben: 11 Jul 2017, 12:53 Wie es um ETA und die Auslieferung von Ersatzteilen an Fournituristen und andere Marken geht weiß aktuell wohl niemand so genau...
@Christoph
Wo wirst Du in Zukunft ETA-Teile hernehmen wenn Du diese für eine nicht-SG-Marke brauchst? Klar, mit Zertifizierung kriegst Du die von der SG aber doch eigentlich nur für die Reparatur einer SG-Marke, oder?
archimagirus hat geschrieben: 11 Jul 2017, 19:33 Das ist eine Entwicklung die noch schlimmer ist als in der Automobilbranche.

Der Handel könnte sich ja grundsätzlich gegenüber kleinen, regionalen Marken öffnen. Das setzt aber natürlich auch Interesse und Wissen um das Produkt voraus. Letzteres gibt's dort dafür auf Augenhöhe aus erster Hand. Für uns faszinierend ist, dass die kleinen Unabhängigen praktisch alle mit Direktvertrieb anfangen mussten um überhaupt was zu verkaufen und nun die großen Marken nachziehen und somit den Fachhandel umgehen. Jetzt wäre eigentlich der Fachhandel dran zu sagen: "O.k. dann schmeiß ich halt den großen raus und nehm' mir dafür drei Kleine rein!" Wempe macht's ganz elegant mit Eigenmarke! Die anderen stehen daneben und sterben.......

Gruß
Richard
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Re: Der Freien Not oder Wie repressiv behandeln die Konzerne Kleinhersteller/Uhrmacher/Juweliere

Beitrag von nasowas »

ocean2000 hat geschrieben: 11 Jul 2017, 18:12 Es gehört schon ein gewissen Maß an Präpotenz dazu, dem Erfinder einer Komplikation mitzuteilen, dass er wegen ein paar Änderungen, die im Lauf der Zeit gemacht wurden, eigentlich keine Ahnung mehr von seiner Entwicklung hat. Dürfte ein Kernproblem bei vielen jungen Leuten sein, keine Ahnung von der Technik, aber Kurse verkaufen wollen... :whistling:
Um mal kurz eine Lanze für den schönseligen jungen Kollegen zu brechen ... hier handelt es sich vermutlich lediglich um ein Phänomen namens "Compliance", ein Götze des späten Kapitalismus, der einen Keil zwischen Unternehmen und Mitarbeiter treibt - weil er Mitarbeitern keine eigenverantwortlichen, situationsabhängigen Entscheidungen erlaubt, sowie zwischen Unternehmen und Kunden - weil auf Einzelfälle keine Rücksicht genommen werden darf, sondern strikt nach Richtlinie und Schema F (Kulanzmatrix, Zertifizierunglevel, what ever) verfahren werden muss. Alles andere kann im Zweifelsfall schnell zur Abmahnung führen. Zu unserem Amusement hat der bedauernswerte junge Kollege - mit unzureichenden Standardantworten ausgestattet - hier seinen Meister gefunden hat. Er darf's halt einfach nicht.
Wie ich finde übrigens ein Handicap für die Großkonzerne und ein Bonus für kleine und mittelständische Unternehmungen, die nicht zwischen Unternehmensberater, Buchprüfer, Aktionären und ihren eigenen Lobbyverbänden eingezwängt sind :wink:.

Vielen Dank für die interessanten Beiträge von Richard und Christoph. Ich weiß jetzt gar nicht wo ich hier überall noch meinen Senf dazugeben möchte :whistling:

3-D Druck: Ich hasse den Begriff, weil er für mich lediglich unterschiedliche Technologien, die gar nicht unbedingt zusammen gehören und schon länger existieren, zu einem neuen Buzzword zusammenfasst. Keiner weiß am Ende ob Lasersintern, Stereolithographie, Jet Modelling oder was auch immer gemeint ist. Klassisches Bullshit-Bingo-Wort. Neu ist eigentlich nur, dass durch Skaleneffekte und Fern-Ost-Fertigung diese Technologien in die Reichweite der Garage kommen.
Für Uhrmacher würde sich eine Automatisierung der Drehbank zu einer CNC-Maschine anbieten. Die Geometriedaten müsste im Zweifelsfall nur ein Verrückter Liebhaber (die soll's ja geben) mal erstellen und veröffentlichen und jeder mit einer entsprechenden Maschine könnte das dann nachfertigen. Sicher nicht die Lösung der Ersatzteilprobleme für ein ETA 2824. Aber für so ein 50'er Jahre Chronowerk ...

Ersatzteile: Wir sind glaube ich hier noch relativ verwöhnt, was die Versorgung angeht. Vor kurzem durfte ich erleben, wie ein Bekannter eine Platine für einen nicht allzu alten dafür recht teuren AV Reciever aufzutreiben versuchte. Was da teilweise abgeht ist ein Skandal - und schreit meiner Meinung nach nach Regulierung. Jeder Hersteller sollte einem Besitzer seiner Produkte Ersatzteile in üblichen Mengen verkaufen müssen! Was der damit macht, und von wem er die Einbauen lässt - sein Problem, erst recht wenn die Produktsicherheit nicht beeiträchtigt wird, was bei Uhren schwerlich möglich ist.

Der Hinweis die Nichtbelieferung mit Werken und die Ersatzteilversorgung getrennt zu diskutieren ist hier schon sehr wichtig.

Benjamin
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