Auf der Wunschliste...
- andreaseck
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- Interessen: Uhren - was sonst?
Hhmmm ... da sollte ich vielleicht auf die Entstehungsgeschichte der Uhr zurück greifen: Ursprünglich sollte die MIH-Uhr eben kein Chronograph sein. Ludwig Oechslin hat eine heftige Abneigung gegen Chronos, die er - wie auch Tourbillons und Repetitionen - für unpraktisch hält. Sein ursprünglicher Prototyp des Jahreskalenders beruhte auf dem 2892. Als das Handelsgeschäft Embassy auf den Entwurf aufmerksam geworden ist, wandte es sich an Paul Gerber mit der Bitte um Mitarbeit bei einer Kleinserie. Neben dem Jahreskalender sollte dann noch ein weiteres kleines Feature dazukommen, das es sonst auch nur sehr selten gibt: eine Sekundenrückstellung. Damit kann die laufende Sekunde per Knopfdruck auf Null gesetzt werden (Langematik, GO Cal. 100, Chézard).nasdaq10 hat geschrieben: Auf der anderen Seite steht die oben bereits erwähnte Einschränkung. Warum um alles in der Welt ist diese Uhr ein Chronograph? Hätte man nicht auch ein Valgrange-Werk zur Realisierung nehmen können? Ein Minutenzähler auf der Bodenseite ist -sorry für die deutliche Wortwahl- Schwachsinn im Quadrat! Ich benutze die Chronofunktion an meiner Speedy im Alltag regelmässig (Joggen, Kochen, Backen) und bei all diesen Aktivitäten kommt es nicht auf Sekunden sondern Minuten an. Soll ich dann jedesmal die Uhr abnehmen um nachzuschauen wieviel Minuten jetzt vergangen sind? Wie gesagt - Schwachsinn! Trotz meiner heftigen Kritik an diesem Detail der Uhr, gefällt sie mir ausserordentlich gut und sie wäre als nächstes auf meiner Liste gestanden, würde mich dieses Detail nicht so stören. Vielleicht kommt ja noch irgendwann eine Valgrange-Version...
Paul Gerber nahm nun ein Valjoux 7750 und ließ die ganzen Chronofunktionen funktionslos unter dem Zifferblatt enden (Panerai hatte das auch mal). Die Zentralsekunde wurde von der Stopsekunde 'simuliert'. Der Start/Stop-Drücker wurde auf Monopusher-Betrieb umgebaut. Und so wurde die Sekundenrückstellung realisiert: Man drückt den Knopf, Sekunde stoppt. Nochmal drücken, Sekunde springt zurück, nochmal drücken, Sekunde startet wieder.
Das war als kleines Gimmick gedacht, nicht mehr. Als einer der ursprünglichen Tester anmerkte, weshalb man denn die Chronofunktion vergeude, da war Herr Oechslin gleich ganz dagegen, die Chronofunktion würde das Zifferblatt füllen, und überhaupt, wozu - die Uhr soll keinen unnötigen Firlefanz haben (die Sekundenrückstellung war schon nicht so sein Ding).
In dieser durchaus temperamentvollen Debatte (und Oechslin ist SEHR temperamentvoll!) sagte auf einmal Paul Gerber auf die ihm eigene, ruhige und zurückhaltende Art, er habe sich bei seinem eigenem Prototyp "mal schnell gespielt", und zeigte uns die Rückseite seiner Uhr mit dem kleinen 30 Minuten-Zähler. Das gefiel uns allen (außer Ludwig Oechslin, natürlich) sehr, wurde aber für die Serienproduktion nicht diskutiert.
Während der Testphase stellte sich heraus, dass mehrere der Tester sehr wohl die MIH-Uhr als Chronograph verwendeten. Ich zum Beispiel: Wenn ich etwas stoppen wollte - wie lange ich mit dem Hund gehe, seit wann die Nudeln kochen - dann stoppte ich die Sekunde, sobald sie mit dem Minutenzeiger in Deckung war. Dann hatte ich eine Referenz, von der aus ich messen konnte. Ich ließ die Sekunde immer laufen, und benutzte sie als Chronograph, wann immer ich wollte - und das tat ich oft. Das System mit dem Sekundenzeiger als Minutenreferenz (wie eine Drehlünette) funktionierte ganz gut.
