SIHH 2019: IWC Spitfire

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Thomas H. Ernst
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von Thomas H. Ernst »

tourbillon69 hat geschrieben: 23 Jan 2019, 15:13 Rolex-Kaliber können deswegen keine Manufakturkaliber sein, weil Rolex keine Manufaktur ist, sondern eine Fabrik Die ständige falsche Verwendung eines Begriffs https://de.wikipedia.org/wiki/Manufaktur ändert an der ganzen Definition nichts.
Grundsätzlich stimmt das schon was da im Wiki steht. Allerdings gilt das nicht für die Uhrenindustrie. Per Definition darf ein Werk als Manufakturwerk bezeichnet werden wenn die Platine selbst hergestellt wird.
Grüsse Thomas
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u2112
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von u2112 »

tourbillon69 hat geschrieben: 24 Jan 2019, 14:13 ...Frei nach dem Motto meines GK-Lieblingsspruchs: "Interessiert doch 'eh keine Sau!"
Jetzt mache ich mich mal unbeliebt und sage: "Recht hat er."

Das mag den Ingenieur/Künstler/Uhrmacher etc. pp. schmerzen, aber am Ende ist (gerade in heutiger Zeit) eine Uhrenfirma keine gemeinnützige Veranstaltung, sondern unterliegt den üblichen betriebswirtschaftlichen Zwängen. Und ein Kernpunkt ( :wink: ) dabei ist: Investitionen müssen sich rentieren. Wenn ich ein Produkt mit Eigenschaften entwickle, die zwar viel Geld kosten, aber für die meine Kunden keine Zalungsbereitschaft haben, bin ich als Unternehmer auf dem falschen Weg.

Platt gesagt: Wenn ich die Wahl habe, zwischen A. 100 Richards, die auf der Zifferblattseite die Kanten anglieren und B. 1 Brad Pitt, der im Halbschlaf von der Bühne grinst, ist die schlichte Frage: Was bringt mehr Deckungsbeitrag? Ist es B., dann kippt man sein Geld irgendeinem Schauspielerhansel in die Tasche und die Truppe mit der Berufsehre kriegt wenig Liebe.

Das kann man beweinen, es ist halt so. Das geht ja Dir als selbständigem Unternehmer nicht anders - auch bei Deinen Uhren ginge noch mehr in allen Dimensionen, nur kann nicht jeder eine Dufour-Strategie fahren und auch Du musst Kosten und realisierbare Marktpreise im Blick behalten. Wenn man Kunden hat, die Liebe bis zum letzten Detail wollen, erwarten und (wichtig) dafür auch bereit sind zu bezahlen, dann kann man sich da selbst verwirklichen. Wenn man aber Uhren für 5.000 Euro verkauft und nicht für 50.000 Euro (oder gar 500.000 Euro), hat alles Grenzen. Dann kann man z.B. sagen: Wir investieren in technische Komplikationen, dafür halten wir Zifferblätter und Gehäuse etwas schlichter. Wenn es das ist, was die Kunden wollen - alles gut. Wenn die Kunden aber ChiChi wollen, dann ist es schwierig.

Und da können wir doch ganz einfach mal auf den Markt schauen:

- Welchen Aufpreis zahlen die Leute für einen Doppelchrono/Rattrapante-Modell bei IWC im Gebrauchtmarkt? Da liegen wir bei knapp 1000 Euro zu einem normalen Chrono (3714 vs. 3712, 3715 vs. 3719, 3713 vs. 3717), obwohl die Listenpreise im Vergleich zum normalen Chrono oft doppelt so hoch waren.

- Welchen Aufpreis zahlen die Leute für einen technisch perfekten Jahreskalender bei Omega im Vergleich zum normalen Modell? Vielleicht auch 1000 Euro, die mussten bei der Aqua Terra sogar deutlich den Listenpreis senken, weil die Kunden einfach nicht verstanden haben, was der Unterschied ist.

