Abfallfehler

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C300
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Abfallfehler

Beitrag von C300 »

Und wieder eine Frage. Trotz heftiger Suche im Netz finde ich zwar die Erklärung was ein Abfallfehler ist, aber nicht wie weit er sich auf den Gang einer Armbandunr auswirkt. Wie groß darf er sein? In welchem Zusammenhang stört er besonders?
3 Beispiele :
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Mahlekolben
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Re: Abfallfehler

Beitrag von Mahlekolben »

Weniger fachlich, eher bildlich:

Das wirkt sich so aus, wie ein Stein im Wanderschuh oder ein kürzeres Pleuel im V8.

Damit geht bzw. läuft es sich halt nicht gut. Auch wird Energie verbrannt.

Bin auf die fachlichen Erklärungen gespannt!
Viele Grüße

Michael
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Holm
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Re: Abfallfehler

Beitrag von Holm »

"Ab-Fall" kommt im Zusammenhang mit Uhren daher, dass ein Palettenstein des Ankers vom Ankerrad ab fällt, also runterrutscht (ein Vorgang der direkt im Zusammenhang mit dem Tick-tack steht, das Deine Zeitwaage misst). Wenn die Unruhe nicht richtig schwingt und der Anker nicht richtig wackelt, entsteht der Abfallfehler, das heißt ein Palettenstein rutscht zu früh zu spät runter. Bei "ganz spät" würde die Uhr wahrscheinlich stehenbleiben bzw. gar nicht erst laufen. Wenn ich mich recht erinnere (ist wirklich schon so lange her, das Seminar) müsste der Abfall beim Einbauen des Ankers korrigiert werden. Ist evtl. auch über die richtige (winzige) Menge des richtigen Öls auf einem Palettenstein kann zu korrigieren. Aber hier sind ja genügend Uhrmacher im Forum. ;)

Ein geringfügiger Abfallfehler macht nichts. Erst wenn die Uhr deutlich falsch geht, sollte man eben nicht nur den Rücker im Auge haben, sondern eben auch mal etwas tiefer hineingehen und den Anker und das Ankerrad in die Fehlerbehandlung einbeziehen. Bei einer Uhr mit vielleicht fünf oder sechs Sekunden Vorgang pro Tag, würde ich den Abfallfehler erstmal ignorieren.

Wie genau eine Uhr geht, kommt letztlich aufs Zusammenspiel aller Bauteile der Hemmung an. Den Zeitwaagenbildern zufolge würde ich da nichts machen. Präzisionsfreaks sehen das bestimmt anders. :)
Ein Schelm der denkt.
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unnnamed
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Re: Abfallfehler

Beitrag von unnnamed »

Holm hat geschrieben: Ein geringfügiger Abfallfehler macht nichts. Erst wenn die Uhr deutlich falsch geht, sollte man eben nicht nur den Rücker im Auge haben, sondern eben auch mal etwas tiefer hineingehen und den Anker und das Ankerrad in die Fehlerbehandlung einbeziehen. Bei einer Uhr mit vielleicht fünf oder sechs Sekunden Vorgang pro Tag, würde ich den Abfallfehler erstmal ignorieren.

Wie genau eine Uhr geht, kommt letztlich aufs Zusammenspiel aller Bauteile der Hemmung an. Den Zeitwaagenbildern zufolge würde ich da nichts machen. Präzisionsfreaks sehen das bestimmt anders. :)
Der Abfallfehler hat nichts mit dem Gang zu tun, naja schon, aber nicht so wie du schreibst. Das vernachlässigen wir einfach.
Anker und Gangrad haben rein gar nichts mit dem Abfall zu tun.

Der Gang der Uhr wird von ALLEN Bauteilen beeinflusst, das umfasst erheblich mehr als nur die Hemmung.

Ausgangssituation:

Deine Uhr rennt und tut was sie soll. In deinem Fall lieber C300 - schön, dass du da was siehst, aber beachte es nicht weiter.
Falls doch, dann stell den Abfall ein bis beiden Linien sich möglichst decken. Aufs Geräusch achten, denn bei dir sehe ich für
den Abfallfehler keinen Wert und wenn es wie bei allen mir bekannten Zeitwaagen ist, dann kommt es auch zu einer Überdeckung
des grapgisch Dargestellten, wenn der Abfallfehler sehr groß ist. Hört man dann aber deutlichst am ungleichmäßigen Schlaggeräusch.