Während eines Gepsrächs mit dem verantworltichen Projektleiter bei Embassy sagte er mir, dass man nun doch den rückseitigen 30 Minuten-Zähler in die Serie aufnehmen würde. Ich fand das toll, aber als Gimmick - nicht als richtige Funktion. Ich denke da an eines der interessantesten Chronographenwerke, nämlich jenes des Reversa Gran Sport Chronos: Auch da ist die Zeitanzeige vorne, während der Chrono auf der Rückseite läuft. So hat man ein aufgeräumtes Zifferblatt, und kann aber nachschauen, wnen man mal die Zeit messen will. für Sportler, die ihr Leben den 30 Minuten-Intervallen gewidmet haben, ist das natürlich ncihts.
Also: Die MIH-Uhr sollte nie ein Chronograph sein, und ist es von der zugrundeliegenden Idee her auch nicht. Ludwig Oechslin grummelt sicher was von "Verwässerung des Ursprünglichen, Kniefall vor der Marktmode" oder so ähnlich, wenn er den Minutenzähler sieht.
Noch was zu "Valgrange": Valgrange sind an sich keine neuen Werke. Es sind die altbekannten ETAS mit vergrößertem Datumsring und vergrößertem Rotor. So gesehen ist die MIH-Uhr schon ein Valgrange-Werk, denn Paul Gerber hat die Datumsringe vergrößert. Durch den größeren Durchmesser konnte auch die Größe der Datumsziffern deutlich verbessert werden, sodass man fast schon ein Großdatum hat. Diese Sorge für das Detail fehlt leider ausnahmslos allen Marken, auch den sehr teuren, bei denen mit gewachsenem Uhrendurchmesser die Datumsfensterchen immer weiter dem Zentrum zutreben. Wie die MIH-Uhr zeigt, wäre eine saubere Lösung so einfach gewesen. Aber das sind wir Kunden den Firmen wohl nicht wert.
Marcus
"Auf Komplikationen fallen eigentlich nur einfache Gemüter herein" - CF
- Ralf
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Gute Geschichte, toll erzählt!mhanke hat geschrieben:Hhmmm ... da sollte ich vielleicht auf die Entstehungsgeschichte der Uhr zurück greifen: ...nasdaq10 hat geschrieben: ...Warum um alles in der Welt ist diese Uhr ein Chronograph?...
Marcus
Tja: Designentscheidungen in Teamarbeit ...
Man liest sich!
Ralf
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- Prem Amido
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Mit dem schlichten Design der Uhr könnte ich mich vermutlich anfreunden
+ die Art der Kalenderanzeige fände ich vermutlich echt klasse.
Aber die Chronographenfunktion brauche ich nicht, Ludwig Oechslin
+ David haben mir diesbezüglich wohl aus der Seele gesprochen. Quatsch..
Schön erzählt, Marcus. Danke
+ die Art der Kalenderanzeige fände ich vermutlich echt klasse.
Aber die Chronographenfunktion brauche ich nicht, Ludwig Oechslin
+ David haben mir diesbezüglich wohl aus der Seele gesprochen. Quatsch..
Schön erzählt, Marcus. Danke
Liebe Grüße + eine gute Zeit
Prem Amido
Prem Amido
Hallo Marcus,mhanke hat geschrieben: Noch was zu "Valgrange": Valgrange sind an sich keine neuen Werke. Es sind die altbekannten ETAS mit vergrößertem Datumsring und vergrößertem Rotor.
vielen Dank für die Geschichte! Zu obigem Zitat habe ich folgende Frage. Ich dachte bisher, dass die Valgrange-Werke auf dem Valjoux 7750 basieren und lediglich um die Chronofunktion gestript wurden. Ist dem nicht so?
Gruß
David
_________________________________________
Wenn Du mit Vollgas die linke Spur blockierst,
solltest Du über den kauf eines schnelleren Autos
nachdenken... (ducaticorse21)
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- andreaseck
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Danke für Euren Input und die interessanten Hintergründe...