- Welchen technischen Sachverstand haben selbst viele Mitglieder in Uhrenforen, wenn man Dinge liest wie "Wer nicht weiß, welcher Monat/welches Jahr ist, dem ist nicht zu helfen..." als Reaktion of eine Monatsanzeige (bei einem Jahreskalender) bzw. eine Jahresanzeige (bei einem Ewigen Kalender).

- Welche Marktpreise erzielen Taschenuhren heute noch? Ich gehöre da ja (wie Heiko) zu einer aussterbenden Minderheit, die noch als leicht verschroben geradeso geduldet wird. Eine schöne Taschenuhr mit einem IWC Kal. 97 oder 95 kriegt man ohne Probleme unter 1000 Euro, manchmal sogar in Gold. Ich weiß jetzt nicht, wie ein alter Hase (@Richard) diese Werke einschätzt, aber in meinem laienhaften Verständnis ist da mehr "Manufaktur" drin als in allem Kram, der heute verbaut wird.

Und das ist die Realität: Für schönes Handwerk sind nur noch versprengte Randgruppen bereit, 800 Euro springen zu lassen - für irgendwelche (sicherlich sauber entwickelten und technisch sehr zuverlässigen) Automaten-Uhren sind 8.000 Euro ein Schnäppchen, für das es sich jahrelang zu warten lohnt.

Deshalb finde ich persönlich vieles an der Kritik an der Politik heutiger Uhrenfirmen müßig - die liefern, was die Kunde (bezahlen) wollen. Nicht mehr und nicht weniger.

Gruß,
Christian
Richard Habring
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von Richard Habring »

Thomas H. Ernst hat geschrieben: 24 Jan 2019, 23:07 Grundsätzlich stimmt das schon was da im Wiki steht. Allerdings gilt das nicht für die Uhrenindustrie. Per Definition darf ein Werk als Manufakturwerk bezeichnet werden wenn die Platine selbst hergestellt wird.
Die Definition stammt vom geschätzten Martin Häussermann, aus einer Zeit als IWC (bei Lange) die Platinen für die 9828 fertigte, sonst nix. Letztlich stellt sie damit aber nichts anderes als seine persönliche Meinung zur fraglichen Zeit dar.
u2112 hat geschrieben: 24 Jan 2019, 23:23 Jetzt mache ich mich mal unbeliebt und sage: "Recht hat er."
Nein, hat er nicht. Die Zahlen scheinen ihm aktuell recht zu geben, diese können sich aber auch wieder schnell verändern.
Was nämlich Charaktere wie GK absolut nicht nachvollziehen können ist, dass es bei den Uhren nicht nur um einen x-beliebig ersetzbaren Gebrauchsgegenstand geht sondern um ein (Schweizer) Kulturgut.
Selbst Leuten wie Rupert und Cologni scheint das mittlerweile klar zu sein: https://www.michelangelofoundation.org/our-founders/
Deren Problem ist aber: die können das selber nicht. Aber eigentlich leben sie damit vor, dass Betriebswirtschaft wichtig aber nicht alles ist.
Glaubt irgendjemand wirklich, dass es einem Messias gleich, gerade GK brauchte die IWC zur Blüte zu führen?
Wir werden in 10 Jahren frühestens einschätzen können ob er sich damit in die Geschichte der IWC eingetragen hat oder ob's nur ein kurzes Intermezzo war von denen es in der Geschichte von 1868 weg eine Menge gab. Wir werden auch erst in 10 Jahren ermessen können ob ein gerade eingeführtes Werk seine Versprechungen halten wird können, oder ob unterm Strich eine halb so teure Uhr mit Jaeger-Werk aus den 90ern noch immer die bessere Wahl bleibt.
Wir wissen auch nicht wo die IWC heute stünde hätte man diese Kultur beibehalten von der Jan und ich hier schwärmen. Ich rede von einer Kultur hoher Identifikation mit dem Produkt wie ich sie ind en 90ern kennenlernen und schätzen durfte. Da gab's dann schon mal ein Veto im Sinne von "nur über meine Leiche" wenn es darum ging ein neues Werk einzuführen. Da wurde man als Führer durch den Betrieb auch schon mal zurechtgewiesen, dass die verkürzte Fassung der Tätigkeit nicht ganz der Realität entspricht.
Was ich den Kollegen vorhalte, dass man diese Kultur offenbar dem Messias geopfert hat weil man in der regelmässigen Pflege seiner Darmschlingen am ehesten die Chancen auf satte Boni und weiterkommen in der Karriere gewahrt sah. Hätte man besser die Zeit genutzt und sich ein paar schöne Produkte ausgedacht, also richtige Produkte, keine aufgewärmten aus den 90ern die GK höchstpersönlich aus dem Sortiment kippte.
Einem Blümlein konnte man immer die persönliche Meinung sagen, auch wenn es darauf hinauslief, dass sich eine Idee als Schnapsidee entpuppte.
Meine Hoffnung ist, dass sich da in Münchhausen noch ein paar Wackere finden die sich Blümlein's "was interessiert mich mein blödes Geschwätz von gestern" zu Herzen nehmen und wieder die IWC-Kultur leben.
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u2112
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von u2112 »