Ellipse ist ein Begriff? Ankergabel auch? Gut: In Ruhelage soll die Ellipse zwischen den Gabelhörnern stehen und einer der
Zähne des Gangrades auf Hebung an einer der beiden Paletten. Selbstanlaufbedingung. Weiter: Steht die Ellipse außermittig
von der oben beschriebenen Lage, dann kommt es zu einem ungleichmäßigen Impuls, das kostet Kraft. Und es kostet Amplitude.
Das wirkt sich zwar auch auf den Gang aus, vergiss das aber der Einfachheit halber. Wenn der Abfall danaben ist, dann läuft
die Uhr ggf. auch nicht von alleine an beim Aufziehen.

Das Einstellen des Abfalls ist stets einfach. Entweder hast du einen verstellbaren Spiralklötzchenträger, dann verstellst du diesen bis
der Abfall passt. Der Spiralklötzchenträger ist dasjenige Bauteil an welchem das Spiralklötzchen seinen Platz findet an welchem wiederum
das äußere Ende der Spirale befestigt ist.
Da Unruhwelle, Plateau mit Ellipse, Spirale und Spiralrolle eine Einheit bilden ist klar was beim Verstellen passiert: Die Position der
Ellipse ändert sich (wieder an die Nulllage denken).
Abfall einstellen bei Uhren ohne verstellbaren Spiralklötzchenträger: Spiralrolle verdrehen. Hier ist das Ende der Spirale im Spiralklötzchen
und dem -träger relativ zum Kloben fix, also verdrehst du die Spiralrolle auf der Unruhwelle. Plateau mit Ellipse, Unruhwelle und -reif
bilden eine zueinander feststehende Einheit.

Der Abfall sollte aber nicht überbewertet werden. Bei alten Uhren drückt man da auch schon eher ein Auge zu. Ansonsten bleibt man
zwischen 0,0 und 0,3 ms.
Gruß Bernd
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Mr. Pumpkin
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Re: Abfallfehler

Beitrag von Mr. Pumpkin »

wie mein Vorgänger treffend beschrieben hat ist ein gewisser Abfallfehler vernachlässigbar.
ausserdem braucht es wenn ein Werk frisch revidiert wurde einen sehr hohen Abfallfehler um einen grossen amplitudenverlust zu haben. das heisst, ob der Abfallfehler 0.0 oder 2.0 ist macht maximal 10° Amplitude aus.
Der grösste Werkhersteller mit drei Buchstaben hat z.b als toleranz bei nicht Chronometerwerken von 0.8 ms.

mfg
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hermann
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Re: Abfallfehler

Beitrag von hermann »

Hallo

Ein leichter Abfallfehler bei Armbanduhren mit Kolbenzahnhemmung hat keinen Einfluss auf den Gang. Er hilft sogar beim
Anlaufen der Uhr beim Aufziehen, da der Weg zur Auslösung etwas kürzer ist als wenn der Abfall 100% genau ist.
Aber mehr als 1mm an der Zeitwaage (Doppelstreifen) sollte es nicht sein.

Bei Großuhren kann ein Abfallfehler dagegen größere Auswirkung bis hin zum Stehenbleiben haben.
Meinen Kunden rate ich immer, das Gehör zu verwenden wenn sie ihre Uhren nach der Restaurierung bei sich aufhängen.
Ein gleichmäßiges Ticken ist die Voraussetzung für eine gut gehende Großuhr.

Gruß hermann
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Ralf
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Re: Abfallfehler

Beitrag von Ralf »

:arrow: http://forum.watchtime.ch/viewtopic.php ... 13#p680613

Die Stärke der Beeinflussung des Ganges hängt von der Dämpfung des Schwingung ab. Physikalisch ist ein Abfallfehler die Abweichung von der optimalen Phasenlage (90°) zwischen Anregung und Schwingung. Je geringer die Dämpfung ist, desto kleiner wird die Gangabweichung bei einem bestimmten Phasenfehler.

