die "atmende" Hemmung?

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retroman
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die "atmende" Hemmung?

Beitrag von retroman »

Leider ist mein Englisch nicht gut genug, um das zu verstehen.

https://www.youtube.com/watch?v=laNINQi ... bDxlNOjG0c
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jeannie
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von jeannie »

Mein Eindruck ist, dass er nichts von Uhren versteht.

Die Idee einer Doppelhemmung ist die, dass sich die Ungenauigkeiten im Gang gegenseitig vermindern, also im Prinzip zwei Ungenauigkeiten sollen eine kleinere Ungenauigkeit ergeben.

So weit ich ihn verstanden habe ist für ihn "Resonanz" eine Methode, mehr Genauigkeit hinzukriegen. Dabei ist Resonanz eben das, was eine Doppelhemmung im gemeinsamen Takt schwingen lässt. Siehr man sehr schön hier: https://www.youtube.com/watch?v=5v5eBf2KwF8. Damit ist der Sinn der Doppelhemmung ad absurdum geführt.

Ausserdem ist die Uhr, die er da so prominent zeigt, gar kein Doppelhemmungwerk, sondern zwei Uhrwerke, dessen Spiralen miteinander verbunden sind. Sieht cool aus, ist aber einfach Steampunk auf höherem Niveau.
http://www.watchtools.ch Uhrenwerkzeug, direkt aus der Schweiz.
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walter
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von walter »

Das ist doch nix Neues, hat der alte Huygens schon im 17. Jahrhundert entdeckt.
Hier hat man das mit 100 Metronomen ausprobiert:
https://www.engadget.com/de/2016/12/29/ ... z5cYXKw4LJ

Durch den beweglichen Boden synchronisieren sich die Schwingungen wie von Zauberhand :thumbsup:
Walter

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MCG
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von MCG »

https://www.arminstrom.com/de/kollektio ... resonance/

In der Tat hat das wenig mit traditionellen Resonanz Werken von F.P. Journe oder Philippe Dufour zu tun...

Bild
LG aus Mostindien - Markus
Richard Habring
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von Richard Habring »

MCG hat geschrieben: 27 Feb 2020, 10:21
In der Tat hat das wenig mit traditionellen Resonanz Werken von F.P. Journe oder Philippe Dufour zu tun...
In der Tat ist das wirklich Resonanz während die älteren Werke keine haben...…
Gruß
Richard
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Albert H. Potter
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von Albert H. Potter »

Ich habe mir das YT-Video nicht angesehen.
Grundsätzlich geht es bei gekoppelten Schwingsystemen um eine Verbesserung des Ganges.
Die Technik ist dabei sehr unterschiedlich.

Bei FP Journe sind zwei unabhängige Räderwerke zu einem Uhrwerk verbaut. Durch die Annäherung der Unruhen stellt sich ein Resonanzeffekt, wie bei den Metronomen ein. Die Unruhen sind voneiander unabhängig regulierbar. Im gemeinsamen Betrieb sollen sich die Gangfehler minimieren.
Die historischen Vorlagen waren die Pendeluhren von Antide Janvier und AL Breguet. Pendeluhren!

Bei Philippe Dufour ist es ein Räderwerk, welches zwei Schwingsysteme antreibt. Die Schwingsysteme sind über ein Differenzialgetriebe miteinander verkoppelt und können unabhängig voneinander reguliert werden. Durch das Differenzialgetriebe sind die Schwingssysteme zwangs-verkoppelt und NICHT durch Resonanz. Es soll den Gangfehler halbieren.
Als historische Vorlage muß man die Uhren von Tiffany nach Hezekiah Conant sehen (Standuhr mit 4 Pendeln / Marinechronometer mit 4 Unruhen), sowie eine schweizer Taschenuhr mit zwei Unruhen als Doppeltourbillon sehen.

Die Prinzipien könnten nicht unterschiedlicher sein.

Das Prinzip der Resonanz ist bei Sekundenpendel-Uhren mit Gewichtsantrieb aus einem einfachen Grund interessant. Über das Uhrwerk sind das Sekundenpendel und das Antriebsgewicht am Seil miteinander auf Resonanz gekoppelt. Es findet die gleiche wechselweise Beeinflussung statt wie bei den Metronomen. Man kann das sehr schön sehen, wenn das Antriebsgewicht der Uhr fast ganz abgesunken ist - es schwingt leicht aus! Das ist aus zwei Gründen schlecht. Zum einem entzieht es dem eigentlichen Schwingsystem Energie, denn die Schwingung des Antriebsgewicht-Pendels wird nicht durch ein eigenes Räderwerk gespeist, sondern aus der Energie des eigentlichen Pendels. Zum anderen ist das Antiebsgewicht ein Pendel mit stark variabler Pendellänge irgendwo zwischen der Länge eines Halbsekunden-Pendels und der eines Sekundenpendels. Die gegenseitige Beeinflussung zweier unterschiedlicher Pendel kann sich nicht gut auf den Gang auswirken.
Janvier und Breguet stellten das bei ihren Pendeluhren fest und nutzten das Resonanzverhalten der Pendel um den Einfluß auf das Pendelgewicht auszuschalten. Die Energie wechselt nur noch zwischen den Schwingsystemen im Gegenschwung und beeinflußt das Antriebsgewicht nicht mehr. Spätere Entwickungen der Präzisionspendeluhren gingen dahin, den Antrieb ohne Seilzug-Gewichte auszuführen, zum Beispiel durch elektrische Aufzüge und Antriebe.
Wichtig für die Energieübertragung war die starre Koppelung der Schwingsysteme, um die Energieverlußte gering zu halten.
Ob eine Anwendung des Resonanzprinzips in der Armbanduhr wirklich zu einer meßbaren Gangverbesserung beiträgt, werden wir mangels Observatoriums-Wettbewerben / objektiver Vergleichstests nicht erfahren.

