Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Allgemeine Diskussionen rund um zeitgenössische Uhren
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u2112
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Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von u2112 »

Liebe Uhrenfreunde,

das Jahr 1993 wird generell als der Startpunkt des "Internet" angesehen - zumindest für den normalen, privaten Nutzer. In diesem Jahr wurde das "Word Wide Web" für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, anfangs noch ohne jede kommerzielle Nutzung. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich diese Plattform unfassbar rasant entwickelt und (neben anderen Dingen) vor allem einen nahezu unbegrenzten Zugang zu Informationen begründet.

War das in der Anfangszeit eine überaus positive Entwicklung, die gerade vielen vorher abgeschnittenen Regionen und Menschen bessere Chancen bot, merken wir heute immer mehr auch die negativen Folgen - Fake-News, Filterblasen, Smartphone-Junkies und eine doch ermüdenden Informations- und Reizüberflutung. Letzteres trifft auch das Uhrenhobby. Früher wurde das Uhrenangebot vom lokalen Juwelier bestimmt - was der hatte, gab es. Manchmal brachte eine Reise in die nächste Groß- oder Weltstadt neue Einblicke, Profis blätterten auch in den einschlägigen Kleinanzeigenseiten oder bestellten sich die Marken-Kataloge.

Heute habe wir dagegen einen ständigen Kampf um Wahrnehmung, entsprechend hoch ist die Schlagzahl von Neuerscheinungen und PR-Aktionen. Nun sind natürlich nicht alle diese Neuheiten relevant und die x-te Farb- oder Material-Variante ist nur noch ermüdend. Dennoch gibt es heute viel mehr Marken und Modelle, die am Ende interessant sein könnten. Nur: Man kann ja nicht alles kaufen...

Das erfordert vom geneigten Uhrenfreund, einen Mechanismus zur Selbstbeschränkung zu finden. Das vorhandene "Budget" wird da gerne zitiert, aber was ist das schon? Wenn das Haus bezahlt ist, die Kinder aus dem Gröbsten raus sind und Job/Firma gut laufen, dann sind die rein finanziellen Möglichkeiten keine gute Richtlinie. Es braucht also einen Filter, denn man sollte dann doch nicht jede Uhr kaufen, die einem spontan gefällt und/oder günstig erscheint.

Jetzt bin ich da selbst durchaus gefährdet und habe deshalb versucht, über die Jahre verschiedene Mechanismen zur Selbstbeschränkung zu etablieren (wer meinen Vorstellungen folgt, mag deren Wirksamkeit vielleicht bezweifeln :whistling: ). Zum einen habe ich mir tatsächliche eine Art Zielliste zusammengestellt, was gerade im Vintage-Bereich hilft - hier muss man sich einfach auf bestimmte Marken/Kollektionen konzentrieren, sonst findet man kein Ende. Der zweite Filter ist bestimmt für aktuelle Uhren: Niemals Uhren spontan nach der Neuerscheinung kaufen, sondern über eine gewisse Zeit prüfen, ob die Begeisterung wirklich nachhaltig ist. In normalen Zeiten hat diese Strategie den Vorteil, dass mit der Zeit auch mehr und günstigere Optionen auf dem Privatmarkt auftauchen. In Hype-Phasen wie heute werden dagegen manche Uhren einfach unbezahlbar oder unerreichbar - da muss man sich von einigen Marken leider komplett verabschieden.

Wie lange sollte man nun abwarten, bis die Hürde zum Kauf genommen wird? Das ist bei mir durchaus unterschiedlich :mrgreen: , wobei es tatsächlich Fälle gibt, wo es viele Jahre dauert... und ein solcher Fall ist die heutige Uhr. Ein weiterer Vor- und Nachteil des Internet ist ja, dass es nichts vergisst. Entsprechend kann man den eigenen Kaufprozess selbst nach Jahren noch nachvollziehen. So stieß ich z.B. auf diesen Faden, in dem ich 2014 vor mich hin grübelte:

https://forum.watchlounge.com/index.php ... /&pageNo=2

Die Uhr, um die es ging, hatte ich sogar schon kurz nach der Vorstellung um 2013 am Arm und in späteren Jahren auch mehrmals mit der direkten Konkurrenz verglichen - bei Panerai gab es da 3 optisch fast gleiche Referenzen in 42mm, die sich aber beim Werk und Preis unterschieden (an die Nummern kann ich mich nicht mehr erinnern... :whistling: ). Aber die 512 ging immer wieder als Siegerin aus den Vergleichen hervor.

