wie schon angekündigt, an dieser Stelle eine weitere Episode meiner Auktionsabenteuer - diesmal im Fokus: Die Bietstrategie.
In den vorangegangenen Teilen hatte ich ja mehr über mein manchmal beklagenswert irrationales Verhalten in Auktionen berichtet, aber ich habe durchaus mal lichte Momente. Auktionen sind in der Ökonomie und in der Spieltheorie nicht umsonst beliebt, erlauben sie doch vielfältige Studien menschlichen Verhaltens. Eine Forschungsrichtung beschäftigt sich dabei mit dem optimalen Design von Auktionen - wobei die Frage ist, was "optimal" sein soll (und für wen). In der Theorie suchte man insbesondere nach Mechanismen, die Anreiz-Kompatibilität (incentive compatibility) sicherstellen - vereinfacht ausgedrückt im Kontext von Auktionen: Ein Verfahren, in dem jeder Bieter genau seine wahre Zahlungsbereitschaft offenbart und zwar unabhängig von anderen Bietern und Geboten, weil genau das für ihn die beste Strategie ist.
Das ist gar nicht so einfach und so gibt es eigentlich nur zwei allgemein anerkannte Ansätze: Den Becker-DeGroot-Marschak (BDM) Mechanismus und die nach William Vickrey benannten Vickrey Auktionen. Letztere sind sogenannte verdeckte Zweitpreisauktionen: Jeder Bieter darf nur einmal verdeckt bieten (die Zahl der Bieter und die Höhe ihrer Gebote sind also keinem Teilnehmer bekannt), der höchste Bieter bekommt den Zuschlag, zahlt als Preis aber nur den Betrag des zweithöchsten Gebots. In diesem Format sollte jeder Bieter exakt seine wahre Zahlungsbereitschaft bieten, wenn er seinen Nutzen optimieren will. Egal wie viele Bieter es gibt und egal wie hoch deren Gebote sind (den Beweis spare ich mir an dieser Stelle ). Obwohl Vickrey u.a. dafür 1996 den Nobelpreis erhielt, hat sich dieses Format bisher nicht durchsetzen können. Entsprechend suboptimal ist die Welt der Auktionen, mit der wir leben müssen...
Vor Weihnachten stieß ich bei einem der üblichen Verdächtigen auf eine sehr interessante Auktion: Es sollte eine recht umfangreiche Uhrensammlung versteigert werden, die nicht nur außergewöhnlich viele sondern auch außergewöhnlich interessante Uhren umfasste. Mit interessant meine ich jetzt nicht Millionen teure Raritäten, die bei Hodinkee zu Breaking News führen, sondern hochwertige Vintage-Uhren für den ambitionierten "normalen" Sammler - also vornehmlich <10.000 Euro. Der Sammler wurde nicht explizit genannt, aber es brauchte nicht allzu viel Fantasie, das herauszufinden: Es ging im Wesentlichen um die Uhren, die im neuen Buch von Michael Mehltretter vorgestellt wurden:
https://www.motorbuch-versand.de/produc ... rtung.html
Angeboten wurden rund 500 Uhren, darunter wirklich gute Sachen mit einer schönen Bandbreite über die Marken (das Buch deckt besonders AP, IWC, JLC, Lange, Patek, Rolex und VC ab). In einem ersten Schritt musste man aus diesen Mengen die wirklich relevanten Ziele heraussuchen - bei mir waren das am Ende vier Uhren: eine Yacht Club in 18k GG, eine Yacht Club in 18k mit 18k-Band und zwei Ref. 817 in 18k. Blöderweise wurden diese Uhren direkt hintereinander aufgerufen und in der für mich falschen Reihenfolge - denn die Goldband-Yacht Club kam als Letzte, war aber mein Favorit. Allerdings war es auch mit Abstand die teuerste Uhr und bereits das Mindestgebot lag nah an meiner Schmerzgrenze.