Das sind interessante Punkte und ich würde Dir zustimmen, dass man mit Betriebswirtschaft allein kein Unternehmen groß macht, das auf einem technisch/physischem Produkt basiert - ohne aber auch nicht...

Was ja in der Diskussion immer mitschwingt (da interpretiere ich auch Deine Aussagen hoffentlich richtig, sonst bitte widersprechen):

a. Die Basis des Erfolgs von IWC lag in den 80/90er Jahren und ein GK hat im Prinzip nur die Ernte eingefahren.

b. Dieses "Ernte einfahren" wurde nur mit dem Blick auf kurzfristigen Erfolg gemacht, so dass "langfristig" die Marke IWC leiden wird und es mehr schadet als nutzt.

Für mich als (wirklich absolut) Außenstehenden ist es schwer, genau eine Trennlinie zu ziehen, zwischen der alten und der neuen Welt, weil ich nicht weiß, welche Ideen/Projekte schon Jahre in der Mache waren - deshalb mit der Warnung vor einer gewissen Unschärfe:

Aus meiner Sicht ist der Verdienst von Kern folgender: Er hat eine ziemlich verschnarchte, DACH/IT orientierte mittelständische Firma, die dominiert von Ingenieuren und Technikern war, in eine globale Marke transformiert. In den 90er Jahren war IWC gerade in der Vermarktung noch eine ziemliche "Provinz-Bude" - was aber zeitgemäß völlig ok war, da das Thema mechanische Uhren im Prinzip ein ebenso verschnarchtes "Provinz-Thema" war. Damals haben keine Chinesen Milliarden ausgegeben, sondern ein paar technikaffine, leicht verschrobene Zentraleuropäer - und IWC war weit weg vom globalen Glamour.

Die erste Phase nach der Fast-Pleite Ende der 70er Jahre hat Blümlein ja ohne Zweifel mit viel Geschick und einem guten Team (gerade auf der technischen Seite) gemeistert. Und aus der Zeit stammen auch verschiedene Elemente, die für den heutigen Erfolg wichtig waren. Aus meiner Sicht waren das

a. Der Fokus auf "moderne", technische Innovationen (z.B. Ocean 2000, AMAG, Titan, Keramik, 500.000 A/m)

b. Die Repositionierung von IWC als Marke für Komplikationen (früher gab es ja nur Dreizeiger), z.B. durch den Ewigen Kalender, die Chronos, UTC, Doppelchrono und natürlich die Grande Complication als Highlight

c. Die Wiederentdeckung von zwei Kernprodukt-Linien, nämlich Flieger und Portugieser.

Betriebswirtschaftlich betrachtet (wieder nur die Außensicht) war a. ein Desaster, mit dem viel Geld verbrannt wurde. Geld verdient hat man in diesem Bereich mit den PD Uhren, bei denen man ja sagen muss, dass der IWC-Beitrag überschaubar war - externes Design, externe Werke, im Prinzip hat man die zusammengebaut.