Nun war ich bei Panerai ein wenig ein gebranntes Kind, da mein erster Versuch mit einer 312 doch nicht allzu lange dauerte:

https://forum.watchtime.ch/viewtopic.php?p=813463

Die Uhr musst mich nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen, weil sie doch zu hoch und kopflastig war. Zumindest finanziell war aber kein Schaden entstanden. Anders als die 312 war aber die 512 überaus selten und wurde dann auch irgendwann um 2016 eingestellt. So findet man aktuell nur eine Handvoll weltweit im Angebot, was für Panerai doch ungewöhnlich ist. Nun ergab sich aber vor einiger Zeit eine Option in einem ausländischen Nachbarforum, allerdings brauchte es auch hier einige Monate, bis der Preis in einer passenden Region angekommen war. Und dann kam sie doch, die zweite Panerai, nach gut 10 Jahren abwägen und suchen :mrgreen:

Hier ein paar erste Bilder:

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Und nach den ersten Wochen bin ich ganz zuversichtlich, dass die Uhr länger bleibt als ihre Vorgängerin :D ...

Gruß,
Christian
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stere
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von stere »

Gratulation zur PAM!

An Deinem Arm sah die 312 aber ein bisschen passender aus :whistling: :mrgreen:

Aber, eine PAM kann man in seiner Sammlung schon haben, da muss man sich nicht entschuldigen
stere
"If you think you are too old to rock'n'roll then you are!" Lemmy
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kochsmichel
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von kochsmichel »

Herzlichen Glückwunsch und wieder mal Danke für den umfänglichen Bericht :thumbsup:
Light side of the mood!
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u2112
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von u2112 »

@stere: Die Kamera verzerrt das, in der Realität habe ich sehr schlanke Arme :angry: :mrgreen:

Aber bei der Begründung bin ich bei Dir, nicht umsonst ist die Uhr in die Box mit dem Titel "Klassiker" einsortiert worden :wink:

Hier nochmal ein paar mehr Detail-Fotos:

Der wesentliche Grund für den Kauf - die Uhr ist wirklich schön flach (ca. 11,5mm) und liegt entsprechend satt am Arm:

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Verbaut ist das Originalband mit einer Dornschließe:

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Ich habe auch noch zwei Bänder zum Wechseln mit dazu bekommen, bin aber eigentlich mit dem OEM-Band ganz zufrieden.

Die kleine Sekunde sitzt bei der 9, ohne dass eine Ziffer oder ein Datum stören:

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Klassisch für Panerai ist das Sandwich-Dial, das trotz Vintage-Lume doch eine sehr gute Leuchtkraft hat:

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Das Glas ist leicht gewölbt und zusammen mit dem verschraubten Boden ergibt das eine Druckfestigkeit von 10 bar - da kann man bei einer eher dressigen Uhr nicht meckern:

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Das Zifferblatt ist matt und leicht körnig, das Glas ist allerdings nicht doppelt entspiegelt, so dass der Blick nicht ganz frei von Spiegelungen ist:

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Die Maße der Uhr schlagen sich auch im Zustand nieder - in den 8 Jahren beim Vorbesitzer hat sich die Uhr nur eine minimale Macke eingefangen und ist sonst nirgendwo angeeckt.

Gruß,
Christian
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Hertie
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von Hertie »

Eine Panerai ist ein Gesicht in der Menge, von daher passt sie gut in eine Sammlung, in welcher nicht die Eintönigkeit einer Einmarkenstrategie als Zielsetzung vorherrscht.

Zudem ist das P999 optisch wesentlich schöner als viele der -mir - zu nüchtern geratenen hauseigenen Kaliber .
Und wenn Frau und Kinder genug zum Essen haben, ist die Selbstbeschränkung doch nur ein vorgeschobener Vorwand , weil man zu sehr am Geld hängt. :mrgreen:
Von daher eine gute Entscheidung. Schön isse. :thumbsup:
Gast-Member Nr.1 - am 15.2.2006 virtuell bereits im Schlafsack vor der Türe wartend.
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MCG
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von MCG »

Zeitlos schöne Uhr, herzlichen Glückwunsch❣️
LG aus Mostindien - Markus
möhne
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von möhne »

Hertie hat geschrieben: 10 Apr 2022, 19:03 Eine Panerai ist ein Gesicht in der Menge, von daher passt sie gut in eine Sammlung, in welcher nicht die Eintönigkeit einer Einmarkenstrategie als Zielsetzung vorherrscht.

Zudem ist das P999 optisch wesentlich schöner als viele der -mir - zu nüchtern geratenen hauseigenen Kaliber .
Und wenn Frau und Kinder genug zum Essen haben, ist die Selbstbeschränkung doch nur ein vorgeschobener Vorwand , weil man zu sehr am Geld hängt. :mrgreen:
Von daher eine gute Entscheidung. Schön isse. :thumbsup:
:thumbsup:
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u2112
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von u2112 »

@Hertie: Ja, bezüglich der Kaliber gibt es ja bei Panerai öfters Kummer in letzter Zeit, aber hier kann man (ich) nicht meckern. Panerai steht für mich für ein einzigartiges Design, nicht so sehr für uhrmacherische Meisterleistungen. Ich kann auch mit sehr fundamentalistischen Interpretationen von "Manufaktur" oder "inhouse" nichts anfangen, da die Geschichte der modernen Uhrenproduktion von Anbeginn durch spezialisierte Zulieferer geprägt ist.

