Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Gerade ist wieder von England und Gibraltar die Rede, das bringt mich auf einen Sachverhalt, der in diesem Zusammehang uhrentechnisch von Interesse sein könnte.
Im Rahmen der spanischen Erbfolge-Auseinandersetzungen und weil die Habsburger nicht mehr so recht die Vorherrschaft in Europa hatten, gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts an allen Ecken und Enden Europas Gemezel und kriegerischen Streit, man könnte fast sagen, so ziemlich jeder gegen jeden. Schnell verbündete sich der Eine gegen den Anderen, zusammen ging es gegen Dritte, es war richtig was los auf dem Kontinent. Nachdem die Holländer vor Gibraltar von den Engländern überfallen worden waren, verbündeten sie sich kurzerhand danach und überfielen gemeinsam Gibraltar, es war das Jahr 1704. Es half noch der Verbündete Prinz von Hessen-Darmstadt! Entgegen der allgemeinen Taktik begann die Eroberung während der nachmittäglichen Siesta, die müden Spanier mussten sich geschlagen geben.
Einer der englischen Admiräle, Sir Cloudesly Showell, fuhr danach weiter nach Toulon und belagerte die Stadt. Leider klappte das nicht, und er fuhr zurück, winkte auf der Höhe von Gibraltar kurz und setzte seine Reise fort in Richtung England.
Navigagorisch hatte er aber ein Problem: Er konnte auf hoher See, fernab von Küsten, den Längengrad nicht richtig bestimmen, so weit war man technisch noch nicht, und so fuhr er letztliche etwa 80 Seemeilen westlicher als geplant und eher mangelhaft berechnet - und rauschte mit fünf Schiffen seiner Flotte auf die Klippen vor den Scilly Islands. 1.500 Mann einschließlich des Admirals fanden den Tod.
Die Englische Königin und das Parlament waren not amused und verlangten, dass man doch endlich und nicht zuletzt zur Sicherung der englischen Seeherrschaft eine Möglichkeit finden möge, den Längengrad auf See ausreichend genau bestimmen zu können.
Das Parlament setzte daraufhin 1714 mit dem sog. Longitude Act eine Belohnung von 20.000 Pfund für denjenigen aus, dem es gelänge, das Problem endlich zu lösen.
Es entand ein langer und sehr interessanter Wettbewerb zwischen den verschiedensten Personen und Ansätzen, es gibt dazu ein sehr populäres, wenn auch nicht ganz genaues Buch "Längengrad" von Dava Sobel und für denjenigen, der's genauer wissen will, das englische Buch "Finding Longitude" von Richard Dunn und Regekah Higgitt.
Kurz, des Rätsels Lösung fand der Londoner Schreiner und Uhrmacher John Harrsison, indem er eine seegehende Uhr erfand, und seine technischen Neuerungen wie die (Grashopper-)Hemmung, das doppelte Federhaus oder die Temperaturkompensation mit unterschiedlichen Metallen bzw. Bimetallen hat seither und bis heute Einzug in die Uhrentechnik gefunden.
Wer mag, kann dazu hier einen Powerpointvortrag von mir herunterladen, den ich hier und da zum Thema halte.
Gibraltar war gerade eben noch im Brexit-Abkommen strittig, und eine Seefahrt von Gibraltar nach England vor etwas mehr als 300 Jahren mit einem Ende im Desaster hat letztlich dazu geführt, dass damals eine Uhrentechnik erfunden wurde, die noch heute - allenfalls immer wieder verfeinert, aber im Grundsatz gleich - unsere Armbanduhrentechnik prägt.
Harrisons Uhr H1, sein erster, schon sehr positiver Versuch, war allerdings ein Klopper: etwa 60x60 cm maß groß, 33 kg und mit etwa 1.400 Einzelteilen. Vor vier Jahren habe ich sie mir in Greenwich angesehen, das war schon ein Erlebnis.
Also, wer über Gibraltar und die Scillys spricht und mit Uhren zu tun hat, sollte diese Zusammenhänge kennen!
Im Rahmen der spanischen Erbfolge-Auseinandersetzungen und weil die Habsburger nicht mehr so recht die Vorherrschaft in Europa hatten, gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts an allen Ecken und Enden Europas Gemezel und kriegerischen Streit, man könnte fast sagen, so ziemlich jeder gegen jeden. Schnell verbündete sich der Eine gegen den Anderen, zusammen ging es gegen Dritte, es war richtig was los auf dem Kontinent. Nachdem die Holländer vor Gibraltar von den Engländern überfallen worden waren, verbündeten sie sich kurzerhand danach und überfielen gemeinsam Gibraltar, es war das Jahr 1704. Es half noch der Verbündete Prinz von Hessen-Darmstadt! Entgegen der allgemeinen Taktik begann die Eroberung während der nachmittäglichen Siesta, die müden Spanier mussten sich geschlagen geben.