Die Punkte b. und c. sind dagegen wohl auch betriebswirtschaftlich (bis heute) sehr erfolgreich gewesen.

Wenn man sich dann anhand z.B. der Kommunikation nach außen die Hauptunterschiede der Folgejahrzehnte anschaut, dann würde ich die Hauptpunkte der Kern-Zeit wie folgt umschreiben:

a. Eine sehr professionelle Modellpolitik mit in den Zielgruppen, Designs, Geschichte etc. sehr klar abgegrenzten Kollektionen (Portugieser, Flieger, Portofino, Ingenieur, Aquatimer und Da Vinci)

b. Ein absoluter Fokus auf Internationalisierung, weniger Fokus auf (Zentral-)Europa, Blick nach Asien und USA

c. Repositionierung der Marke mehr Richtung Lifestyle

d. Umsetzung des Schwenks in zu einer "Inhouse"-Marke (zumindest konzernintern).

Wie würde ich das bewerten?

Für a. kriegt GK von mir eine 1. Das war vorher bei IWC Kraut und Rüben und viele Marken sind daran gescheitert. Selbst erfolgreiche Brands wie AP oder BP werden nur als "Ein Modell Marken" wahrgenommen, andere wie JLC als völlig unstrukturiert. Es gibt keine Marke in der Liga von IWC mit einem so diversen und klar profilierten Kollektion.

Das Thema b. ist für alle von uns (auch mich) mit Schmerzen verbunden, da es im Umkehrschluss heißt: Unsere (auch meine) relative Bedeutung sinkt. Da kommen dann Themen zusammen wie das Reduzieren der Konzessionen in DACH, die deutschen Datumsscheiben und Publikationen etc. pp. Am Ende müssen wir alle aber anerkennen: Will man wachsen, ist das alternativlos. Auch da hat GK sicherlich deutlich mehr richtig als falsch gemacht.

Das Thema c. schmerzt viele ebenso, da wir eben zu den eher deutsch-/technisch-/nüchtern etc. orientierten Kunden der 90er jahre gehörten und mit dem Lifestyle/PR-Chichi nichts anfangen können (ich übrigens als Kunde auch nicht). Aber: das verkauft halt Uhren und das zu wesentlich höheren Margen. Und dass ist auch ein Aspekt, den man nicht außer Acht lassen darf. Als Blümlein übernommen hatte, ginge es (überspitzt fomuliert) darum, bei einem marginalen Hobby-Projekt eines Großindustriellen dafür zu sorgen, dass das Geld nicht verbrannt wird. Als GK anfing, war IWC schon für Milliarden an einen reinen Luxus/Uhren-Konzern verkauft worden, der einen ganz anderen Hintergrund hatte und diese Investition wieder einspielen musste.

Da kann man sich viele technische "Spielereien" schlicht nicht leisten. Mit der 500,000 A/m hat man nur Geld verbrannt, mit jeder goldenen Portofino oder Mark XVI dagegen ordentlich Geld verdient. Und das war ja die Hauptaufgabe von GK: Bring das Geld wieder rein. Nach allem, was noch außen sichtbar ist, scheint das funktioniert zu habne - das kann man ihm also nicht vorwerfen. Blümlein hätte übrigens vor der gleichen Aufgabe gestanden.

Und schließlich d.: GK hat bei der Marge gearbeitet bis es quietscht - deshalb Sellita bis zum Ende bei den Einstiegsuhren. Das wird eigentlich nur übertroffen von der anderen Ikone des Uhrenmarketings, JCB, der Sellita auch bei den hochpreisigen Uhren durchzieht (aber das ist ein anderes Thema... :wink: ). Was er gemacht hat war: Solange wie möglich mit dem technischen Status Quo durchziehen und das auch preislich. Also erst ordentlich Geld verdienen, Umsatz und Marge nach oben bringen und dann auf der Produktseit investieren. Letzteres sehen wir jetzt, durch das neue Manufakturzentrum, die neuen Werke und die bevorstehende Abkehr von ETA/Sellita. Wenn man mehr von der technischen Seite kommt, schmerzt das natürlich, weil für eine Zeit die Schere von technischem Anspruch/Innovationsgrad und Preis aufgeht. Aber andersherum (also erst die Technik liefern und dann ums Marketing kümmern) wäre es sich finanziell sehr wahrscheinlich nicht ausgegangen.