Der Chrono ist mir wurscht - ist ja eh nur hinten und stört nicht weiter. Ich bin kein Chrono-Freund, also ist das okay so.
Ich finde das Design schon irgendwie gut, die sonstige Funktion des Vollkalenders geradezu genial umgesetzt. Was bringt mir eine Uhr mit Zeigerdatum- und -Monat, wenn ich nur fix das aktuelle Datum ablesen will und völlig bekifft schon wieder nicht weiß, welcher Tag heute ist?
Mir kommt sie halt extrem groß vor, vor allem "dick" - ist soweit ich weiß aber auch teilweise technisch bedingt, weil der Kalendermechanismus auch seinen Platz will.
Naja, mal sehen... aus den insgesamt eher zurückhaltenden Begeisterungsstürmen hier schließe ich jedenfalls, dass ich damit eine Uhr hätte, die nicht jedem gefällt und die auch nicht jeder hat.
Doch eher erstmal eine Speedy?
Der Chrono ist mir wurscht - ist ja eh nur hinten und stört nicht weiter. Ich bin kein Chrono-Freund, also ist das okay so.
Ich finde das Design schon irgendwie gut, die sonstige Funktion des Vollkalenders geradezu genial umgesetzt. Was bringt mir eine Uhr mit Zeigerdatum- und -Monat, wenn ich nur fix das aktuelle Datum ablesen will und völlig bekifft schon wieder nicht weiß, welcher Tag heute ist?
Mir kommt sie halt extrem groß vor, vor allem "dick" - ist soweit ich weiß aber auch teilweise technisch bedingt, weil der Kalendermechanismus auch seinen Platz will.
Naja, mal sehen... aus den insgesamt eher zurückhaltenden Begeisterungsstürmen hier schließe ich jedenfalls, dass ich damit eine Uhr hätte, die nicht jedem gefällt und die auch nicht jeder hat.
Doch eher erstmal eine Speedy?
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- andreaseck
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- Prem Amido
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- Don Tomaso
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Eh, guckst Du!Prem Amido hat geschrieben:Diese Aussage von Andreas ist inhaltlich voll krass richtig!!!andreaseck hat geschrieben:Och, dann doch lieber die MIH-Uhrder_z hat geschrieben: Doch eher erstmal eine Speedy?
....
Die mangelnde Akzeptanz der MIH ist ja fast schon ein Argument für die Uhr...
Was mir nicht gefällt, ist, dass der Wochentag mittags nochmal schaltet, dabei wird dann auch von Vormittag auf Nachmittag gewechselt. Dazu ist wohl eben auch ein Schalten des Wochentags nötig, der dann etwa 2 h so etwas halbschaurig im Fensterli steht. WOZU das sein muss (könnte man die am/pm Anzeige nicht einfach weglassen?) habe ich allerdings nicht kapiert.
Das Design der Uhr ist dagegen nicht schlecht, imho, und das Stücksche ist auch deutlich exklusiver als ne Speedmaster (die ist ja auch ne schöne Uhr, bin ja schon stille. Wenn sie hier nicht jeder anpreisen würde, könnte ich mir die Anschaffung schon vorstellen ). Und Du bekommst beim Kauf der MIH noch die aktuelle NZZ dazu!
Gruss
Thomas
Regional Engineer for Destructive Operations
Thomas
Regional Engineer for Destructive Operations
Soweit ich mich richtig erinnere, ist das rein technisch bedingt: erst nach dem 2. Umlauf des Stundenzeigers soll der Tag weitergeschaltet werden, die genial einfache Konstruktion des Kalendermechanismus erfordert diesen Zwischenschritt sowieso - da hat man sich gedacht, dass man ihn auch nutzen kann. Ich denke, so war's... oder hab ich mir das nur eingebildet? Kann mich nicht mehr im Detail erinnern...Don Tomaso hat geschrieben: Was mir nicht gefällt, ist, dass der Wochentag mittags nochmal schaltet, dabei wird dann auch von Vormittag auf Nachmittag gewechselt. Dazu ist wohl eben auch ein Schalten des Wochentags nötig, der dann etwa 2 h so etwas halbschaurig im Fensterli steht. WOZU das sein muss (könnte man die am/pm Anzeige nicht einfach weglassen?) habe ich allerdings nicht kapiert.
