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Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 16 Jan 2022, 17:30
von GSG
Chronograph mit beweglichen Bandanstößen von 1941
Gehäuse aus Edelstahl
Lederarmband aus Straußenleder

Kaliber 13-20


Vor einigen Jahren hatte ich einem Uhrmacher eine Dose mit diversen Teilen einer Minerva-Uhr abgekauft und zu den Ersatzteilen gestellt. Kürzlich ist die Dose wieder aufgetaucht. Zwischen den Jahren fand ich nun endlich Zeit um aus diesen Teilen wieder eine Uhr zu fertigen.

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Der Nachbau der beweglichen Bandanstöße

Das größte Problem bei dieser Aktion war das Gehäuse. Es fehlten die beweglichen Bandanstöße und die Deckkappe für den mit einem Schlitz versehenen Ansatz am Gehäuse. Diese Teile habe ich aus Edelstahl neu angefertigt.
Normalerweise haben Gehäuse mit beweglichen Bandanstößen am Gehäuse einen Ansatzt mit Bohrung an dem die Bandanstöße mit einem Stift befestigt werden. Diese Konstruktion dagegen ist ungewöhnlich, da sie aus drei Teilen besteht. In den Ansatz mit Aussparung am Gehäuse wird die Deckkappe gesetzt. Durch das am Mittelteil der Deckkappe angebrachte Röhrchen wird dann der Haltestift für die beweglichen Bandanstöße geschoben.

Die Original Konstruktion müsste so ähnlich ausgesehen haben wie mein Nachbau, mir ist jedenfalls keine andere Lösung eingefallen.

Für einen Hinweis wie die Original Konstruktion ausgesehen hat wäre ich dankbar, da ich eine solch komplexe, eigentlich unsinnige Konstruktion aus drei Teilen im Original noch nie gesehen habe.


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Das Gehäusefragment

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Die neuen Bandanstöße und Deckkappen


Das Kaliber 13-20 wurde um 1923 als Chronograph mit einem Drücker, in Zusammenarbeit mit Dubois-Depraz, entwickelt und war um 1940 auch als Chronograph mit zwei Drückern erhältlich. Das Uhrwerk ist, auch nach 80 Jahren, noch immer hochpräzis. Welches Basisuhrwerk verwendet wurde ist mir nicht bekannt, eventuell handelte es sich ja auch um eine komplette Neuentwicklung.

Das Kaliber 13-20 von Minerva ist an den ungewöhnlichen Positionen der Drücker zu erkennen. Der untere Drücker befindet sich zwischen Krone und Bandanstößen bei 30°, der Obere bei 38°.

Dieses Werk mit der Werknummer 1 5XX XXX und der Gehäusenummer 49X XXX dürfte aus dem Jahr 1941 stammen. Also eines der ersten Werke mit zwei Drückern. Im Laufe der Zeit wurde das Werk mindestens zweimal überarbeitet, was zu Folge hat, dass nicht alle Teile 1:1 austauschbar sind. Herz - und Blockierhebel, die in der Dose lagen, passten jedenfalls nicht! Die Aufnahme beim Blockierhebel hatte einen zu großen Durchmesser und beim Herzhebel war der Durchmesser der Ansatzschraube zu gering, was zur Folge hatte, dass der Druck auf den Schalthebel, der sich nur minimal bewegt, nicht ausreichte um den Herzhebel sicher in die Endposition zu bringen. Diese Teile mussten also angepasst werden.

Da auch die Federn zu den beiden Hebeln und die Friktionsfeder von Chrono-Zentrumsrad fehlten, habe ich sie nachgebaut weil sie nirgends zu bekommen waren.

Diese Zwei- Drücker- Konstruktion, von einem durch Federdruck in Ruhestellung gehaltenem Herzhebel, im Zusammenspiel mit dem Blockierhebel und dem Schalthebel, ist bei dem Kaliber 13-20 , meiner Meinung nach, nicht optimal gelöst.