Fazit: Aus meiner Sicht war GK der richtige Mann für diese Zeit, ebenso wie Blümlein der richtige Mann für seine Zeit war. Für die nächste Phase braucht es sicherlich wieder einen mit mehr Fokus auf das "Innenleben" und die technische Kompetenz, um die Technik-Preis Schere zu schließen. Die Basis dafür, dass man sich das jetzt auch erlauben kann, wurde aber vorher gelegt. Und nein, ich glaube nicht, dass jeder blinde Andere die letzten 15 Jahre so erfolgreich wie GK hinbekommen könnte. Und ich glaube auch nicht, dass IWC da einen "langfristigen Schaden" (was immer und wann immer das sein soll) genommen hat, solange man jetzt auch die nächste Phase (wieder Fokus auf Technik, Werke etc.) wieder richtig macht.

Aber, wie gesagt, das ist meine Einschätzung als Außenstehender - da bin ich natürlich gespannt auf die Meinung von (zumindest ehemaligen) Insidern :wink:

Gruß,
Christian
r.as.
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von r.as. »

Vielen Dank!!

Rolf
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Thomas H. Ernst
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von Thomas H. Ernst »

tourbillon69 hat geschrieben: 25 Jan 2019, 10:05Die Definition stammt vom geschätzten Martin Häussermann, aus einer Zeit als IWC (bei Lange) die Platinen für die 9828 fertigte, sonst nix. Letztlich stellt sie damit aber nichts anderes als seine persönliche Meinung zur fraglichen Zeit dar.
Ich habe diese Definition öfters gehört und zwar zu Zeiten als ich Martin noch gar nicht kannte. Daher vermute ich dass er sie ebenfalls gehört/gelesen und weiter getragen hat. Bin mir nicht sicher, aber ich meine diese zum ersten Mal im Vademecum von Hans Wilsdorf gelesen zu haben. Ein Mitarbeiter von Frédéric Piguet hat sich ebenfalls in diese Richtung geäussert.

Die FH hat 1961 den Begriff recht lax definiert: Die Uhr muss zu einem grossen Teil selbst gefertigt werden, Aufrichten, Einschalten, Zeiger setzen und Feinstellen ist zu wenig. Zu Zeiten also, als als die meisten Uhrenhersteller auf Rohwerkehersteller zurückgriffen und mal mehr, mal weniger an den Werken selbst schraubten, haben sich die verbleibenden Produzenten deshalb auf die Nummer mit den Platinen eingeschossen um zu demonstrieren dass sie eben nicht vorgefertigte Komponenten einkaufen und ggfs. veredeln sondern nebst Brücken und Kloben auch die Platine selbst fräsen. Womit natürlich nicht gesagt ist wer die Konstruktion durchgeführt hat, Räderwerk und Hemmungskomponenten kamen ja trotzdem von Zulieferern.

In den späten 1990ern hat mir J.J. Frey gesagt, dass er, im Gegesatz zu seinem Vater, das Kaliber 48 nicht als Manufakturwerk betrachtet da nur die Brücken umgestaltet wurden aber die Platine vom Basiskaliber verwendet wurde. Geht also auch in diese Richtung.
Grüsse Thomas
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Richard Habring
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von Richard Habring »

Danke Christian!
1a! :thumbsup:

zu den ersteren Punkten a. und b. möchte ich präzisieren, dass es die Geschichte zeigen wird (irgendwann mal, im Rückblick) ob die unbestrittenen Fortschritte (Stückzahl) die IWC in der Ära Kern gemacht hat auch wirklich nachhaltigen Bestand haben werden.