Klar, wenn man da falsche Angaben macht und Kunden täuscht, ist das nicht ok. Und wenn man billigste Werke einbaut und das hinter Deckeln oder getönten Gläsern verstecken will, auch nicht. Aber hier hat man mit dem Kal. 999/1 ein absolut akzeptables Kaliber verbaut - die Basis ist ein Piaget 838P und das kann nicht verkehrt sein:

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https://www.piaget.com/de-de/movement/8 ... l-movement

Gut, bei Piaget ist das Finish ein wenig anders, aber die entsprechenden Modelle sind auch anders positioniert. Wofür Piaget steht, sind ja sehr flache Uhrwerke und Uhren, und das überträgt sich gut auf diese 512. Mit 2,5mm ist das Werk nicht so weit weg von einem JLC Ultra Thin, hat dabei aber eine Gangreserve von 60h und zumindest bei mir am Arm sehr gute und stabile Gangwerte (+3s/Tag relativ konstant über die Gangreserve).

Das Finish variiert zwischen der Stahl- und der Goldversion, bei letzterer ist u.a. auch noch einen Schwanenhals verbaut, wodurch allerdings auch die Höhe um knapp 1mm wächst. Bei der 512 ist die Finissage eher industriell, aber es gibt einen Strichschliff, das Räderwerk sieht vernünftig aus und die Brücken sind angliert.

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Gebaut werden die Werke bei der Richemont Werke-Tochter ValFleurier, meins wurde im Februar 2014 hergestellt (kann man am Stempel "VTB" erkennen, der sitzt links oberhalb der Unruh außen):

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Hier braucht man also nichts hinter Deckeln oder getönten Scheiben verstecken :wink: ...

Gruß,
Christian
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Paulchen
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von Paulchen »

Wie sagt mein Kollege immer: "Spontanität will wohl überlegt sein!"
Glückwunsch und viel Spaß mit der schlichten Uhr. :thumbsup:
H-P
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cool runnings
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von cool runnings »

Herzlichen Glückwunsch. Eine der Panerais, die mir auch gut gefallen. 👍

Deine Zeilen zum Thema Spontanität und Selbstbeschränkung sind auch interessant ….
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walter
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von walter »

Mit geht auch die eine oder andere PAM immer wieder durch den Kopf.
Aber ich stehe eher auf die Henkelvarianten , wie Hertie sie mal hatte.
Das Sandwichblatt (mit oder ohne kleine Sekunde) ist schon spannend und für jeden Sammler irgenwann ein "must have".
Daher: tolle Ergänzung Deiner Sammlung :thumbsup:
Walter

Mein Indischer Schachmeister sagte: Am Ende kommen Bauer und König in die selbe Kiste
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khs3770
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von khs3770 »

u2112 hat geschrieben: 10 Apr 2022, 20:22 Aber hier hat man mit dem Kal. 999/1 ein absolut akzeptables Kaliber verbaut - die Basis ist ein Piaget 838P und das kann nicht verkehrt sein:

Die kleine Sekunde sitzt bei der 9, ohne dass eine Ziffer oder ein Datum stören:
Gab es nicht mal Probleme mit dem 999, also daß der Minutenzeiger immer springt, wenn man nach Stellen der Uhr die Krone wieder reindrückt und daß auch die Gangwerte eher so mittelprächtig sind? Kann mich da dunkel an einen Test der Radiomir 337 erinnern. :oops:

Ansonsten natürlich Glückwunsch und viel Freude mit der Uhr, obwohl Ziffer 9 und kleine Sekunde auch schick sind. :wink:
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u2112
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von u2112 »

khs3770 hat geschrieben: 11 Apr 2022, 08:37
u2112 hat geschrieben: 10 Apr 2022, 20:22 Aber hier hat man mit dem Kal. 999/1 ein absolut akzeptables Kaliber verbaut - die Basis ist ein Piaget 838P und das kann nicht verkehrt sein:

Die kleine Sekunde sitzt bei der 9, ohne dass eine Ziffer oder ein Datum stören:
Gab es nicht mal Probleme mit dem 999, also daß der Minutenzeiger immer springt, wenn man nach Stellen der Uhr die Krone wieder reindrückt und daß auch die Gangwerte eher so mittelprächtig sind? Kann mich da dunkel an einen Test der Radiomir 337 erinnern. :oops:
....
... das kann sein, so tief stecke ich bei Panerai nicht in den Details. Zumindest bei meiner Uhr passt aber alles - mit dem üblichen Vorstellen und leicht zurück auf den Index drehen bleibt der Zeiger beim Reindrücken auf der gewünschten Position und die Gangwerte sind (wie oben geschrieben) für so ein Uhrwerk ziemlich perfekt. Es gibt aber von dem Werk auch verschiedene Varianten (ich habe ja 999/1 und nicht 999).

Gruß,
Christian
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alinghi74
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Re: Das Gegenteil eines Spontankaufs: Panerai 512

Beitrag von alinghi74 »

Gratuliere zur PAM! :thumbsup:
Gruss alinghi74

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