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Das Werk mit der Werknummer 1 5XX XXX

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Gehäusenummer 49X XXX

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Das Innenleben

Die fehlenden Teile

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Die Federn im Rohbau

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Die neuen Federn

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Da eine Ansatzschraube mit geeignetem Durchmesser für den Herzhebel nicht vorhanden war, musste eine Buchse gedreht werden, mit einem Innendurchmesser von 0,6 mm und einem Außendurchmesser von
0,68 mm. So wird aus einer normalen Schraube eine Ansatzschraube. Die Wurzelkanalfeile diente beim Abstechen der Buchse als Halter.

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Die neue Friktionsfeder aus Federbronze für das Chronozentrumsrad

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Und jetzt geht alles in die Reinigungsmaschine


Technische Daten

Gehäuse: 
Edelstahl, dreiteiliger Aufbau
Plexiglas
Länge: 48,00 mm
Durchmesser: 34,00 mm
Höhe: 12,00mm

Krone:
Edelstahl

Boden:
Edelstahl

Werk:
Minerva 13-20
18000 Halbschwingungen pro Stunde
• Schweizer Anker
• Breguet-Spirale (gebläut)
• Bimetallische Unruh, 2-schenklig
Gangreserve 50 Std.

Zeiger:
Stunden- und Minutenzeiger aus gehärtetem und gebläutem Stahl


Beste Grüße
GSG





Die Uhrenmanufaktur Montblanc / Minerva


Das Kaliber 13-20 wurde vor einigen Jahren von Montblanc, CNC kompatibel, neu aufgelegt und firmiert jetzt unter der Bezeichnung 13-21. Das neue Werk gibt es nur mit einem Drücker.


Selbst nach der Einführung des aktualisierten 13-21-Derivats produzierte (oder überholte) Minerva weiterhin gelegentlich das Kaliber 13-20. So verwendete Panerai, in einer limitierten Serie, ein aufgearbeitetes Kaliber 13-20 in ihren Panerai Ferrari 00024-Chronographen und nannte es „Panerai OP XXVIII“. Auch in die PAM 518 wurde das 13-20 eingeschalt.

https://www.watchprosite.com/collectors ... 6.9155516/
https://paneraimagazine1.rssing.com/ch ... ll_p6.html



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Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 16 Jan 2022, 21:44
von Thomas H. Ernst
Grossartig! :thumbsup:

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 16 Jan 2022, 22:04
von Paulchen
Thomas H. Ernst hat geschrieben: 16 Jan 2022, 21:44 Grossartig! :thumbsup:
Wohl wahr. :thumbsup:
Vielen Dank für den Einblick in deine Arbeit.

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 16 Jan 2022, 22:36
von cool runnings
Paulchen hat geschrieben: 16 Jan 2022, 22:04
Thomas H. Ernst hat geschrieben: 16 Jan 2022, 21:44 Grossartig! :thumbsup:
Wohl wahr. :thumbsup:
Vielen Dank für den Einblick in deine Arbeit.
Dem kann ich mich nur anschließen. 👍

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 16 Jan 2022, 23:57
von MCG
Fantastisch! Vielen Dank fürs mitnehmen!
Mach doch mal ein Foto von der Uhr am Handgelenk… Ich hätte grosses Interesse zu sehen wie sich die beweglichen Anstösse daran verhalten… 👍🏻☺️

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 06:41
von Heinz-Jürgen
cool runnings hat geschrieben: 16 Jan 2022, 22:36
Paulchen hat geschrieben: 16 Jan 2022, 22:04
Thomas H. Ernst hat geschrieben: 16 Jan 2022, 21:44 Grossartig! :thumbsup:
Wohl wahr. :thumbsup:
Vielen Dank für den Einblick in deine Arbeit.
Dem kann ich mich nur anschließen. 👍
Dito! Mir fehlen bei solchen Berichten nämlich immer die Worte. :thumbsup:

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 08:04
von o.v.e
Dem kann ich mich auch nur anschliessen. Und nur wieder feststellen, dass wir hier im besten Uhrenforum der Welt sind. :D

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 10:11
von mr2680
Bravo :thumbsup:
Einem Uhrmacher eine Dose Teile abgekauft und am Schluss sowas, einfach nur Hut ab!

