ich habe ja bekanntermaßen eine Schwäche für Taschenuhren, insbesondere die Nachkriegsmodelle von IWC - also Uhren, die schon bei Erscheinen aus der Zeit gefallen waren, denn spätestens seit den 1950er Jahren war der Siegeszug der Armbanduhr unaufhaltsam.
Trotzdem haben für mich Taschenuhren ihren ganz eigenen Charme und insbesondere bei den Werken eine Qualität, die man in modernen Armbanduhren nur findet, wenn sie sich im deutlich fünfstelligen Bereich bewegen. Nun gibt es aber gute Gründe, warum sich Armbanduhren durchgesetzt haben - die sind einfach viel praktischer und auch für den rauen Einsatz im Alltag geeignet. Eher feine Taschenuhren, meist mit Goldgehäuse und Werken ohne Stoßsicherung, sind dafür zu empfindlich, vom Kontakt mit Wasser oder magnetischen Feldern ganz zu schweigen.
Es gibt aber eine Ausnahme, die Tool-Watch unter den Taschenuhren: Die IWC Ingenieur 5215.
Als diese Uhr 1982 vorgestellt wurde, war IWC noch dabei, sich aus den Tiefen der Quarzkrise hervor zu arbeiten. Die Porsche-Design-Kooperation war gerade gestartet, die komplizierten Armbanduhren steckten noch in den Kinderschuhen und die Ingenieur-Linie durchlief gerade den Wechsel von der Jumbo-Generation der 1832/3003/3303 hin zu den deutlich kleineren "Skinny"-Modellen der 1980/90er Jahre.
Taschenuhren waren damals noch ein wesentlicher Umsatzbringer und gerade die extrem hochpreisigen komplizierten Modelle haben IWC da durch manches Krisenjahr gebracht. Dennoch hatten diese Uhren ein Problem: Sie sprachen nur eine kleine, eher konservative (und ziemlich reiche) Klientel an. Und so wurde der Versuch gestartet, ein modernes und robustes Taschenuhr-Modell zu entwickeln, das vielleicht auch wieder jüngere Kunden für solche Uhren begeistern konnte. Gerade IWC-Taschenuhren hatten ja durchaus eine Geschichte als echte "Tool-Watches", z.B. die Bundesmarine hatte damals noch auf jedem Schiff eine IWC Taschenuhr im Einsatz.
Die technischen Eigenschaften der 5215 sind durchaus beeindruckend: Es war die erste Taschenuhr, die sowohl wasserdicht (bis 3 bar) als auch geschützt gegen Magnetfelder war (bis 40.000 A/m). Das Gehäuse war verschraubt, die Krone mit einem O-Ring abgedichtet, das Werk durch Schock-Absorber geschützt, zudem wurde erstmals ein Saphirglas verbaut.
Wie alle Taschenuhren, war auch die 5215 damals kein Schnäppchen: 1982 wurden 4.500 DM aufgerufen, das war ungefähr das Dreifache der normalen Stahl-Taschenuhren und 750 DM mehr, als die 1832 damals kostete. 1995 tauchte die Referenz das letzte Mal in der Preisliste auf mit einer UVP von 8.400 DM (zum Vergleich ein Fliegerchrono 3706 lag am Lederband bei 4.800 DM).
Und wie bei allen Taschenuhren blieben die Verkaufszahlen entsprechend überschaubar. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, aber zwischen 1991 und der Einstellung 1996 wurde 135 Exemplare verkauft, also rund 25 Stück pro Jahr, Im September 1997 waren noch 49 Rest-Exemplare auf Lager, wie Manfred Fritz in seinem "Nachruf" für die Watch schrieb, insgesamt dürften wohl deutlich weniger als 500 Stück im Laufe der 15 Jahre gebaut worden sein.

Genau so eine Uhr wie aus dem obigen Artikel, fand nun nach längerer Suche Anfang des Jahres den Weg zu mir - das rhodinierte Blatt mit dem Millimeterpapier-Muster ist auch die häufigste Variante (es gibt das ZB noch in schwarz und zwei weiße Versionen). Nun haben die Armband-Ingenieure in der Sammlung also endlich auch einen Taschenuhr-Partner bekommen










Der verschraubte Deckel hat einen Nachteil - man bekommt ihn nicht mit dem üblichen Taschenmesser-Einsatz auf. Deshalb hier nur die Werkbilder vom Verkäufer. Ich suche aber bei Gelegenheit nochmal Bilder vom Kal. 9520 raus, die ich bei anderen Taschenuhren gemacht habe.


Was mir aufgefallen ist: Die Werknummer liegt mit 2.3xx.xxx außerhalb der Range, die in den üblichen Datenbanken hinterlegt ist. Offenbar wurden doch noch in 1980er Jahren Werke dieses Kalibers neu fertiggestellt (meine Uhr ist aus 1985)?
Gruß,
Christian