Momentan ist die günstigste Art, eine Uhr mit gekoppelten Doppelschwingsystem zu erwerben, eine alte Seiko Twin Quarz zu kaufen.

Gegenläufig beschwingte Grüße!
Peter
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retroman
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von retroman »

Mir fällt der Name jetzt gerade nicht ein, aber es gibt ja eine Konstruktion, bei der der Impuls an die Unruh über die Bewegung des Ansteckpunktes der Spirale erteilt wird.
Hier aber sehe ich ein "normales" Ankerrad und einen Anker, der die Unruh wohl unter dem Zifferblatt antreibt.
@Albert H. Potter: schau Dir das Video ruhig mal an, dauert nur 2 Minuten.
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Albert H. Potter
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von Albert H. Potter »

Von Riefler gab es wohl mal einen Versuch die Federkraft Hemmung auf die Unruh anzuwenden, was wohl aber nie über ein Gangmodell hinausgekommen ist. In Reinhard Meis "Das Tourbillon" ist auch noch so etwas abgebildet, als Hemmung nach Benoit, mit einer Rotation um das Hemmrad.

Ich habe mir den Film inzwischen angesehen. Das sieht schon interessant aus.
Es ist auffällig, daß hier jede Menge Federbewegungen das Bild prägen.
Die Hemmung muß also nicht nur die Energie für die Unruh liefern, sondern für all die anderen Federbewegungen auch. Will man das?
Durch den variablen Spiralansteckpunkt haben wir automatisch eine zusätzliche Variable bei der Amplitude. Will man das?
Verlängert sich durch ein gefedertes Spiralfederende nicht die Unruhspirale (Gesamtfederweg)?
Was ich bisher zur Resonanz von Schwingsystemen gesehen habe, war immer auf einen festen gemeinsamen Kopplungspunkt/bzw Kopplungsfläche ausgelegt - die gemeinsame Tischplatte bei den Metronomen, die gemeinsame Wand bei Pendeluhren, gemeinsame Pedelaufhängung an einem Pendelhalter. Alles sehr ungefederte Verbindungen. Hätte ein fester gemeinsamer Träger für die Spiralklötzchen die Sache nicht besser gemacht?

Es sieht relativ umständlich aus. Normalerweise legt man eine Konstruktion doch so aus, daß sich Fehler minimieren und nicht auf eine Weise addieren, daß man sie nachher wegregulieren muß.

Das bringt mich zu einem weiteren Punkt. Die Unruhen bei Journe und Dufour (nochmal - die Dufour Duality basiert nicht auf dem Resonanzprinzip) lassen sich einzeln regulieren, da jedes Schwingsystem einzeln betrieben werden kann. Bei Journe sind die Werke komplett unabhängig. Bei Dufour könnte man erst eine Unruh entnehmen und die verbliebene regulieren und danach umgekehrt.
Das sehe ich bei der Konstruktion von Armin Strom als etwas schwieriger an, gerade durch den beweglichen Ansteckpunkt. Sind das noch zwei unabhängige Schwingsysteme oder teilen sich zwei Unruhen eine sehr komplexe Spiralfeder? Resultiert daraus die merkwürdige Schwingfrequenz von 25200?

Ich glaube, daß man Herrn Strom selbst dazu hören müßte, die Uhr funktioniert ja offensichtlich.
Seine Webseite gibt darüber leider kaum Auskunft.

Geölte Grüße!
Peter
Richard Habring
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von Richard Habring »

Albert H. Potter hat geschrieben: 27 Feb 2020, 18:28 …..
Verlängert sich durch ein gefedertes Spiralfederende nicht die Unruhspirale (Gesamtfederweg)?
…..
Nein, was sich maximal verändert ist der "Abfall", dies maximal aber nur im Überschwung.
Wenn die Klötzchenträger im Takt mitschwingen und bei Auslösung richtig stehen (ohne nennenswerten Abfallfehler) dann passt alles.
Schon eine ziemlich ausgeklügelte Konstruktion.
Interessant wäre zu wissen welchen Frequenzunterschied das System überbrücken kann.