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 10:19
von lottemann
:thumbsup: :yahoo:

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 18:05
von GSG
MCG hat geschrieben: 16 Jan 2022, 23:57 Fantastisch! Vielen Dank fürs mitnehmen!
Mach doch mal ein Foto von der Uhr am Handgelenk… Ich hätte grosses Interesse zu sehen wie sich die beweglichen Anstösse daran verhalten… 👍🏻☺️
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So sieht es aus...
Gruß

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 18:43
von Pingo
Super, gratuliere zur gelungenen Reanimation dieses seltenen und einzigartigen Stückes.

Als "Minervist" kam mir dieses Exemplar vor gut 10 Jahren in die Hände, und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit:
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Eingeschalt hat das alte Werk ein mir bekannter Uhrmacher aus Ulm. Es lief vorher wohl als Taschenuhr. Ich selbst hatte da keine Karten im Spiel..

Viele Grüße,
Stefan

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 19:12
von GSG
Pingo hat geschrieben: 17 Jan 2022, 18:43 Super, gratuliere zur gelungenen Reanimation dieses seltenen und einzigartigen Stückes.

Als "Minervist" kam mir dieses Exemplar vor gut 10 Jahren in die Hände, und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit:
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Eingeschalt hat das alte Werk ein mir bekannter Uhrmacher aus Ulm. Es lief vorher wohl als Taschenuhr. Ich selbst hatte da keine Karten im Spiel..

Viele Grüße,
Stefan

Hallo, sehr schöne Uhr mit Kaliber 19-9. Allerdings auch sehr groß – 46mm Durchmesser?
Wer hat denn das Zifferblatt gemacht?
Gruß
Gerhard

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 19:25
von MCG
GSG hat geschrieben: 17 Jan 2022, 18:05
MCG hat geschrieben: 16 Jan 2022, 23:57 Fantastisch! Vielen Dank fürs mitnehmen! :P
Mach doch mal ein Foto von der Uhr am Handgelenk… Ich hätte grosses Interesse zu sehen wie sich die beweglichen Anstösse daran verhalten… 👍🏻☺️
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So sieht es aus...
Gruß
:thumbsup: :thumbsup:
Erstaunlich wie diese 34mm im Gesamtkontext wirken… :P

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 17 Jan 2022, 19:51
von Pingo
GSG hat geschrieben: 17 Jan 2022, 19:12
Pingo hat geschrieben: 17 Jan 2022, 18:43 Super, gratuliere zur gelungenen Reanimation dieses seltenen und einzigartigen Stückes.

Als "Minervist" kam mir dieses Exemplar vor gut 10 Jahren in die Hände, und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit:
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Eingeschalt hat das alte Werk ein mir bekannter Uhrmacher aus Ulm. Es lief vorher wohl als Taschenuhr. Ich selbst hatte da keine Karten im Spiel..

Viele Grüße,
Stefan

Hallo, sehr schöne Uhr mit Kaliber 19-9. Allerdings auch sehr groß – 46mm Durchmesser?
Wer hat denn das Zifferblatt gemacht?
Gruß
Gerhard
Hallo Gerhard,

muss mal sehen, ob der Kollege überhaupt noch tätig ist, und dann kann ich Ihn mal nach dem ZB fragen. Dann melde ich mich wieder..

Gruß Stefan

Re: Restauration eines Chronographen von Minerva mit dem Kaliber 13-20

Verfasst: 18 Jan 2022, 17:11
von inversator
Sehr schön.
Das Minerva 13-20 war der erste Chronograph den ich revidieren durfte. Ersatzteilprobleme gab es damals jedoch keine. Noch telefonisch direkt in Villeret bestellt. Schönes Schwätzchen mit Herr Frey gehalten. Bezahlt nach Lieferung mit einem Eurocheque per Post. Und die Teile benötigten nahezu alle etwas Nacharbeit. Waren halt noch nicht zu tausenden täglich aus der CNC Maschine ausgesch..... Aber das war man ja bei Chronographenteilen durchaus bis in die späten 70 gewohnt.
Gruss
Holger