Aber wie sagte schon Freud auf die Frage: "Was will das Weib?" Ich weiß es nicht! ;-)

Gruß
Richard
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archimagirus
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von archimagirus »

tourbillon69 hat geschrieben: 25 Jan 2019, 19:46 Danke Christian!
1a! :thumbsup:
...da schliesse ich mich gerne an! :thumbsup:
tourbillon69 hat geschrieben: 25 Jan 2019, 19:46 ..zu den ersteren Punkten a. und b. möchte ich präzisieren, dass es die Geschichte zeigen wird (irgendwann mal, im Rückblick) ob die unbestrittenen Fortschritte (Stückzahl) die IWC in der Ära Kern gemacht hat auch wirklich nachhaltigen Bestand haben werden...
Was meinst Du mit 'nachhaltigen Bestand' im Sinne von 'Wert erhaltend' bzw 'Wertsteigernd' im Sammlungs Bestand?
IWC Modelle unter Kern sind geprägt durch häufige Modellwechsel aber hohen Stückzahlen. Durch die exzessive Vermarktung als 'fashion accessoire' und die puren Stückzahlen sind diese Modelle weniger gefragt bei 'einschlägigen Sammlern'.

Die meisten IWC 'Sammler' (welche ich persönlich kenne), und ich meine nicht die Jungs die sich mal 4-6 Modelle in die Box legen weil IWC gerade 'in' ist, die jenigen haben ausschliesslich Uhren aus der Pre Kern Ära. Da sieht man wie die Sammlung bei einer Da Vinci Rattrapante, einer 5002 oder 5000, oder einem Flieger Doppelchronographen abrupt 'aufhört', ok zwei von Ihnen haben den berühmten 'letzten Keramik Flieger Doppelchrono' (3786) noch geordert.......danach war Sabbath.

Kern konnte (wirtschaftlich und persönlich) gut auf diese 'paar Verrückten' (wie er die Anwesenden mal auf einen collector's meeting nannte) verzichten.
Er hat aber meines Erachtens völlig unterschätzt welche virale Kraft eine solch kleine Gruppierung hat.
IWC hat unter Kern keine 'Enthusiasten/Connaisseure' mehr erreicht sondern 'nur' Kunden generiert.

Das gleiche passiert im Augenblick bei Breitling. Da scheisst er den selben großen Haufen auf die Sammler und kappt dort alle Verbindungen zu einer wichtigen 'Fan Base' löscht wie ein Wahnsinniger alle negativen Kommentare aus seinem instagram account und fährt die gleiche Politik wie am Rheinfall.
Tickende Grüße, Jan!
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u2112
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von u2112 »

Tja, die "Sammler" sind so eine Sache für sich. Ich würde auch denken, dass viele Sammler aus der ersten Generation mit den Kern-Jahren und -Uhren wenig anfangen konnten. Das hat aber nach meiner Beobachtung ganz unterschiedliche Ursachen:

- Mit der Internationalität ging so ein wenig das "familiäre" verloren, es kamen viele neue Gesichter aus allen Teilen der Welt dazu; auch der Wechsel ins Englische hat manchen abgeschreckt
- Viele "alte" Sammler aus DACH sind relativ "normale" Leute, d.h. nicht unbedingt Millionenerben oder anderweitig so vermögend, dass Geld egal ist. Die haben bereits mit den alten Sachen einen nicht unerheblichen Teil des liquiden Vermögens in Uhren angelegt, da ist dann irgendwann einfach Schicht.
- Und wer dann doch etwas mehr Geld zur Verfügung hat, ist oft eine Liga höher abgewandert (z.B. wie Andreas zu ALS)
- Dass umso mehr, als in der Kern-Zeit die Preise für wirklich spannende Uhren doch sehr angestiegen sind und gleichzeitig durch die Stückzahlen der Werterhalt limitiert war.
- Dadurch fiel auch ein wesentlicher Aspekt des Sammelns weg, die langwierige Suche nach schwer zu kriegenden Modellen

Durch die Distributionspolitik hat IWC auch nie diesen Verknappungs-/Spekulationshype erlebt, wie ihn (zumindest für manche Modelle) Rolex und Patek geschürt haben oder zuletzt die MiMiMickey-Mouse-Speedies. Eine neu im Laden gekaufte IWC taugte also nicht zur Wertanlage.

