Federhauswechsel beim Vintage-Service?

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haspe1
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Federhauswechsel beim Vintage-Service?

Beitrag von haspe1 »

Hallo Techniker,

ich habe einige ältere Uhren von den 40-ern bis zu den 60-ern und schon einige davon servicieren lassen. Das habe ich stets bei einem freien Uhrmacher durchführen lassen und war immer zufrieden mit dem Ergebnis. Beim Service wurden meist nur wenige Verschleissteile ausgetauscht (Krone, Plexiglas, mal ein Trieb überarbeitet und natürlich die Dichtungen gewechselt).

Jetzt hat mir ein Uhrmacher beim Konzi erzählt, das Service bei ihm sei unter anderem auch deshalb teurer, weil z.B. beim Service einer Vintage-Uhr dort (fast) immer das Federhaus getauscht werden würde. Das hat mich nun gewundert.

Deshalb meine Frage an Euch: Natürlich hängt es vom Alter der Uhr, Ihrer bisherigen Verwendungsdauer, der spezielle Art der Zugfeder etc. ab, aber wie sinnvoll/notwendig ist es, bei einer Vintage-Uhr das Federhaus mit der Feder zu tauschen?

Kann man davon ausgehen, dass Federn nach 40 oder 60 Jahren deutlich ermüdet sind und keine guten Gangresultate mehr liefern oder ist ein Federhauswechsel eher eine Sache, die man eigentlich nur selten machen lassen muss. Ich denke da bei den Uhren z.B. an Vintage Omega mit Kaliber 561 oder eine IWC mit Kaliber 89. Was meint Ihr? Ich habe derartige Uhren ohne Federwechsel servicieren lassen und sie gehen nach meinen Messungen (Abweichung über einige Tage jeweils 1 oder 2 mal am Tag gemessen) super.

Hannes
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MCG
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Re: Federhauswechsel beim Vintage-Service?

Beitrag von MCG »

Ist halt wie bei der Autogarage - die wollen auch immer die Scheibenwischblätter tauschen obwohl sie noch tiptop sind... :wink:

Schon icht ganz dss gleiche - ich weis...
LG aus Mostindien - Markus
nasowas
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Re: Federhauswechsel beim Vintage-Service?

Beitrag von nasowas »

Dein Konzi muss Dir auf seine Arbeit ein Jahr Garantie geben - egal ob Vintage oder nicht - und wird nicht mit Dir im Fehlerfall rumdiskutieren wollen. Daher wird er alles wechseln wollen, was in der Garantie potentiell den Geist aufgeben kann.
Da an mechanischen Uhren heute selten Leben hängen gilt bei mir das Motto: If it ain't broke, don't fix it. Daher sieht mich auch so schnell kein Konzi zum Service.

Benjamin
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unnnamed
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Re: Federhauswechsel beim Vintage-Service?

Beitrag von unnnamed »

nasowas hat geschrieben: 27 Sep 2017, 17:56 Dein Konzi muss Dir auf seine Arbeit ein Jahr Garantie geben - egal ob Vintage oder nicht - [...]
Nicht nur der Konzi. Auf durchgeführte Arbeiten 1 Jahr Garantie. Deshalb macht auch
kaum jemand Teilreparaturen gerne. Denn dann ist nur dieser Teil von der Garantie
abgedeckt. Macht die Uhr dann Probleme ist die häufige Aussage, dass der Uhrmacher
nichts taugt, schließlich war man ja erst vor X Wochen oder Monaten dort.

Zugfedern altern, ermüden, es fehlt an Kraft welche bei der Unruh ankommen sollte.
In Verbindung mit der abnutzenden Verzahnungsgeometrie macht sich das bemerkbar.
Isochronismus, Amplitude, Gang, Hemmung, ...

Daher wird von vielen Firmen vorgegeben, dass die ZF getauscht wird. Das komplette
Federhaus dann, wenn es Abnutzungen an der Verzahnung aufweist. Logisch. Die ZF ist
die Energiequelle, obendrein nicht teuer. Es wäre schlicht unlogisch hier zu sparen. Ich
erachte es ebenfalls nicht als notwendig jede ZF zu wechseln, aber Firmen sichern sich
gerne etwas mehr ab.

Es gibt freie Uhrmacher, die ähnlich wie die Firmen verfahren. Und es gibt solche, die
entscheiden fallabhängig.

"Moderne" (es gibt sie schon lang genug) Nivaflexzugfedern halten ihre Form und
Spannung recht gut. Im Gegensatz dazu sehen alte Stahlzugfedern nach ein paar
Jahrzehnten (oder früher) hingegen sehr schlecht aus, die haben dann wirklich nur
noch einen Bruchteil der ursprünglichen Kraft, hier ist ein Tausch unausweichlich.



Wie so oft, man muss letztlich die Uhr vor sich haben und im Einzelfall entscheiden.
Ein klares "ja" oder "nein" gibt es nicht.



Edit: Hier bitte mal die Bilder anschauen, was hier wieder eingebaut wurde ist schlicht fertig.
Schau dir mal an wie zusammengezogen die Feder in ausgebautem Zustand bleibt:
http://dcwatches.blogspot.fr/2012/02/id ... embly.html
Das ist eine alte Stahlzugfeder.

Diese hier ist besser in Schuss, auch nicht taufrisch, aber der Unterschied wird schon deutlich:
http://i248.photobucket.com/albums/gg17 ... dsteel.jpg

Moderne ZF haben eine S-Form: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/ ... coiled.jpg
Gruß Bernd
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hermann
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Re: Federhauswechsel beim Vintage-Service?

Beitrag von hermann »

Hallo

Das muss von Fall zu Fall entschieden werden. Wenn ich eine Uhr am Tisch habe, die noch die alte Federform hat, wird die Feder automatisch gegen die modernere Form getauscht.
Ist diese schon verbaut, lasse ich sie. Wie Bernd schon geschrieben hat, halten die über Jahrzehnte gut ihre Form.
Beim Federhaus ist es wichtig, das die Zahnprofile gut sind. Sind die abgenutzt, muss selbstverständlich getauscht werden. Desgleichen bei den Federhauslagern.
Ist das Federhaus noch in gutem Zustand, lasse ich es. Warum einen Teil tauschen der in Ordnung ist. Da gibt es keine technische und vor allem ehrliche Argumentation dafür.

Die Preise bei den Konzis sind deswegen teurer, weil sie einschicken müssen oder an (Mond)Preise gebunden sind. So ein komplettes Federhaus für ein 2824er z.B. kostet im EK um die 30,-€

Wenn die Hersteller bestimmte Vorgaben bei Service verlangen, liegt das oft nicht daran das ihnen das Wohl der Kunden am Herzen liegt, sondern daran, das die drauf gekommen sind, das man mit schnöden Ersatzteilen auch gute Geschäfte machen kann. :wink:

Gruß hermann
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Der Mensch hasst das Böse mehr als er das Gute liebt.
haspe1
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Re: Federhauswechsel beim Vintage-Service?

Beitrag von haspe1 »

Vielen Dank an Euch alle, da habe ich wieder etwas von den Profis lernen können.

Hannes
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