Was tun? Wenn ich bei einer der drei anderen Uhren den Zuschlag bekäme, würde das Geld für die Goldband-YC nicht reichen. Aber es konnte natürlich sehr gut sein, dass die drei anderen Uhren für sehr gute Preise zugeschlagen würden, man trotzdem nicht bietet, nur um dann auch bei der Zieluhr leer auszugehen. Blöd. Dazu kommt das Problem mit möglichen Vorgeboten: Wer zuerst bietet, hat das Gebot - wer später kommt, muss überbieten. Und das ist gerade bei hohen Startpreisen dann manchmal schon ein Killer, da das zweite Gebot durch die hohen Bietinkremente manche Uhren bereits zu teuer macht.
Und dann waren die 817er preislich deutlich attraktiver aufgerufen als die Yacht Clubs - obwohl die Uhren technisch sehr vergleichbar sind. Was tun?
Am Ende hatte ich ein Vorgebot auf der ersten 18k Yacht Club mit Lederband - und wurde einmal überboten. Ärgerlich, aber der Zuschlagspreis war mir zu hoch. Bei den 817 habe ich auf die schönere das Mindestgebot vorgeboten und war erfolgreich (die andere ging sogar erst im Nachverkauf weg ), bei der Goldband-Yacht Club habe ich dann trotzdem mitgeboten - und am Ende nur den zweiten Platz gemacht.
Deshalb gibt es hier keine goldene Yacht Club zu sehen, sondern eine goldene Ref. 817 AD. Aufmerksame Leser erinnern sich bei dieser Referenz an Hannes, der hier mal sein Exemplar vorgestellt hatte:
https://forum.watchtime.ch/viewtopic.php?t=69770
Übrigens inspiriert vom alten Mehltretter-Buch "Die Noblen aus der Schweiz" - die Uhren aus diesem Buch waren früher schon mal versteigert worden (ein Ausriss der Aktion findet sich im Faden) und eine meiner Yacht Clubs stammt aus diesem Verkauf.
Hannes hatte damals dieses Foto als Startpunkt für sein Interesse:
Genau diese Uhr aus dem alten Buch hat es auch ins neue Buch geschafft - und wurde bei der Auktion versteigert. Ich weise an dieser Stelle nochmal auf meine seherischen Fähigkeiten hin:
Das kann kein Zufall sein...u2112 hat geschrieben: ↑19 Nov 2019, 22:19 Sehr schöne Uhr, Glückwunsch
Das ist wieder eine klassische Referenz, die man auch heute noch gut tragen kann. Gerade das Blatt ist da in meinen Augen immer ein Highlight, der Strahlenschliff bringt je nach Lichteinfall eine schöne Abwechslung.
Übrigens wurden die Uhren aus dem Mehltretter-Buch damals nahezu alle verkauft, meine blaue YC I kommt auch aus diesem Buch. Wenn man die Augen aufhält, kann man also vielleicht sogar genau die Ref. 817 aus dem Buch erwischen.
Dir viel Freude mit dem goldigen Klassiker!
Christian
Trotzdem habe ich genau diese 817 AD nicht gekauft, denn es war die "schlechtere" der beiden Uhren: Die Krone war neutral, die Zeiger getauscht, das Zifferblatt hatte nur einen Streifenschlff und der Boden eine sehr auffällige Gravur - man sieht das oben rechts in der Abbildung des neuen Buchs (Seite 80):
Übrigens ist meine Uhr auch auf diesem Foto - es ist die linke Uhr in groß
Wenn man genau hinschaut, erkennt man das sogar auf dem Foto anhand der dunkel angelaufenen Stelle am unteren rechten Horn:
Und so habe ich nun wieder eine Uhr, die bereits als Fotomodell gedient hat - und um es mit Kraftwerk zu sagen: Sie ist ein Model und sie sieht gut aus ...
Die Uhr stammt aus 1968, also dem ersten Baujahr der Ref. 817 - diese Uhr wurde ja nur bis 1970 gebaut. Wirklich ein sehr schöner Zustand, Zeiger und Blatt sind original, auch die Schliffe kann man noch sehr schön sehen.
Auch wenn die eigentliche Präferenz vor der Auktion eine andere war (und dieser Uhr im Prinzip nur die dritte Wahl war), ist es im Ergebnis doch ein ziemlicher Glückstreffer - super Uhr, super Preis, super happy
Gruß,
Christian