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© wikipedia

Wenn man im rechten Diagramm bei 90° nach rechts geht, dann sieht man, das die Schwingfrequenz unabhängig von der Dämpfung ist. Geht man z.B. bei 120° nach rechts, dann wird die Frequenz um so höher, je stärker die Dämpfung ist: bei 0,1 rund 5 %, bei 0,2 rund 12%, u.s.w..

4 Hz sind 250 ms Periodendauer = 360°, 2,5 ms Abfallfehler sind also einfacher Dreisatz 3,6°, kann man bei einer Unruhe (Dämpfung << 0,1) vergessen.
Man liest sich!

Ralf
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rank
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Re: Abfallfehler

Beitrag von rank »

Von Glashütte Original gibt es ein Kaliber (in der Panoreserve), das über zwei Schwanenhalsfeinregulierungen verfügt, eine davon zur Korrektur des Abfalls. Ist die Regulierungsvorrichtung für den Abfall dann nur Show bzw. verhältnismäßig überflüssig?
Gruß, Frank
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unnnamed
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Re: Abfallfehler

Beitrag von unnnamed »

Ist vorrangig Show.
Gruß Bernd
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Ralf
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Re: Abfallfehler

Beitrag von Ralf »

Eine Reguliervorrichtung für den Abfall muss jede mit mechanischer Uhr haben. Ein extra Getriebe, das den manuellen Eingriff des Menschen noch mal übersetzt ist nicht notwendig.
Man liest sich!

Ralf
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rank
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Re: Abfallfehler

Beitrag von rank »

bedankt
Gruß, Frank
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hermann
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Re: Abfallfehler

Beitrag von hermann »

unnnamed hat geschrieben:Ist vorrangig Show.
Aber auf höchstem Niveau! :)

@rank

Bei allen moderneren Werken, ich würde mal so ab den 50ern schätzen, ist der Teil an dem die Spirale befestigt ist, verstellbar um den Abfall korrigieren zu können.
Ist das fix am Kloben, müsste man den Abfall an der Spiralrolle (sitzt auf der U-Welle) verstellen. Eine knifflige und gefährliche Übung. Einmal ausrutschen....... :mrgreen:

Gruß hermann
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Holm
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Re: Abfallfehler

Beitrag von Holm »

Ralf, boah, ist das wieder wissenschaftlich. (Ich bin da immer aufrichtig beeindruckt.)

Aber für mein Verständnis:
Die ganze Schoße rund um Ellipse, Spiralkötzchen, Periode & Co. führt letztendlich dazu, dass ein Palettenstein zu früh oder zu spät vom Ankerrad rutscht und deshalb zum falschen Zeitpunkt "Tack" macht, was die Zeitwaage wiederum messen und darstellen kann. Rischtisch?
Ein Schelm der denkt.
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Re: Abfallfehler

Beitrag von A.J. »

Konträr...das Ankerrad 'rutscht' von der Palette...

Aber grundsätzlich kann das die Zeitwaage messen, ja...ich glaube auch dass das in den FAQ vortrefflich behandelt und beschrieben ist.
C300
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Re: Abfallfehler

Beitrag von C300 »

Danke für die vielen Erläuterungen.

Hier noch einmal eine etwas bessere Darstellung mit der "freeware" Software von Biburo. Leider habe ich keine richtige Zeitwaage und helfe mir so aus. Immerhin ist die Zeitwaage mit einem Quarzgenerator kalibriert und zeigt Abweichungen von ca. 0,1 s/24h. Für grobe Messungen also sicher ausreichend. Der Abfallfehler beträgt also ~ 3 ms. Schwankt von 3,0 bis 3,5ms. Ist das nun ok ? oder sollte man etwas versuchen? Die -16 s / Tag kann man sicher noch verbessern.

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P.S.
Da eine Hardware für die Aufnahme vorhanden ist und über die Soundkarte in den PC die Verbindung gut läuft, suche ich nach einer Software, welche etwas bessere Ergebnisse , bessere Darstellung liefert. Gibt es sowas ?
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