Gruß
Richard
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stere
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von stere »

Welche Relevanz hat diese aufwändige Konstruktion im realen Leben? Macht man das nur, weil man es kann oder kriegt man die Uhr auf 2 Sekunden pro Tag?

stere
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unnnamed
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von unnnamed »

stere hat geschrieben: 27 Feb 2020, 20:01 Welche Relevanz hat diese aufwändige Konstruktion im realen Leben?


Keine.
Macht man das nur, weil man es kann oder kriegt man die Uhr auf 2 Sekunden pro Tag?

Das ist wie so oft eher Ersteres. Und sind wir doch mal ehrlich, wozu soll eine Uhr so genau gehen?
Das braucht kein Schwa... Mensch :mrgreen: . Ein COSC Chronometer ist schon eine feine Sache und das
gibts für kleines Geld heuer. Obendrein schade, dass auf der Seite vom Hersteller keine Angaben zur
Genauigkeit gemacht werden. Ist bei einer Armbanduhr eh nicht leicht (Temperaturunterschiede, Lage-
veränderungen, Stöße, usw.) aber es unterstreicht für mich, dass das mehr als eine ge*l anzusehende
Spielerei zu verstehen ist als der Ansatz aus der Masse der Uhren durch eine besondere Ganggenauigkeit
herauszustechen.

Alte Chronometer (Borduhren, Marinechronometer, Präzisionspendeluhren, Taschenchronometer usw.)
sind da für mich eine ganz andere Liga. Wenn, dann lieber sowas. Und da wäre ich dann für mich privat
erst recht kein Sekundenfuchser mehr. Für die xx.xxx Euro einer Resonance gibt es einige ge*le alte
Chronometeruhren (die sich aber nicht so offensichtlich am Arm spazieren tragen lassen).
Gruß Bernd
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Albert H. Potter
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von Albert H. Potter »

Bernd hat so recht!
Für die "ab 180000 SFr" der Resonanzuhr bekommt man ein Exemplar von jedem Marinechronometer-Typ aus der Produktion von Victor Kullberg,
obendrauf eine Riefler und eine Fedchenko sowie jede Menge hochwertigen Beifang. Das waren Helden der Chronometrie - jeder von ihnen hat die Grenzen für Präzision neu abgesteckt.
Wenn ich dagegen die moderne Armbanduhren-Industrie anschaue, relativiert sich das Angebot zu gepflegter Langeweile.

Aber das ist ein anderes Thema.....
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MCG
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von MCG »

Albert H. Potter hat geschrieben: 27 Feb 2020, 18:28
Das bringt mich zu einem weiteren Punkt. Die Unruhen bei Journe und Dufour (nochmal - die Dufour Duality basiert nicht auf dem Resonanzprinzip) lassen sich einzeln regulieren, da jedes Schwingsystem einzeln betrieben werden kann. Bei Journe sind die Werke komplett unabhängig. Bei Dufour könnte man erst eine Unruh entnehmen und die verbliebene regulieren und danach umgekehrt.

Geölte Grüße!
Peter
Das wusste ich nicht - danke für die Aufklärung. Ich dachte immer, die Duality sei DIE Resonanz Uhr. :oops:
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von MCG »

Albert H. Potter hat geschrieben: 27 Feb 2020, 18:28
Die Hemmung muß also nicht nur die Energie für die Unruh liefern, sondern für all die anderen Federbewegungen auch. Will man das?
Durch den variablen Spiralansteckpunkt haben wir automatisch eine zusätzliche Variable bei der Amplitude. Will man das?
Verlängert sich durch ein gefedertes Spiralfederende nicht die Unruhspirale (Gesamtfederweg)?

Es sieht relativ umständlich aus.

Resultiert daraus die merkwürdige Schwingfrequenz von 25200?

Geölte Grüße!
Peter
Will man das?! Genau.
Für mich sieht das tatsächlich auch etwas verkrampft aus. Effekthascherei. Das Werk von FPJ oder auch das von Dufour (auch wenn es nicht Resonanz ist) sieht elegant und „clean“ aus. Dasjenige von Strom hat - wie das Jeannie treffend schrieb - etwas Steampunk-artiges... :oops:

Die 25200 / 3.5Hz ist ja nicht mehr so ungewöhnlich. Scheint für die Genauigkeit zu genügen. Viele neuere ETA und/oder Omega Werke nutzen diese Frequenz zur Verbesserung der Gangautonomie.
LG aus Mostindien - Markus
Richard Habring
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Re: die "atmende" Hemmung?

Beitrag von Richard Habring »

ursprünglicher Beitrag gelöscht

beste Grüße
Richard
P.S. zum Glück gibt's die bekannten Einheitsuhren!
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