Einer der englischen Admiräle, Sir Cloudesly Showell, fuhr danach weiter nach Toulon und belagerte die Stadt. Leider klappte das nicht, und er fuhr zurück, winkte auf der Höhe von Gibraltar kurz und setzte seine Reise fort in Richtung England.
Navigagorisch hatte er aber ein Problem: Er konnte auf hoher See, fernab von Küsten, den Längengrad nicht richtig bestimmen, so weit war man technisch noch nicht, und so fuhr er letztliche etwa 80 Seemeilen westlicher als geplant und eher mangelhaft berechnet - und rauschte mit fünf Schiffen seiner Flotte auf die Klippen vor den Scilly Islands. 1.500 Mann einschließlich des Admirals fanden den Tod.
Die Englische Königin und das Parlament waren not amused und verlangten, dass man doch endlich und nicht zuletzt zur Sicherung der englischen Seeherrschaft eine Möglichkeit finden möge, den Längengrad auf See ausreichend genau bestimmen zu können.
Das Parlament setzte daraufhin 1714 mit dem sog. Longitude Act eine Belohnung von 20.000 Pfund für denjenigen aus, dem es gelänge, das Problem endlich zu lösen.
Es entand ein langer und sehr interessanter Wettbewerb zwischen den verschiedensten Personen und Ansätzen, es gibt dazu ein sehr populäres, wenn auch nicht ganz genaues Buch "Längengrad" von Dava Sobel und für denjenigen, der's genauer wissen will, das englische Buch "Finding Longitude" von Richard Dunn und Regekah Higgitt.
Kurz, des Rätsels Lösung fand der Londoner Schreiner und Uhrmacher John Harrsison, indem er eine seegehende Uhr erfand, und seine technischen Neuerungen wie die (Grashopper-)Hemmung, das doppelte Federhaus oder die Temperaturkompensation mit unterschiedlichen Metallen bzw. Bimetallen hat seither und bis heute Einzug in die Uhrentechnik gefunden.
Wer mag, kann dazu hier einen Powerpointvortrag von mir herunterladen, den ich hier und da zum Thema halte.
Gibraltar war gerade eben noch im Brexit-Abkommen strittig, und eine Seefahrt von Gibraltar nach England vor etwas mehr als 300 Jahren mit einem Ende im Desaster hat letztlich dazu geführt, dass damals eine Uhrentechnik erfunden wurde, die noch heute - allenfalls immer wieder verfeinert, aber im Grundsatz gleich - unsere Armbanduhrentechnik prägt.
Harrisons Uhr H1, sein erster, schon sehr positiver Versuch, war allerdings ein Klopper: etwa 60x60 cm maß groß, 33 kg und mit etwa 1.400 Einzelteilen. Vor vier Jahren habe ich sie mir in Greenwich angesehen, das war schon ein Erlebnis.
Also, wer über Gibraltar und die Scillys spricht und mit Uhren zu tun hat, sollte diese Zusammenhänge kennen!
Schöne Uhrengrüße, Gerhard
- Thomas H. Ernst
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Spannend zu lesen, danke Gerhard!
Grüsse Thomas
Euer Board-Admin
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
sehr interessant und informativ, danke!
LG Peter
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yi lu ping an 20200216
mingtian mingtian ni de wei xiao
jiang shi bian ya chun hua
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
sehr interessant und informativ, danke!
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
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Je suis Charlie et je suis Ahmed.
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- MCG
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Sehr cool, danke Dir!
Die Vorgeschichte kannte ich in der Tat noch nicht…
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LG aus Mostindien - Markus
- Heinz-Jürgen
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Danke, Gerhard. Wieder was gelernt!
Grüße aus dem Pott
Heinz-Jürgen
🎼 All you need is laugh
Heinz-Jürgen
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- Quadrilette172
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Danke für die interessanten Ausführungen .
- cool runnings
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Interessant, vielen Dank, Gerhard. Habe vor ein paar Jahren das Buch Längengrad gelesen. ich fand es sehr gut. Wobei ich nicht beurteilen kann, ob das alles richtig ist, was darin steht. Du hast Deine Zweifel ja geäussert.
Viele Grüße Dean
Man darf in einer Demokratie zu allem eine Meinung haben - man muss aber nicht.
Dieter Nuhr
Man darf in einer Demokratie zu allem eine Meinung haben - man muss aber nicht.
Dieter Nuhr
Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Das erste Buch, das ich darüber gelesen habe, war auch das von Dava Sobel, sehr schön geschrieben, hab's in einem Rutsch durchgelesen. Dann habe ich mich etwas mehr beschäftigt und das zweite, englische Buch besorgt, das wesentlich detaillierter beschreibt. Sobels Buch ist eine spannende Geschichte, in der Harrison recht gut wegkommt und man das Gefühl hat, dass die astronomische Gesellschaft ihm persönlich nur Schlechtes wollte usw.