Die Frage ist: Ist das schlimm?

Wenn ich die aktuelle Diskussion gerade im Rolex-Bereich verfolge, nicht nur in Foren sondern auch bei Konzis, dann kippt doch da die Stimmung gerade. Leute haben einfach keinen Bock mehr darauf, dass sie selbst profane Modelle nicht mehr kaufen können - und zwar gar nicht mehr. Das mag für den einen Exklusivität sein, aber für Otto-Normal-Uhrenkäufer ist das abschreckend. Bei IWC kann man zum Konzi gehen (den es ja noch reichlich gibt) und einfach das Modell der Wahl kaufen, fertig - hat etwas ganz Erfrischendes in der aktuellen Hysterie.

Das virale Element? Hier bin ich mir nicht sicher, welche Rolle da "alte Sammler" spielen können/wollen. Die mir bekannten Leute sind ja eher vom Schlag des gesetzten älteren Herren - die kann ich mir jetzt nicht unbedingt in der Rolle der Instagram-Rakete vorstellen, denen Horden neureicher Kiddies folgen und versuchen, deren Lebensstil und Codes zu kopieren :wink:

Das sehe ich übrigens bei vielen anderen Marken auch nicht - da gibt es für jeden Hersteller 1-2 versprengte Leute in den Foren, bei manchen tönt es schon sehr penetrant nach (bezahltem) "Influencer".

Interessanterweise hat IWC im Sammler-Bereich genau da seine Stärken, wo sie in der aktuellen Kollektion oft vermisst werden: In der Substanz und technischen Kompetenz. Es gibt wenige Marken, die bei Vintage-Uhren einen so guten Support haben, bis hin zur 100 Jahre alten TU. Und es gibt wenige Marken, die eine so gute Dokumentation haben, sowohl Inhouse (denkt an die alten Bücher aber auch die neuen Seyffer-Bände) als auch aus der Community. Gibt es ein "Date your IWC"-Tool auch von anderen Marken? Viele sehr gute Seiten sind schon 10-20 Jahre alt, aber zumindest in den deutschen Foren findet man doch immer wieder spannende Beiträge aus den letzten 10 Jahren.

Durch die zweimalige Umstellung des IWC Forums ist zwar leider viel verloren gegangen, aber zumindest die englischsprachigen Sachen sind weiter suchbar.

Deshalb ist aus meiner Sicht IWC für einen Sammler eigentlich sehr interessant:
- es gibt viele, ganz unterschiedliche und zum Teil extrem rare Uhren
- der Vintage-Service und die verfügbaren Informationen erlauben eine gute Verifikation
- die Preise sind selbst für absolute Highlights sehr überschaubar im Markenvergleich
- und die Betrugs-/Fake-Quote ist gefühlt deutlich niedriger als bei anderen (z.B. Rolex)

Und da kommt dann die Eigenart des IWC-Sammlers durch - man trommelt das nicht viral durch die Lande, sondern hofft innerlich, dass es so bleibt - zumindest bis man selbst die guten Sachen selbst alle günstig eingesammelt hat :whistling:

Gruß,
Christian
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SteveMcQueen
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von SteveMcQueen »

Schön, dass man bei IWC endlich aufwacht. Der Chrono ist sowohl im Bronze- als auch im Stahlgehäuse sehr ansprechend (jedenfalls auf den Bildern).
Mit Uhren ist es wie mit Menschen: Manche sind Originale, andere bleiben zeitlebens nur eine Kopie. - Horrido, Steffen.
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von SteveMcQueen »

Diese Diskussion ist ein Perpetuum Mobile, das sich immer wieder selbst antreibt, ohne jemals irgendwo anzukommen.

Eine Uhr ist ein Luxusgut - das gilt mit Einschränkungen, aber ganz sicher ohne Einschränkungen für die Ticker, die wir hier so diskutieren. Luxus bedeutet, dass der Preis völlig von der Nützlichkeit entkoppelt ist. Insofern spielen bei der Kaufentscheidung allein emotionale Gründe eine Rolle.