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Das Schalten des Wochentags zu Mittag liegt, soweit ich mich erinnern kann, daran, dass die Scheibe mit den Wochentagen ja sehr groß ist. Sie geht schließlich um die ganze Uhr. Bei sieben Tagen wäre der Sprung zwischen den einzelnen Tagen zu groß. Bedruckt man die Scheibe aber mit vierzehn Tagen (immer zweimal der gleiche), dann geht es sich aus. Außerdem wird der Wochentag vom Stundenrad angetrieben, das sich ja zweimal am Tag dreht. In meinem Beitrag weiter oben hatte ich vergessen, auf die Wurzeln des Vollkalender-Moduls hinzuweisen:
Ludwig Oechslin wollte ein "open source"-Modul schaffen, um damit das MIH ein wenig zu propagieren. Das bedeutet, dass die Konstruktion nicht patentiert, oder sonst irgendwie geschützt ist. Jeder, der möchte, kann sie nachbauen und für sich verwenden. Die einzige Bedingung ist, dass die Urheberschaft des MIH durch den Namensbestandteil "composition MIH I" offen gelegt wird.
Darüber hinaus war es Ludwigs Ziel, das Modul so einfach wie möglich zu gestalten, damit es auf einfache Wise auf eine Vielzahl von Basiskalibern gesetzt werden kann. Tatsächlich - und das finde ich schon genial, sind außer dem Bohren von Schraubenlöchern für die Befestigung des Moduls absolut keine technischen Änderungen am Basiskaliber nötig! Deshalb musste man auch mit jenen Rädern und Trieben, die vom Basiswerk vorgegeben sind, für die Steuerung des Kalenders auskommen. Daher die Verwendung des Stundenrads. Das gesamte Jahreskalendermodul besteht somit aus sage und schreibe acht - ich wiederhole es nochmal, um den erstaunten Lesern Gelegenheit zum Mitschreiben zu geben - acht Teilen. Nicht eines mehr.
Und so frage ich mich, wieso eigentlich Jahre nach der Veröffentlichung der Pläne kein einziger Hersteller die Gelegenheit genutzt hat, sich mit dieser einzigartigen Mechanik am Markt zu positionieren. Ich stelle mir das Ganze in einer klassisch designten Uhr vor. Wäre das nicht was für Jörg Schauer?
Marcus
Ludwig Oechslin wollte ein "open source"-Modul schaffen, um damit das MIH ein wenig zu propagieren. Das bedeutet, dass die Konstruktion nicht patentiert, oder sonst irgendwie geschützt ist. Jeder, der möchte, kann sie nachbauen und für sich verwenden. Die einzige Bedingung ist, dass die Urheberschaft des MIH durch den Namensbestandteil "composition MIH I" offen gelegt wird.
Darüber hinaus war es Ludwigs Ziel, das Modul so einfach wie möglich zu gestalten, damit es auf einfache Wise auf eine Vielzahl von Basiskalibern gesetzt werden kann. Tatsächlich - und das finde ich schon genial, sind außer dem Bohren von Schraubenlöchern für die Befestigung des Moduls absolut keine technischen Änderungen am Basiskaliber nötig! Deshalb musste man auch mit jenen Rädern und Trieben, die vom Basiswerk vorgegeben sind, für die Steuerung des Kalenders auskommen. Daher die Verwendung des Stundenrads. Das gesamte Jahreskalendermodul besteht somit aus sage und schreibe acht - ich wiederhole es nochmal, um den erstaunten Lesern Gelegenheit zum Mitschreiben zu geben - acht Teilen. Nicht eines mehr.
Und so frage ich mich, wieso eigentlich Jahre nach der Veröffentlichung der Pläne kein einziger Hersteller die Gelegenheit genutzt hat, sich mit dieser einzigartigen Mechanik am Markt zu positionieren. Ich stelle mir das Ganze in einer klassisch designten Uhr vor. Wäre das nicht was für Jörg Schauer?
Marcus
"Auf Komplikationen fallen eigentlich nur einfache Gemüter herein" - CF
- Don Tomaso
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- Registriert: 16 Feb 2006, 16:01
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