Das andere Buch beschreibt ein wenig detaillierter die Schwierigkeiten und das Umfeld. So konnte Harrison nichts dazu, dass die Astronomen nicht im Geringsten jemals daran gedacht hatten, etwas außerhalb ihres Gesichtsfeldes könne überhaupt das Längenproblem lösen, eben eine "simple" Uhr. Sie waren in ihrem wissenschaftlich-mathematischen Bereich gefangen, alles ging nur um Tafeln, Berechnungen, Beobachtungen usw. Sie waren eigentlich weniger gegen Harrison als gegen seine Uhr, weil sie es sich einfach nicht vorstellen konnten.
Hinzu kam, dass Harrison zwar ein genialer Handwerker und Erfinder war, aber seine Erfindungen nur extrem schlecht "verkaufen" konnte. Er war sehr umständlich, allein die Erläuterung seiner ersten H1 (Bild oben), und diese Erläuterung war Pflicht, dauerte eine Woche! Da waren die hohen Herren natürlich etwas genervt. Er hilt die Termine nicht ein, war ungeschickt im Verhandeln usw. Insofern meine Empfehlung für denjenigen, der sich etwas tiefer einlesen möchte in diese absolut spannende Geschichte, auch das "Finding Longitude" zu lesen.
Das andere Buch beschreibt ein wenig detaillierter die Schwierigkeiten und das Umfeld. So konnte Harrison nichts dazu, dass die Astronomen nicht im Geringsten jemals daran gedacht hatten, etwas außerhalb ihres Gesichtsfeldes könne überhaupt das Längenproblem lösen, eben eine "simple" Uhr. Sie waren in ihrem wissenschaftlich-mathematischen Bereich gefangen, alles ging nur um Tafeln, Berechnungen, Beobachtungen usw. Sie waren eigentlich weniger gegen Harrison als gegen seine Uhr, weil sie es sich einfach nicht vorstellen konnten.
Hinzu kam, dass Harrison zwar ein genialer Handwerker und Erfinder war, aber seine Erfindungen nur extrem schlecht "verkaufen" konnte. Er war sehr umständlich, allein die Erläuterung seiner ersten H1 (Bild oben), und diese Erläuterung war Pflicht, dauerte eine Woche! Da waren die hohen Herren natürlich etwas genervt. Er hilt die Termine nicht ein, war ungeschickt im Verhandeln usw. Insofern meine Empfehlung für denjenigen, der sich etwas tiefer einlesen möchte in diese absolut spannende Geschichte, auch das "Finding Longitude" zu lesen.
Schöne Uhrengrüße, Gerhard
Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Ich habe sie mir zur Ausstellung"Ships, Clocks and Stars: The Quest for Longitude"
angesehen. Fast eine Stunde habe ich davor gesessen und bin drumrum geschlichen,
bis ich sie endlich verstanden hatte. Ein absoluter Hammer die Uhr. Dann wäre ich
fast rausgeflogen, weil ich unerlaubterweise Fotos gemacht habe, was in dieser Son-
derausstellung ganz furchtbar steng verboten war
Gruss
Michael
- MCG
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Wars wirklich wegen „verboten“ oder hast Du zufälligerweise Deine Schuhe vorher vergessen ??lottemann hat geschrieben: ↑25 Nov 2018, 19:32Ich habe sie mir zur Ausstellung"Ships, Clocks and Stars: The Quest for Longitude"
angesehen. Fast eine Stunde habe ich davor gesessen und bin drumrum geschlichen,
bis ich sie endlich verstanden hatte. Ein absoluter Hammer die Uhr. Dann wäre ich
fast rausgeflogen, weil ich unerlaubterweise Fotos gemacht habe, was in dieser Son-
derausstellung ganz furchtbar steng verboten war
Gruss
Michael
LG aus Mostindien - Markus
Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Die Schuhe hatte ich natürlich vergessen, aber verboten wars auch mit.
Aber so richtig. Die Schnecke war echt stinkig und hätte mich beinahe
rauseskortiert... *
* aber eben nur bis zum Ausgang
Aber so richtig. Die Schnecke war echt stinkig und hätte mich beinahe
rauseskortiert... *
* aber eben nur bis zum Ausgang
- mike_votec
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Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Großartig Gerhard, vielen Dank!
Grüße,
Michael
Michael
Re: Was hat der Brexit mit unserem Uhrenhobby zu tun?
Also, ich war 2014 in der gleichen Sonderausstellung und hatte absolut keine Probleme, dort zu fotografieren, weder im Observatory, noch im Marine Museum oder dem Queen's House. Waren dort alle sehr freundlich. Wahrscheinlich hatte ich einfach die schöneren Schuhe an.
Schöne Uhrengrüße, Gerhard