Wer die richtigen Emotionen seiner Zielgruppe anspricht, verkauft seine Uhren. Wem es nicht gelingt, der verkauft eben nicht (oder zumindest deutlich weniger).

Der Versuch, Emotionen versachlichen zu wollen, muss immer scheitern. Berechtigt ist allerdings die Frage wie ehrlich die Kommunikation der Anbieter beim Erzeugen der Emotionen ist. Dann sollte man aber die Frage anschließen, wen aus der Zielgruppe das überhaupt ernsthaft kümmert.

Wir Uhrenforumsschreiberlinge sind bestenfalls eine marginale Untergruppe der Zielgruppe. Ob uns das nun passt oder nicht. :mrgreen:
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von cool runnings »

Sehr interessante Diskussion. Ich finde Christians Analyse sehr treffend.
Meine IWCs stammen übrigens auch alle aus der Pre-Kern-Ära.

Habe meinen ursprünglichen Beitrag etwas gekürzt. :wink:
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von cool runnings »

SteveMcQueen hat geschrieben: 26 Jan 2019, 23:14 Diese Diskussion ist ein Perpetuum Mobile, das sich immer wieder selbst antreibt, ohne jemals irgendwo anzukommen.

Eine Uhr ist ein Luxusgut - das gilt mit Einschränkungen, aber ganz sicher ohne Einschränkungen für die Ticker, die wir hier so diskutieren. Luxus bedeutet, dass der Preis völlig von der Nützlichkeit entkoppelt ist. Insofern spielen bei der Kaufentscheidung allein emotionale Gründe eine Rolle.

Wer die richtigen Emotionen seiner Zielgruppe anspricht, verkauft seine Uhren. Wem es nicht gelingt, der verkauft eben nicht (oder zumindest deutlich weniger).

Der Versuch, Emotionen versachlichen zu wollen, muss immer scheitern. Berechtigt ist allerdings die Frage wie ehrlich die Kommunikation der Anbieter beim Erzeugen der Emotionen ist. Dann sollte man aber die Frage anschließen, wen aus der Zielgruppe das überhaupt ernsthaft kümmert.

Wir Uhrenforumsschreiberlinge sind bestenfalls eine marginale Untergruppe der Zielgruppe. Ob uns das nun passt oder nicht. :mrgreen:
Auch hier stimme ich zu.
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von C.95 »

Noch mein Resümee dazu.

Inzwischen bin auch ich der Meinung, dass Herr Kern alles richtig gemacht hat, nur aus zusätzlichen Gründen.

Denn er hat mich genötigt, über den Tellerrand der IWC hinaus zu blicken und siehe da, eine sehr interessante andere Uhrenwelt tauchte plötzlich auf.

Die Fokussierung auf IWC verringerte sich drastisch und neue Ziele wurden umgesetzt. Das ist eine insgesamt sehr positive Entwicklung für mich und es ist sehr wahrscheinlich, dass es ohne die Impulse von Herrn Kern nicht so konsequent gelaufen wäre, so what.
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rank
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Re: SIHH 2019: IWC Spitfire

Beitrag von rank »

C.95 hat geschrieben: 27 Jan 2019, 13:40 Noch mein Resümee dazu.

Inzwischen bin auch ich der Meinung, dass Herr Kern alles richtig gemacht hat, nur aus zusätzlichen Gründen.

Denn er hat mich genötigt, über den Tellerrand der IWC hinaus zu blicken und siehe da, eine sehr interessante andere Uhrenwelt tauchte plötzlich auf.

Die Fokussierung auf IWC verringerte sich drastisch und neue Ziele wurden umgesetzt. Das ist eine insgesamt sehr positive Entwicklung für mich und es ist sehr wahrscheinlich, dass es ohne die Impulse von Herrn Kern nicht so konsequent gelaufen wäre, so what.
Nicht, dass das Hause C95 jetzt, da der Herr Kern weitergezogen ist, wieder zum Monobrandstore wird.. :D :wink:
Gruß, Frank
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